Obama kritisiert Absage von Nordkorea-Satire

US-Präsident Brack Obama will "angemessen" auf den Cyberangriff auf Sony Pictures reagieren.
Promis sehen künstlerische Freiheit gefährdet. FBI: Pjöngjang steckt hinter Hacker-Attacke auf Sony.

US-Präsident Barack Obama hat den Filmkonzern Sony für die Rücknahme der Nordkorea-Satire "The Interview" nach einer Hacker-Attacke kritisiert. "Ich denke, sie haben einen Fehler gemacht", sagte Obama am Freitag bei einer Pressekonferenz in Washington. Der Präsident machte Nordkorea für die Attacke verantwortlich und drohte mit Konsequenzen.

"Irgendein Diktator an irgendeinem Ort" dürfe nicht in den Vereinigten Staaten eine Zensur durchsetzen können. Eine Gruppe mit dem Namen Guardians of Peace (GOP) hatte Ende November einen Cyberangriff auf Sony gestartet und interne Dokumente und E-Mails der Produktionsfirma im Internet veröffentlicht. Vor einigen Tagen sprach die Gruppe wegen "The Interview" dann ominöse Drohungen aus und erinnerte an die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA. Sony zog den Film, in dem es um ein fiktives Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un geht, daraufhin den für den ersten Weihnachtstag geplanten Kinostart zurück.

"Das ist nicht, wofür Amerika steht"

Obama sagte, er habe zwar Verständnis, dass Sony sich als Privatunternehmen vor wirtschaftlichem Schaden gefürchtet habe. Aber er hätte sich gewünscht, dass die Verantwortlichen des Filmkonzerns vor der Entscheidung mit ihm gesprochen hätten. "Ich hätte ihnen gesagt, nicht in ein Muster zu verfallen, in dem man sich von Cyberangriffen einschüchtern lässt", sagte der Präsident. Es bestehe die Gefahr, dass Produzenten künftig Selbstzensur übten. "Das ist nicht, wer wir sind. Das ist nicht, wofür Amerika steht", sagte Obama.

Die US-Bundespolizei FBI hatte die Regierung in Pjöngjang am Freitag direkt für den Cyberangriff und die Terrordrohungen verantwortlich gemacht. Mit der "Einschüchterung" bewege sich Nordkorea "außerhalb der Grenzen des akzeptablen Verhaltens von Staaten", teilte das FBI mit. Obama sagte, die USA hätten keine Hinweise darauf, dass Nordkorea bei der Attacke mit einem anderen Land zusammengearbeitet habe. Der Präsident kündigte eine "angemessene Reaktion" seiner Regierung an. Diese werde zu gegebener Zeit erfolgen. Derzeit lasse er eine "Reihe von Optionen" ausarbeiten.

Sony wehrt sich

Sony hat die Kritik von US-Präsident Obama an der gestoppten Veröffentlichung von "The Interview" zurückgewiesen. "Wir sind nicht eingeknickt", sagte der Chef der US-Filmtochter Sony Pictures, Michael Lynton, am Freitag dem Sender CNN. "Der Präsident, die Presse und die Öffentlichkeit irren sich, was den tatsächlichen Ablauf angeht."

Sony kontrolliere nicht die Kinos und könne nicht darüber entscheiden, welche Filme gezeigt würden. Obamas Bemerkungen seien enttäuschend, sagte Lynton. Er sei sich nicht sicher, ob der Präsident wirklich verstehe, was zu der Absage geführt habe. "Daher widerspreche ich der Darstellung, dass sie ein Fehler war."

Auch von anderer Seite gab es scharfe Kritik an der Entscheidung, den Film "The Interview" zurückzuziehen. Er sei eine "dumme" und "alberne Komödie", sagte Hollywood-Star George Clooney dem Branchenportal Deadline. "Aber die Wahrheit ist, dass das, was jetzt daraus geworden ist, eine ganze Menge über uns alle aussagt."

"Wir haben die Pflicht, uns dagegen zu wehren", sagte Clooney. "Irgendwie haben wir es zugelassen, dass Nordkorea Inhalte von Filmen diktieren kann, und das ist einfach nur wahnwitzig." Auch zahlreiche andere Künstler kritisierten Sony Pictures scharf. Eine "atemberaubende Offenbarung von Feigheit" nannte der "Game of Thrones"-Autor George Martin die Entscheidung, und Schauspieler Steve Carrell sprach von einem "traurigen Tag für die künstlerische Ausdrucksfreiheit".

Coelho will einspringen

Die Absage des Kinostarts sei eine Drohung gegen alle Künstler auf der Welt, sagte der Bestseller-Autor Pablo Coelho ("Der Alchimist") dem Nachrichtenportal UOL. "Sony hat einen furchtbaren Präzedenzfall geschaffen." Coelho erklärte sich bereit, den Film gratis in seinem Blog zu veröffentlichen und bot Sony Pictures 100.000 Dollar (rund 81.000 Euro) für die Rechte an. "Sie bekommen 0,01 Prozent des Budgets zurück, und ich kann "Nein" zu Terror-Drohungen sagen."

Die komplette Absage eines Hollywood-Films nach Terrordrohungen - so etwas gab es noch nie und doch erinnert der Fall an ähnliche Vorkommnisse, die für große Aufregung sorgten. Die "Satanischen Verse" des indisch-britischen Autors Salman Rushdie beispielsweise, die der Iran als islamkritisch ansieht und ihn deswegen bis heute mit Todesurteil verfolgt.

Oder die in einer dänischen Tageszeitung abgedruckten Mohammed-Karikaturen, die zu gewaltvollen Protesten muslimischer Organisationen führten. Oder die Kontroverse um das Bild "The Holy Virgin Mary", das eine teilweise mit Elefantendung gemalte Mutter Gottes zeigt und Politiker in New York 1999 so sehr aufregte, dass sie dem ausstellenden Brooklyn Museum alle Gelder streichen wollten.

Wie weit darf Kunst gehen?

Bei all diesen Kontroversen geht es immer um die Frage: Wie weit darf Kunst gehen? Und: Wann ist es noch Kunst oder Satire und wann verletzt es auf unverhältnismäßige Art und Weise die Gefühle anderer Menschen? Die Kunstfreiheit ist beispielsweise in Deutschland und den USA vom Gesetz geschützt, ist ein Grundrecht - und trotzdem gibt es immer wieder erbitterte Gerichtsprozesse darum.

Und das sei auch in diesem Fall das Problem, sagt der Anwalt Andrew Stoltman aus Chicago der "USA Today": "Sony hätte eine wahnsinnige Verpflichtung und einen Tsunami an Klagen gehabt, wenn etwas in einem Kino passiert wäre. Natürlich ist die Kunstfreiheit wichtig, aber hier geht es um Dollars und Cents, und wenn ich der Chef der Rechtsabteilung von Sony bin, ist das eine einfache Entscheidung."

Für die Kunstfreiheit sei die Entscheidung trotzdem das Anfang vom Ende, sagte die Gründerin des American Center for Democracy, Rachel Ehrenfeld, der "USA Today". "Wir haben unseren ersten Cyber-Krieg verloren und viel mehr. Wir haben unsere Freiheit und unser Recht, offen zu sprechen, verloren. (...) Jeder Schriftsteller und Künstler ist jetzt in Gefahr."

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