Tausende nehmen Abschied von Benedetto

Pilger und Neugierige strömten am Mittwoch in Scharen in den Vatikan. Das Konklave tagt ab 15. März.

Im Borgo Pio, dem Lieblingsviertel von Benedikt XVI., hat fast jeder Bewohner den früheren Kardinal auf seinen Spaziergängen persönlich getroffen. Unter den Pilgern, Geschäftsleuten, Restaurantbesitzern und Devotionalienhändlern rund um den Vatikan herrscht Bedauern, aber auch großes Verständnis für den Rücktritt.

Der 75-jährige Elektriker Angelo Mosca, der vor Anekdoten über den “Cardinale Ratzinger“ sprudelt, hat volles Verständnis für die päpstliche Entscheidung. „Mitarbeiter von ihm erzählten mir, dass er um Mitternacht ins Bett geht und um vier Uhr früh wieder aufsteht. Das hält niemand durch.“

Kamerateams

In der Via della Conciliazione, der Prachtstraße, die zum Petersplatz führt, tobt zwischen Fernsehteams aus aller Welt der Kampf um die besten Kameraplätze. Nach Tagen des Schlechtwetters strahlt der römische Himmel wieder tiefblau über der imposanten Peterskuppel. Stündlich gesellen sich neue Fernsehteams zu den französischen, deutschen und amerikanischen Sendern. Die herumliegenden Kabel und grellen Lichter erinnern an ein Filmset.

Für Jesus Navares ist das am 15. März beginnende Konklave der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere: „Ich habe kein Retourticket gelöst, vielleicht bleibe ich für immer hier“, schwärmt der junge Moderator eines andalusischen Lokalsenders.

Während in der Aula Paolo VI. Papst Benedikt XVI. gerade seine erste Audienz seit Bekanntgabe seines Rücktritts hält und von tausenden Gläubigen mit tosendem Applaus bedankt wird (siehe unten), herrscht vor dem Petersplatz reges Treiben. Ein stetes Kommen und Gehen von Pilgern und Touristen aus aller Welt, auch ein paar schaulustige Römer mischen sich unter die Menschenmenge.

Eine Pilgergruppe aus dem Veneto, die extra nach Rom gereist ist, macht Fotos von der Basilika und bewundert gegenüber dem KURIER Benedikts Mut: „Wir wären gerne bei der Audienz dabei gewesen, die aber leider ausgebucht war. Es tut uns sehr leid, wir hoffen noch immer, dass er seine Meinung ändert.“ Manuela aus Deutschland, die einer katholischen Laiengemeinschaft angehört, findet: „Ein Papst müsste bis zu seinem Tod durchhalten und nicht vorher gehen. Ich hoffe, dass der nächste Papst jung sein wird.“ Rückendeckung liefern zwei britische Pilgerinnen: „Wie unsere Königin hätte auch Benedikt bis zum Ende bleiben sollen.“

Zurückhaltender Papst

Wenige Schritte vom Vatikan entfernt beginnt der Borgo Pio. Der Papst ist den Bewohnern hier wegen seiner „Menschlichkeit und seiner zurückhaltenden, fast schüchternen Art“ in guter Erinnerung. Eine ältere Frau schildert ihn als „bescheidene Person, die fast rot wurde, wenn man ihn grüßte.“

Venerina vom gleichnamigen Ristorante im Borgo Pio 38 ist eine beliebte Anlaufstelle für Papst-Fans. Das Restaurant galt als Kardinal Ratzingers Stammlokal. Hier kehrte er gerne mit seinen Gästen ein und bestellte meistens sein Lieblingsgericht „Fettuccine mit Gamberetti und Zucchine“. „Ich glaube nicht, so wie ich ihn kenne, dass er sich die Entscheidung einfach gemacht hat und sie leichten Herzens getroffen hat“, vermutet Gastronomin Venerina.

Marco hat es nur zufällig in Vatikan-Nähe verschlagen. Der Römer empfiehlt Benedikt vor allem italienischen Politikern als Vorbild: „Wer zu alt ist, muss zurücktreten.“ Taxifahrer Marco kann sich dank der vielen Neugierigen nicht über mangelndes Geschäft beklagen, aber er brummt: „Die Welt steht Kopf, jetzt tritt sogar schon ein Papst zurück!“

Sebastiano C. betreibt im Borgo ein Bed & Breakfast mit drei Zimmern. Seit Anfang der Woche sieht er einen Lichtblick in der Wirtschaftskrise. Da bei der letzten Papst-Wahl selbst in der römischen Peripherie das letzte Pensionszimmer ausgebucht war, hofft er auch diesmal auf ein gutes Geschäft.

