Suche nach U-Boot: "Bleib stark Papa, deine Familie wartet auf dich"
Angehörige von vermisster argentinischer Besatzung hoffen auf ein Wunder. Seit Mittwoch besteht kein Kontakt zur Besatzung - der Sauerstoff reicht nur für sieben Tage.
21.11.17, 16:22
Auf dem Marinestützpunkt im argentinischen Mar del Plata warten Dutzende Menschen auf ein Wunder oder wenigstens ein Funksignal aus der Tiefe des Atlantiks. Am Metallzaun, der das militärische Sperrgebiet von der Außenwelt trennt, sammeln sich täglich neue handgeschriebene Plakate und Briefe mit herzzerreißenden Nachrichten: "Bleib stark Papa, deine Familie wartet auf dich", heißt es da etwa.
44 argentinische U-Boot-Soldaten sind seit vergangenem Mittwochverschollen. Irgendwo im Südatlantik. Seitdem gab es kein Lebenszeichen mehr von ihnen. Trotz Rückschlägen bei der Suche nach den Vermissten blieb die Stimmung an dem Stützpunkt rund 400 Kilometer südlich von Buenos Aires bisher vage optimistisch. Trotz der herrschenden Unsicherheit seien die Menschen bisher "recht stabil" geblieben, sagt der Psychotherapeut Enrique Stein. Stein gehört einer psychologischen und medizinischen Betreuungseinheit an, die den Angehörigen bei Bedarf rund um die Uhr hilft.
Kurzer Hoffnungsschimmer
Es ist eine emotionale Achterbahnfahrt: Am Sonntag gab es einen kurzen Hoffnungsschimmer, als Rettungsschiffe Klopfgeräusche vernahmen, die zunächst für ein mögliches Lebenszeichen der U-Boot-Besatzung gehalten wurden. Dann am Montag der Rückschlag: Marinesprecher Enrique Balbi teilte mit, dass die Geräuschen womöglich von einem Unterwasserlebewesen stammten. Keine Spur von dem U-Boot.
Dennoch bestehe immer noch "sehr viel Hoffnung", sagt Stein. Doch die Angst wachse. "Das beste Beruhigungsmittel sind genaue Informationen", fügt er hinzu. Die Suche nach der "ARA San Juan" läuft bereits seit vergangener Woche Donnerstag auf Hochtouren und wird mittlerweile durch internationale Einsatzkräfte aus sieben Staaten unterstützt, darunter Brasilien, Großbritannien und die USA.
Der Einsatz wurde jedoch tagelang durch starke Winde und bis zu sieben Meter hohe Wellen in dem Seegebiet erschwert. Die internationalen Rettungskräfte schickten unter anderem Schiffe, unbemannte Mini-U-Boote und Flugzeuge auf die Suche in den tosenden Fluten. Die US-Raumfahrtbehörde NASA entsendete ein Suchflugzeug.
Nachdem tagelang über die Ursache des Verschwindens gerätselt wurde, berichtete die Marine nun, dass das Diesel-Elektro-Boot kurz vor seinem Verschwinden einen Maschinenschaden gemeldet habe. Das 65 Meter lange U-Boot lief bereits 1983 vom Stapel der deutschen WerftThyssen Nordseewerke, die mittlerweile geschlossen wurden. 2007 und 2014 wurde das Unterwasserboot der Klasse TR-1700 vollständig überholt und für weitere 30 Jahre einsatzbereit gemacht. Zuletzt war es auf dem Rückweg von einem Routinefahrt nach Ushuaia ganz im Süden des Landes.
Die meisten der vermissten Besatzungsmitglieder leben in der Nähe von Mar del Plata. Fast 100 ihrer Angehörigen werden seit Donnerstag auf der Marinebasis betreut. Sie setzen auf die Fähigkeiten ihrer Verwandten an Bord. Sein Sohn habe sich bewusst für diesen Beruf entschieden und sei stolz darauf, sagt Jorge Villarreal. "Er macht seine Arbeit mit viel Professionalität. Er kennt jeden Winkel der Unterwasserwelt."
Für Zuversicht sorgte auch ein Besuch des argentinischen Präsidenten Mauricio Macri, der am Montag die Marinebasis besuchte, um den Angehörigen seine Unterstützung zu zeigen. Und auch der aus Argentinien stammende Papst Franziskus sagte, er bete für die Sicherheit der Besatzung. Zu ihr gehört auch die erste U-Boot-Offizierin Argentiniens und ganz Südamerikas, die 35-jährige Eliana Krawczyk.
