Vor Urteil im Vatileaks-Prozess

Francesca Chaouqui mit ihrem drei Wochen alten Baby
Vatikan.Geheime Dokumente über Misswirtschaft wurden veröffentlicht.

Die Anklage hat für vier der fünf Angeklagten Haftstrafen beantragt. Die Verteidiger forderten einen Freispruch.

Die beiden Hauptangeklagten, der spanischen Prälat Lucio Angel Vallejo Balda und die PR-Beraterin Francesca Chaouqui, standen im Mittelpunkt des Prozesses. Ihnen wird vorgeworfen geheime Vatikandokumente über Misswirtschaft und Geldverschwendung im Kirchenstaat an Journalisten weitergegeben zu haben. Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi sollte ebenfalls angeklagt werden. Sein Kollege Emiliano Fittipaldi wurde wegen Beweismangel freigesprochen.

Der Prozess wurde vom italienischen Journalistenverband und von zahlreichen Parlamentariern scharf kritisiert. "Die Angeklagten haben ja nichts verbrochen, außer dass sie für den Vatikan unbequeme Fakten über die Finanzverwaltung weitergegeben beziehungsweise veröffentlicht haben", analysiert die Tageszeitung La Repubblica.

Junge Mutter

Die Aufmerksamkeit während des Prozesses richtete sich vor allem auf die PR-Beraterin Francesca Immacolata Chaouqui. Die junge Frau brachte erst vor drei Wochen ihr Baby auf die Welt. Zu den Prozessterminen erschien sie in Begleitung ihres kleinen Sohnes und ihrer Familie. "Ich bin bereit, als Unschuldige hinter Gitter zu landen", sagte die Italienerin. Als Mitglied einer vatikanischen Wirtschaftsprüfungskommission, die Missstände der Vatikanfinanzen aufdecken sollte, hatte sie Zugang zu streng vertraulichen Dokumenten. "Ich könnte alles den Journalisten weitergeben, die vor dem Vatikan warten. Daraus könnte man ein schwarzes Buch über die vatikanischen Finanzen schreiben. Das wäre eine gerechte Rache zur Besänftigung der Wut einer unschuldigen Person. Doch ich werde all dies nicht tun", machte Chaouqui ihrem Unmut Luft.

Auch Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi, der in seinem Buch "Alles muss ans Licht" geheime Vatikandokumente veröffentlichte, ist empört: "Heute fällt das vatikanische Gericht zum ersten Mal in der Kirchengeschichte ein Urteil gegen einen Journalisten. Der dafür bestraft wird, weil er seine Arbeit getan hat." Nuzzi erschien bei der letzten Gerichtsverhandlung am Donnerstag mit einer Kopie der italienischen Verfassung in der Hand.

"Ich trage laut Anklage moralische Mitschuld, weil ich dazu beigetragen habe, geheime Nachrichten zu veröffentlichen. Im Zentrum dieses absurden Prozesses steht die Pressefreiheit", kommentierte Nuzzi vorab auf Facebook. Laut Vatikan-Beobachtern sei es kaum vorstellbar, dass der Papst eine junge Frau mit einem drei Wochen alten Baby im Vatikan-Gefängnis hinter Gitter sperren würde.

Dazu müsste der Vatikan dazu einen Auslieferungsantrag an die italienische Justiz stellen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Italien Chaouqui und Nuzzi ausliefern würde.

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