Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Die Unfallstelle von oben.
Nahe Rosenheim sind zwei Züge zusammengestoßen."Verhängnisvolle Fehlentscheidung" als Ursache?
  • Bei einem schweren Zugunglück in Oberbayern im Kreis Rosenheim sind Dienstag früh nach jüngsten Berichten 10 Menschen ums Leben gekommen.
  • 18 Menschen wurden schwer, 63 Reisende leicht verletzt. Außerdem wurde noch eine Person vermisst, wie die Polizei mitteilte.
  • Zwei Regionalzügen waren auf einer eingleisigen Strecke in der Nähe von Bad Aibling zusammengestoßen. Ein Zug entgleiste, mehrere Waggons stürzten um.
  • Mehrere Hundert Einsatzkräfte sind vor Ort, um Verletzte aus den Zügen zu retten und zu versorgen. Im Einsatz standen auch zahlreiche Rettungskräfte aus Tirol.
  • Die Polizei und die Bayerische Oberlandbahn GmbH haben Notrufnummern für Angehörige eingerichtet. Zum Blutspenden wurde aufgerufen.
  • Wie es zu dem Unglück gekommen ist, ist noch unklar - vermutet wird menschliches Versagen.
  • Informationen über Österreicher unter den Passagieren liegen bisher keine vor.

Schwarzer Faschingsdienstag in Oberbayern: Nach dem Zugunglück Dienstagfrüh ist die Zahl der Todesopfer auf zehn gestiegen. Wie der Bayrische Rundfunk berichtet, sind unter den Toten die beiden Lokführer und die beiden Zugbegleiter. 90 Personen überstanden das Unglück mit leichten Verletzungen.

Laut Feuerwehr sind mittlerweile alle Personen geborgen worden. Eine Personen wird laut Polizei noch vermisst. Ob sie sich überhaupt im Zug befunden hat, muss noch geklärt werden.

Praktisch ungebremst

Zu dem Unfall war es gegen 6.50 Uhr gekommen: Zwei Züge des privaten "Meridian" waren auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal und wie sich herausstellte praktisch ungebremst zusammengestoßen. Dabei verkeilten sich die Triebwagen der beiden Züge. Ein Zug entgleiste, mehrere Waggons stürzten um. Offenbar waren die Züge mit hoher Geschwindigkeit unterwegs, das erklärte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bei der Pressekonferenz. Da es sich um eine kurvige Strecke handelt, vermutet Dobrindt, dass die beiden Lokführer auch keinen Blickkontakt gehabt haben.

Menschliches Versagen?

Für die Untersuchung der Unfallursache werden nun auch die drei Blackboxen herangezogen. Auf Spekulationen, was der Grund für das Unglück sein könnte, wollte sich Dobrindt nicht festlegen. Es sollten die Ermittlungsergebnisse abgewartet werden.

Einem Zeitungsbericht zufolge ist das Unglück womöglich auf menschliches Versagen zurückzuführen. Der Grund für den Zusammenstoß sei offenbar eine "verhängnisvolle Fehlentscheidung" eines Bahnmitarbeiters, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstagabend unter Berufung auf Ermittlerkreise.

Schlimmstes Zugunglück seit 1975

Es dürfte sich um das schlimmste Zugunglück in Bayern seit 1975 handeln (mehr dazu unten). Deutschlands Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kamen an den Unfallort.

Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim
German Transport Minister Alexander Dobrindt (L) and Bavarian Interior Minister Joachim Herrmann (C) arrive at the site of the two crashed trains near Bad Aibling in southwestern Germany, February 9, 2016. Several people died after two trains collided in the southern German state of Bavaria on Tuesday, a police spokesman said, adding about 100 people were also injured. REUTERS/Michael Dalder
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bestürzt auf das schwere Zugunglück in Bayern reagiert. Ihr Mitgefühl gelte vor allem den Familien der Menschen, die dabei ihr Leben verloren hätten, erklärte Merkel am Dienstag. „In Gedanken bin ich auch bei den zahlreichen Verletzten, die mit den Folgen des Unglücks ringen.“ Die Kanzlerin dankte den Einsatzkräften aus der Region, die sich unter schweren Bedingungen um die Verunglückten kümmerten. „Ich vertraue darauf, dass die zuständigen Behörden alles daran setzen werden, aufzuklären, wie es zu diesem Unglück kommen konnte“, sagte Merkel.

Absagen des Politischen Aschermittwochs

Unter dem Eindruck des Unglücks hat die CSU ihren traditionellen Politischen Aschermittwoch abgesagt. Dies meldet das Parteiorgan „Bayernkurier“ und zitiert CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit den Worten: „Aus Respekt vor den Opfern des tragischen Zugunglücks findet der morgige Politische Aschermittwoch der CSU nicht statt.“ Auch Grüne, SPD und Linke habe mittlerweile ihre traditionellen Aschermittwochs-Veranstaltungen abgesagt.

Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Zugunfall in Oberbayern
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Zugunfall in Oberbayern
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Zugunfall in Oberbayern
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Members of emergency services work at the site of
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Members of emergency services boat on the river ne
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Zugunfall in Oberbayern
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Four dead, 150 injured in southern German train co
Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Zugunfall in Oberbayern

Offenbar keine Österreicher im Zug

Auch ein Mitarbeiter des österreichischen Generalkonsulats in München begab sich laut einem Sprecher des Außenministeriums in Wien an den Unglücksort. Informationen über Österreicher unter Passagieren der Unglückszüge lagen aber bis gegen Mittag nicht vor.

Die Bahnstrecke wird vor allem von Pendlern in Richtung München frequentiert. Insgesamt sollen sich 150 Fahrgäste in den beiden Zügen befunden haben. Aufgrund der Ferien waren nicht so viele Passagiere unterwegs, wie es sonst der Fall ist.

Zehn Tote und über 100 Verletzte bei Zugunglück nahe Rosenheim

Hubschrauber brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, während die zahlreichen Leichtverletzten zunächst in einer Sammelstelle versorgt wurden. Dabei half auch die Wasserwacht, welche die Verletzten von der direkt an dem Flüsschen Mangfall gelegenen Unfallstelle an das gegenüberliegende Ufer transportierte.

Schwierige Bergung

Zum Teil wurden die Opfer auch in Bergungssäcken von den Hubschraubern hochgezogen und an das andere Ufer geflogen. Die Unfallstelle ist sehr schwer zugänglich und liegt an einer Hangkante, die zur Mangfall abfällt.

Im Einsatz in Bayern standen auch zahlreiche Rettungskräfte aus Tirol. Das Rote Kreuz, der Arbeiter Samariter Bund und andere Organisationen hatten insgesamt 20 Fahrzeuge, fast 90 Sanitäter und knapp zehn Notärzte aus Kufstein, Schwaz und Kitzbühel entsandt. Weiters befanden sich vier Notarzthubschrauber aus Österreich im Einsatz. Das Krankenhaus Kufstein stand für die Übernahme von Verletzten bereit.

Insgesamt waren 15 Hubschrauber im Einsatz, drei davon vom ÖAMTC. "Das Gebiet war komplett unzugänglich", sagte Josef Deutinger vom Christophorus 1. Die Helfer mussten mittels Winden an der Unglücksstelle abgesetzt werden. Auch die Verletzten konnten nur mit Helikoptern geborgen werden

Laut Süddeutscher Zeitung wurde ein Aufruf zum Blutspenden gestartet. Demnach wies der Blutspende Dienst München daraufhin, dass "aufgrund des tragischen Zugunglücks im Landkreis Rosenheim ein deutlich erhöhter Bedarf an lebensrettenden Blutkonserven besteht".

Für die Opfer und deren Angehörige waren auch Notfallseelsorger vor Ort.

Die Aufräumarbeiten werden wahrscheinlich einige Tage in Anspruch nehmen. Für die Bergung der Züge wurden zwei Kräne angefordert.

"Riesenschock"

"Der Unfall ist ein Riesenschock für uns", sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), Bernd Rosenbusch. "Wir tun alles, um den Reisenden, Angehörigen und Mitarbeitern zu helfen." Die BOB betreibt die Züge auf der Unfallstrecke.

Der Zugbetreiber veröffentlichte auf seiner Website eine Notrufnummer für Angehörige.

Auswirkungen auf Faschingstreiben und Flüchtlinge

Aufgrund des Unglücks wurde das Faschingstreiben in Rosenheim abgesagt. Das gab das City-Management Rosenheim bekannt.

Das Zugunglück hat sich aber auch auf die Flüchtlingssituation in Kufstein ausgewirkt. "Aufgrund der Vorkommnisse kann die Weiterreise von 750 Flüchtlingen nach Deutschland nicht wie geplant stattfinden", hieß es in einer Aussendung des Landes Tirol.

Um "einen Rückstau und eine Überbelegung der Flüchtlingsunterkunft in Kufstein zu vermeiden und die Versorgung zu gewährleisten", sollten am Dienstag keine weiteren Flüchtlinge nach Kufstein gebracht werden. Die Tiroler Rettungskräfte, die an dem Einsatz beteiligt waren, sind zu Mittag wieder zurückgekehrt. Ein Mitarbeiter des österreichischen Generalkonsulats in München begab sich laut einem Sprecher des Außenministeriums in Wien an den Unglücksort. Informationen über Österreicher unter Passagieren der Unglückszüge lagen aber bis gegen Mittag nicht vor.

Die Marke Meridian

Die verunglückten Züge werden von der Bayerischen Oberlandbahn GmbH unter der Marke Meridian betrieben. Die Bayerische Oberlandbahn gehört zum französischen Eisenbahnunternehmen Transdev. Die Transdev GmbH in Deutschland mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp 850 Millionen Euro bezeichnet sich als größter privater Nahverkehrsanbieter im lokalen Bahn- und Busbereich in Deutschland. Der Mutterkonzern Transdev ist mit 83.000 Mitarbeitern in 20 Ländern tätig.