Alles zum Rücktritt des Pontifex und den Komsequenzen lesen Sie auf unserer Themenseite.

Am 15. März sollen die Kardinäle der römisch-katholischen Kirche zu einem Konklave zusammenkommen. Dort wird der neue Papst gewählt - er wird dann der 266. Papst in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche sein.

WER? - Bei der bisher letzten Wahl des Papstes, im April 2005, nahmen 115 Kardinäle unter 80 Jahren aus insgesamt 52 Ländern teil. Zwei weitere wahlberechtigte Kardinäle konnten wegen Krankheit nicht teilnehmen. 66 weitere Kardinäle waren nicht wahlberechtigt, da sie älter als 80 Jahre waren. Wer als Papst ausgewählt wird, muss nicht zwangsläufig einer der Wahlberechtigten sein, in der Regel kommt er aber aus diesem Kreis.

WO? - Die Kardinäle versammeln sich in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Bei der Papst-Wahl von 2005 waren die Kardinal zum ersten Mal in der Geschichte des Konklaves komfortabel in Zimmern mit eigenem Bad in einem Gästehaus des Vatikan (Casa Marta) untergebracht. Davor schliefen sie in kargen Zellen in der Nähe der Sixtinischen Kapelle. Von der Außenwelt sind sie abgeschottet - sie dürfen weder telefonieren, Zeitung lesen, fernsehen oder Radio hören, noch dürfen sie das Internet benutzen.

GESCHICHTE - Das Wort Konklave (aus dem Lateinischen "cum clave", mit dem Schlüssel) geht zurück auf die Wahl des Papstes Coelestin IV. im Jahr 1241, als die Kardinäle in einem zerfallenen Palast eingeschlossen worden waren. Im 13. Jahrhundert dauerte das Konklave zur Wahl von Papst Gregor X. ganze zwei Jahre, neun Monate und zwei Tage. Die durchschnittliche Dauer der acht Papst-Wahlen im 20. Jahrhundert lag bei etwas mehr als drei Tagen. Die Wahl von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978 war in weniger als drei Tagen entschieden, auch die Wahl von Papst Benedikt XVI. dauert nur zwei Tage (18. und 19. April 2005).

WAHL - Bei der Wahl 2005 konnten die Kardinäle bereits ab dem zweiten Tag insgesamt viermal abstimmen, zwei Mal am Vormittag und zwei Mal nachmittags. Alle drei Tage legten die Kardinäle einen Tag Pause für Gebete, "zwanglose Gespräche unter den Wählern" und eine Ansprache ein. Um die Wahl zu gewinnen, braucht ein Kandidat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Nach 33 oder 34 Wahlgängen können die Kardinäle für die nächste Runde eine einfache Mehrheit für ausreichend erklären.

RAUCHSIGNALE - Nachdem die Kardinäle ihre Wahl auf ein Papier hinter die lateinischen Worte "Eligo in Summum Pontificem ..." (Zum Papst wähle ich ...) geschrieben haben, werden alle Wahlzettel eingesammelt. Nach Auszählung der Stimmen werden die Zettel verbrannt und aus einem Kaminrohr über der Sixtinischen Kapelle steigt Rauch auf. Schwarzer Rauch zeigt an, dass noch kein Kandidat die erforderliche Mehrheit hat. Erscheint weißer Rauch und läuten die Glocken des Petersdoms, ist eine neuer Papst gewählt. Die Rauchsignale erfolgen zweimal täglich (mittags und abends).

"HABEMUS PAPAM" - Ist die Entscheidung gefallen, wird sie von der Loggia des Petersdoms aus mit den Worten verkündet: "Annuntio vobis gaudium magnum. Habemus Papam!" (Ich verkünde euch große Freude. Wir haben einen Papst!) Der Papst richtet sich dann mit seiner ersten Ansprache an die auf dem Petersplatz wartende Menge und spendet erstmal den Segen "Urbi et Orbi". Mit der Übernahme des Pontifikats wählt der Papst einen neuen Namen. Am häufigsten wurden bisher die Namen Johannes (23 Mal), Gregor (16 Mal), Benedikt (15 Mal), Klemens (14 Mal), Innozenz und Leo (jeweils 13 Mal) gewählt.

