Türkei: Mehr Allah, weniger Cocktails

An einer Hotelbar in der Türkei einen professionell gemixten Cocktail zu bekommen könnte in Zukunft schwierig werden. Die Bildungskonferenz aus Regierung, Lehrergewerkschaften und Experten beschloss bei einer Sitzung in Antalya, die Zubereitung alkoholischer Mixgetränke aus den Lehrplänen der Hotelfachschulen zu streichen.
Vertreter der Fremdenverkehrsindustrie sind entsetzt und fürchten um die Qualität des Personals in einem Land mit jährlich 30 Millionen ausländischen Besuchern. Doch nicht nur Hotelbesitzer machen sich Sorgen. Die Cocktail-Entscheidung ist nur einer von mehreren umstrittenen Beschlüssen der Konferenz. Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert sogar die Einführung eines Pflichtfachs "Osmanisch" an Gymnasien.
Erdogans islamisch-konservative Regierung wolle die Türkei ins Mittelalter zurückwerfen, schimpfte Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu. Die Entscheidungen dürften auch in der EU die Sorge über den Kurs des muslimischen Bewerberlandes weiter verstärken.
Bei dem Treffen entschieden die Bildungspolitiker unter anderem, das Pflichtfach "Religion und Ethik" künftig schon ab er ersten Klasse Volksschule der beginnen zu lassen; bisher startete der Religionsunterricht erst in der vierten Klasse. 90 Prozent der Teilnehmer der Bildungskonferenz seien Erdogan-Anhänger gewesen, sagte der Generalsekretär der regierungskritischen Lehrergewerkschaft Egitim-Is, Veli Demir.
Tatsächlich entsprechen die Entscheidungen der Bildungskonferenz den Vorgaben Erdogans für eine "Neuen Türkei": Er fordert die Ausbildung einer "frommen Jugend", er will ein Land, das stolz ist auf die islamische Kultur und in dem Säkularisten und andere Skeptiker keine Rolle mehr spielen.
Erdogans eigene Vorstellungen für eine Bildungsreform gehen über die Beschlüsse der Konferenz von Antalya hinaus. Er verlangte nach dem Treffen, Oberschüler in der Türkei sollten künftig Osmanisch lernen, "ob sie wollen oder nicht". Das Osmanische, eine Form des Türkischen mit vielen arabischen und persischen Lehnwörtern und arabischer Schrift, war in den 1920er-Jahren von Staatsgründer Mustafa Atatürk durch das moderne, in lateinischer Schrift geschriebene Türkisch ersetzt worden. Die Opposition argwöhnt, dass Erdogan die arabische Schrift jetzt wieder einführen will.
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