Es sind Mütter und Väter, Töchter und Söhne, die in Mar del Plata weiter auf ein Lebenszeichen ihrer Liebsten hoffen. Aber auch Außenstehende besuchen den Stützpunkt, um an seinen Zäunen Botschaften für die Seeleute zu hinterlassen. "Unsere Herzen haben aufgehört zu schlagen, bis ihr wieder zuhause seid", steht auf einem Banner geschrieben. Es sind wohl auch solche bewegenden und aufrichtigen Nachrichten der Anteilnahme am Schicksal ihrer Liebsten, die die Familien die Hoffnung nicht aufgeben lassen.
Bei der Suche nach dem im Südatlantik verschollenen argentinischen U-Boot "ARA San Juan" läuft den Rettern die Zeit davon. Die 44-köpfige Besatzung verfügt über Sauerstoffreserven für sieben Tage, sollte das U-Boot nicht auftauchen können. Die letzte Funkverbindung fand am vergangenen Mittwoch statt.
Damals teilte die Besatzung mit, es habe einen Kurzschluss im Batteriensystem an Bord gegeben, wie ein Sprecher der argentinischen Marine erst am Montag bekannt gab. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr zum U-Boot.
Ein im Meer von zwei argentinischen Kriegsschiffen über Echolot empfangenes Geräusch hatte am Montag die Hoffnung erweckt, es könnte von dem verschollenen U-Boot ausgegangen sein. Ein hochmodernes US-Seefernaufklärungsflugzeug Boeing P-8 übernahm eine Aufzeichnung des Geräuschs. Mit einer speziellen Software wurde jedoch festgestellt, dass es nicht vom U-Boot entstanden, sondern wahrscheinlich biologischen Ursprungs sei, erklärte am Montagabend (Ortszeit) der Marinesprecher Enrique Balbi in Buenos Aires.
Kurz vorher hatten die Angehörigen der Besatzung, die auf dem Marinestützpunkt von Mar del Plata auf Nachrichten harren, eine weitere Enttäuschung erlebt. Sieben gescheiterte Anrufversuche eines Satellitentelefons wurden darauf untersucht, ob sie vom "ARA San Juan" aus gestartet worden seien. Auch hier stellte sich nach einer Recherche des Satellitenunternehmens Iridium heraus, dass die Spur nicht zu den Verschollenen führte.
An der internationalen Suchaktion nehmen 14 Schiffe und zehn Flugzeuge teil, unter ihnen hoch spezialisierte Einheiten aus Großbritannien, den USA und Brasilien. Es handelt sich um den größten Marine- und Lufteinsatz im Südatlantik seit dem Falklandkrieg 1982 zwischen Argentinien und Großbritannien. Auch ein britisches Schiff und ein Flugzeug der Royal Air Force, die auf Falkland stationiert sind, nehmen an der Rettungsaktion des argentinischen U-Boots teil.
Zum Zeitpunkt der letzten Funkverbindung fuhr das U-Boot durch den Golf von San Juan südöstlich der Halbinsel Valdés. Dort herrschte schwerer Seegang. Die anhaltend hohen Wellen von bis zu sieben Metern und der starke Wind von bis zu 70 Kilometern pro Stunde erschwerten die Suche und störten die Echoortung. Die Wetterbedingungen sollten sich jedoch am Dienstag bessern.
Neben der systematischen Suche auf einer Meeresfläche von über 43.000 Quadratkilometern wird bereits eine eventuelle Bergung am Ozeangrund vorbereitet. Vier Transportflugzeuge der US-Navy wurden vom Southern Command mit Sitz in Florida zum patagonischen Hafen von Comodoro Rivadavia mit einem Mini-U-Boot, einem ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug (ROV) und weiterer Ausstattung zur Tiefsee-Bergung entsandt. Von dort aus soll es gegebenenfalls an Bord eines Schiffes des französischen Erdölunternehmens Total zum Einsatz bei einer Unterwasserbergung transportiert werden. Das kleine Rettungs-U-Boot kann bis zu sechs Menschen auf einmal aus einem gekenterten U-Boot bergen.
Das dieselelektrisch angetriebene U-Boot mit einer Kiellänge von 65 Metern war im Auftrag der argentinischen Kriegsmarine von den damals dem Thyssen-Konzern gehörenden Nordseewerken in Emden gebaut worden. Nach dem Stapellauf 1983 wurde die "ARA San Juan" 1985 von der Marine in Dienst genommen. Ab 2007 wurde es in einer argentinischen Werft einer allgemeinen Überholung unterzogen, die wegen Etat-Kürzungen erst 2014 abgeschlossen wurde.
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