Nur einen Tag nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. läuft das Rätselraten, wer der nächste Papst wird, bereits auf Hochtouren. Die Spekulationen über „papabili“, also denkbare Kandidaten für den Stuhl Petri, haben in Rom Tradition. Der Vatikanexperte der römischen Tageszeitung La Repubblica, Marco Ansaldo, ist überzeugt: „Kardinal Schönborn könnte eine erste Wahl unter den ausländischen Papst-Kandidaten sein.“

Für Vatikanexperten Marco Politi gibt es zwei mögliche Namen, die in die engere Wahl kommen: „Es könnte Kardinal Angelo Scola der Nachfolger Ratzingers werden oder auch der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet.“ Gute Chancen werden weiters den beiden Afrikanern, dem ghanesischen Kardinal Peter Turkson und dem nigerianischen Kardinal Francis Arinze, eingeräumt. De Lateinamerikaner Oscar Maradiaga und Leonardo Sandri gelten ebenfalls als Favoriten für die Papst- Nachfolge.

Abgeschottet

Auf wen die Wahl tatsächlich fällt, werden die 118 wahlberechtigten Kardinäle beim Konklave im Vatikan ab Mitte März entscheiden. Während der Papstwahl bleiben die Teilnehmer von der Außenwelt abgeschottet. Man will so die Wahl vor politischen und medialen Einflüssen schützen. Während des Konklaves leben die Kardinäle im Gästehaus des Vatikans. An der Papstwahl nehmen 28 Kardinäle aus Italien teil, 34 Purpurträger kommen aus anderen europäischen Ländern, 19 aus Süd- und 14 aus Nordamerika, jeweils elf aus Afrika und Asien sowie einer aus Ozeanien. Insgesamt 67 Kardinälen wurde die Kardinalswürde während der knapp achtjährigen Amtszeit von Benedikt XVI. verliehen. Dabei achtete der Papst genau, dass sie treu und konservativ hinter der Lehre der katholischen Kirche stehen. Viele plädieren dafür, endlich einen Papst aus Lateinamerika, Afrika oder Asien an die Macht kommen zu lassen. Immerhin stammen 28 Prozent aller Katholiken aus Süd- und Mittelamerika, 15 Prozent der Gläubigen sind Afrikaner.

Auch die Spekulationen über den „wahren“ Gesundheitszustand des Papstes“ reißen in Rom nicht ab. Der Papst musste vor drei Monaten einen Eingriff am Herzen vornehmen lassen, von dem allerdings nichts an die Öffentlichkeit drang. Die Herzoperation, bei dem ihm die Batterie seines Herzschrittmachers ersetzt wurde, bezeichnete Papstsprecher Pater Federico Lombardi als „absoluten Routineeingriff“. Größere gesundheitliche Beschwerden schloss Lombardi am Dienstag jedoch aus.

Auch die Vatikan-Insiderin Giovanna Chirri weiß nichts von einer Krankheit. Ihr sei nur ein kleiner Schlaganfall bekannt, den Joseph Ratzinger noch vor seiner Wahl zum Papst erlitten hatte. Chirri landete am Montag übrigens den „Scoop“ ihres Lebens. Die Journalistin der italienischen Nachrichtenagentur Ansa war die Erste, die vom Rücktritt des Papstes berichtete. „Ich hatte weiche Knie und war zuerst nicht sicher, ob ich es richtig auf Latein verstanden habe, obwohl der Papst ein sehr einfach zu verstehendes Latein spricht“, beschreibt Chirri den emotionalen Moment.

Papst Benedikt XVI. wird sich von allen Gläubigen bei seiner letzten Generalaudienz auf dem Petersplatz am 27. Februar verabschieden. „Der Papst erlebt mit großer Ruhe diese Stunden. Sein Beschluss war gut überlegt“, betonte Lombardi.

Böse Omen

Tausende nehmen Abschied von Benedetto
A boy (L) releases a dove next to Pope Benedict XVI during the Angelus prayer in Saint Peter's square at the Vatican January 27, 2013. REUTERS/Max Rossi (VATICAN - Tags: RELIGION ANIMALS)
Inzwischen machen unter Abergläubischen auch die Erinnerungen an böse Vorzeichen die Runde. Dabei wird auf Nanni Morettis letzten Film „Habemus Papam“, bei dem ein Papst kurz nach seiner Wahl aus dem Vatikan ausbüxt und das Weite sucht, als Prophezeiung verwiesen. Während einer alten lateinischen Messe, die Papst Benedikt im Jänner 2008 in der Sixtinischen Kapelle zelebrierte, verlor er den goldenen Fischerring, den er am rechten Ringfinger trägt. Dieser Ring wird beim Tod eines Papstes mit dem Hammer zerschlagen.

Ein weiteres Vorzeichen ereignete sich erst vor wenigen Wochen, als aus der päpstlichen Wohnung eine weiße Taube entflog und kurz darauf von einer aggressiven Möwe in die Enge getrieben wurde. Auch der Angriff auf die Friedenstaube, sei als ein „rational nicht erklärbares Ereignis, das sich zwischen Himmel und Erde abspielte“, als böses Omen zu erkennen.

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