Die Strecke Holzkirchen-Rosenheim gehört zur Deutschen Bahn, die auch das Stellwerk in Bad Aibling betreibt. An der Strecke gibt es eine sogenannte Punktförmige Zugbeeinflussung (PZB), die einen Zug automatisch abbremst, wenn ein rotes Signal überfahren wird (mehr dazu unten).


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Bahnfahren ist sicher. Unfälle mit Todesopfern - so wie am Dienstag in Oberbayern - sind selten. Dies zeigt auch eine Chronologie in Deutschland. Die größte Katastrophe der vergangenen Jahrzehnte war 1998 das ICE-Unglück im Bundesland Niedersachsen mit 101 Todesopfern.

August 2014: In Mannheim rammt ein Güterzug einen Eurocity mit 250 Passagieren - zwei Waggons stürzen um, 35 Menschen werden verletzt. Der Lokführer des Güterzugs hatte ein Haltesignal übersehen.

September 2012: Ein Intercity entgleist beim Verlassen des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Acht Menschen werden verletzt. Bereits im Juli jenen Jahres war an gleicher Stelle ein IC aus den Gleisen gesprungen. Ursache waren jeweils defekte Puffer an den Waggons.

April 2012: Eine Regionalbahn stößt bei Offenbach (Hessen) mit einem Baukran-Zug zusammen. Drei Menschen werden getötet, 13 verletzt.

Jänner 2012: Ein Regionalzug rast in Nordfriesland in eine Rinderherde und kippt um. Ein Fahrgast kommt ums Leben.

September 2011: Geröll stürzt bei heftigen Regenfällen ins Gleis und lässt einen Intercity mit etwa 800 Menschen an Bord bei St. Goar im Rheintal entgleisen. 15 Menschen werden verletzt.

Jänner 2011: Zehn Menschen sterben, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstößt. Ein Lokführer hatte zwei Haltesignale überfahren.

Oktober 2009: Bei einer Feier zum 125-jährigen Bestehen der historischen Lößnitzgrundbahn in Sachsen stoßen zwei der alten Züge zusammen. 52 Menschen werden verletzt, vier von ihnen schwer.

April 2008: Ein ICE rast südlich von Fulda (Hessen) in eine Schafherde und entgleist teilweise - 73 Verletzte.

Juni 2003: Bei Schrozberg in Baden-Württemberg stoßen zwei Regionalzüge zusammen. Sechs Menschen sterben.

Februar 2000: In einer Baustelle des Bahnhofs Brühl bei Köln entgleist der Nachtexpress von Amsterdam nach Basel an einer Weiche. Bilanz: Neun Tote, 149 Verletzte.

Juni 1998: Nach dem Bruch eines Radreifens prallen im niedersächsischen Eschede mehrere Waggons eines ICE bei Tempo 200 gegen eine Straßenbrücke. 101 Menschen sterben.

Je schneller Züge auf einer Strecke fahren dürfen, desto höher sind die Anforderungen an zusätzliche Sicherungstechnik, die menschliche Fehler ausgleichen soll - denn auch Bremswege werden länger. Bis Tempo 160 wird in Deutschland die "Punktförmige Zugbeeinflussung" (PZB) eingesetzt.

Installiert ist das System nach Angaben der Deutschen Bahn als Betreiberin des Schienennetzes auch auf der eingleisigen Strecke in Bayern, auf der am Dienstag zwei Züge frontal zusammenstießen. Beim PZB-System empfängt ein Gerät im Zug Signale von Magneten im Gleisbett - diese sind mit einem ersten Vorsignal und dem 1.000 Meter weiter stehenden Hauptsignal verkabelt.

Steht das Hauptsignal auf Rot, zeigt dies auch bereits das Vorsignal an. Der Lokführer muss mit einer Taste bestätigen, dass er dies bemerkt hat, sonst bremst ihn die Technik ab. Rollt der Zug über das rote Hauptsignal, wird ebenfalls eine Zwangsbremsung ausgelöst. Das System kann auch eingreifen, wenn Züge zum Beispiel in engen Kurven die Geschwindigkeit nicht wie vorgeschrieben gedrosselt haben.

Das 33.000 Kilometer lange Gleisnetz in Deutschland ist nach Bahn-Angaben inzwischen zu mehr als 96 Prozent mit PZB ausgestattet. Wo schneller als Tempo 160 gefahren wird, werden Fahrtdaten nicht nur punktuell, sondern ständig technisch kontrolliert. Diese "Linienzugbeeinflussung" (LZB) kann ebenfalls automatische Bremsungen auslösen. Eingleisig sind etwa 15.000 Kilometer des deutschen Gleisnetzes.

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