"So fühlt es sich also an, das Sterben"

Guido Westerwelle, im Spätsommer 2014: "Zehnprozentige Überlebenschance".
Wegen einer Sportverletzung ging Guido Westerwelle zum Arzt – und erfuhr, dass er Leukämie hat.

Triumphe und Niederlagen wechselten im politischen Leben Guido Westerwelles einander immer wieder ab. Kaum aber war der frühere, langjährige Chef der deutschen FDP, von seinem Amt als Außenminister abgetreten, da traf ihn im Juni 2014 sein bisher härtester, persönlicher Schicksalsschlag: Krebs – lautet die für ihn völlig aus dem Nichts kommende Diagnose. Und zwar in einem so schlimmen Ausmaß, dass Chemotherapien allein nicht ausreichen würden.

"Eine Stammzellentransplantation sei erforderlich, um die Leukämie zu besiegen", schreibt Westerwelle in seinem heute erscheinenden Buch "Zwischen zwei Leben". Darin schildert der heute wieder geheilte Ex-Minister seinen monatelangen Überlebenskampf, seine Angst zu sterben, die Erniedrigungen durch die Krankheit, aber auch seine nie erlahmte Hoffnung.

"So fühlt es sich also an, das Sterben"
ABD0185_20150804 - SALZBURG - ÖSTERREICH: (v.l.) Guido Westerwelle und Michael Mronz am Dienstag, 4. August, vor der Premiere von "Fidelio" bei den Salzburger Festspielen. - FOTO: APA/FRANZ NEUMAYR
Trotz zweier Chemos waren die Überlebenschancen des damals 52-Jährigen im Spätsommer des Vorjahres auf nur noch zehn Prozent gesunken. Dann war endlich ein optimaler Spender für eine Knochenmarktransplantation gefunden. Aber als alles für den Eingriff bereit war, kam Westerwelles Arzt, wie er im Buch beschreibt, mit der Hiobsbotschaft: "Der Spender. Er ist ... wie soll ich sagen ... er hat es sich anders überlegt." – "Wie bitte?" – "Der Spender ist abgesprungen." Wochen des endlosen Wartens folgten. Wochen wachsender Verzweiflung.

Mittagessen mit Merkel

Es sollte ausgerechnet bei einem spontanen Mittagessen in einem Kölner Restaurant zwischen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem bis auf die Knochen abgemagerten Kranken sein, als das Telefon klingelte und die erlösende Nachricht kam: "Wir haben einen neuen Spender."

Kurz nachdem die neuen Zellen durch Westerwelles Adern laufen, revoltiert sein Immunsystem: "Ich zitterte, als hätte man mich an eine Stromleitung angeschlossen. Alles drehte sich, meine Augen kippten nach hinten, ich würgte und rang nach Luft ... Bald legte sich ein Schleier über mich. Mein Herz schlug immer langsamer ... Ich dachte: So also fühlt es sich an, das Sterben."

Aber Westerwelle genas langsam. Über Monate zog sich seine Heilung hin. Bis heute befindet er sich in ambulanter Behandlung. Heute, Sonntag, will er zusammen mit Co-Autor Dominik Wichmann (Stern) sein Buch vorstellen.

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