Premier Harper: "Lassen uns nicht einschüchtern"
Nach dem Attentat im Regierungsviertel der kanadischen Hauptstadt Ottawa mit zwei Toten, darunter ein Angreifer, suchen die Behörden nach möglichen Hintermännern. Polizei und Justizbehörden hielten sich mit Angaben zu dem Verbrechen stark zurück. Es ist noch immer unklar, ob es sich um einen Einzeltäter handelt oder ob es Komplizen gibt. Auch zur Frage, ob es einen islamistischen Hintergrund gebe, nahm die Polizei nicht Stellung.
Bei dem bewaffneten Angriff waren am Mittwochmorgen ein Soldat und ein Angreifer getötet worden. Ein Wachsoldat am Kriegsdenkmal beim Parlament in Ottawa sowie einer von womöglich mehreren Angreifern seien tot, teilte die Polizei mit.
Ein "Reisender mit hohem Sicherheitsrisiko"
Laut Medienberichten handelt es sich bei dem mutmaßlichen Attentäter um den 32-jährigen kanadischen Staatsangehörigen Michael Zehaf-Bibeau. Der bei dem Anschlag ums Leben gekommene Mann sei erst kürzlich als "Reisender mit hohem Sicherheitsrisiko" ("high-risk-traveller") eingestuft worden, berichtete die Zeitung Globe and Mail unter Berufung auf namentlich nicht genannte Behördenquellen. In weiteren Medienberichten hieß es, er stehe auf einer Liste von 90 Personen, die wegen einer möglichen Terrorgefahr beobachtet werden. Der Reisepass soll ihm außerdem abgenommen worden sein. Der TV-Sender CNN berichtete unter Berufung auf nicht genauer beschriebene Quellen, der mutmaßliche Attentäter sei kürzlich zum Islam übergetreten.
Ähnliches berichtet Globe and Mail. Der fühlte sich demnach offenbar vom Islam angezogen. Das berichtete ein Freund des Attentäters. Zehaf-Bibeau habe schon vor drei Jahren eine Moschee besucht. Er sei nicht extremistisch gewesen, habe aber oft davon gesprochen, vom Teufel verfolgt zu werden. Er habe auch vor etwa sechs Wochen von Plänen erzählt, nach Libyen zu reisen. Dort sei er schon früher eine längere Zeit gewesen. "Ich denke, er war geisteskrank", wurde der Freund zudem zitiert.
Laut CTV News wurde Zehaf 1982 in Kanada geboren und ist in Laval und Montreal aufgewachsen. Die Fernsehstation veröffentlichte auf Twitter ein Foto des mutmaßlichen Attentäters - es wurde durch einen mit der Terrormiliz IS verknüpften Twitter-Account verbreitet. Ob es sich dabei wirklich um den Attentäter handelt, blieb jedoch vorerst unbestätigt.
Lokalaugenschein: Bilder aus Ottawa
Soldat bei Kriegerdenkmal erschossen
Schauplatz Parlament
Wenig später, als im Parlament gerade die wöchentlichen Fraktionssitzungen begonnen hatten, stürmte einer oder mehrere Angreifer das Gebäude. Die Polizei konnte auch bei einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag noch nicht sagen, ob es sich dabei um dieselben Bewaffneten handelte, die zuvor den Soldaten niedergeschossen hatten. Sie fahndet nach bis zu drei Angreifern. Dabei wurde nach Polizeiangaben ein Wachmann verletzt, im Inneren lieferten sich der oder die Angreifer heftige Feuergefechte mit der Polizei, wie ein von der Zeitung The Globe and Mail veröffentlichtes Video zeigt. Augenzeugen sprachen von mindestens 30 abgegebenen Schüssen und berichteten, einen bärtigen Mann gesehen zu haben der nach den Schüssen am Kriegsdenkmal den Fahrer eines vorbeifahrenden Fahrzeugs zwang, ihn zum Eingang des Parlaments zu fahren.
Abgeordnete verbarrikadierten sich
Die dramatischen Szenen spielten sich offenbar direkt vor einem Raum ab, in dem sich der kanadische Regierungschefs Stephen Harper aufhielt. "Harper hat mit Leuten aus seiner Fraktion gesprochen, als es plötzlich einen lauten Knall gab, gefolgt von einen Ra-ta-ta-ta an Schüssen", sagte das Kabinettsmitglied Tony Clement. "Es passierte genau vor unserer Tür." Harper konnte jedoch in Sicherheit gebracht werden, wie Regierungssprecher Jason MacDonald erklärte.
Eishockey-Match abgesagt
Kanada und die USA versetzten das gemeinsame Luftverteidigungskommando in erhöhte Alarmbereitschaft. Nach Angaben eines Sprechers des Weißen Hauses sprach Harper später mit US-Präsident Barack Obama. Die US-Botschaft in Ottawa wurde vorübergehend geschlossen. Eine Partie der beliebten Eishockey-Liga NHL zwischen den Teams von Ottawa und Toronto wurde abgesagt.
Gepanzerte Fahrzeuge und schwer bewaffnete Polizisten gingen vor dem Parlament in Stellung und riegelten die Zufahrtswege ab. An den Ausfallstraßen von Ottawa wurden Straßensperren errichtet und jedes Auto durchsucht. Die Polizei sprach bei einer Pressekonferenz von einer "dynamischen Situation" und bat dringend um Informationen von Anrainern und Augenzeugen.
Terror-Warnstufe schon am Montag erhöht
Die kanadischen Behörden hatten erst am Dienstag die Warnstufe für terroristische Gefahren um eine Stufe von gering auf Mittel heraufgesetzt. Zuvor hatte am Montag ein polizeibekannter Islamist bei Montreal zwei Soldaten mit dem Auto überfahren und einen von ihnen getötet. Anschließend wurde der Täter von der Polizei erschossen. Die Tat des 25-Jährigen wurde von der Regierung in Ottawa als "terroristisch" bezeichnet.
Der junge Mann war nach Angaben der Behörden ein Anhänger der Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS), die in den vergangenen Monaten in Syrien und im Irak weite Regionen erobert hat. Die kanadische Luftwaffe wurde in die Region entsandt, um die US-geführte Luftangriffe auf Stellungen des IS zu unterstützen. Der IS hat seine Anhänger weltweit zu Angriffen in den Staaten aufgerufen, die dem internationalen Bündnis angehören.
Er ist im Moment Kanadas absoluter Held: "Ich danke Gott für Kevin Vickers und die kanadischen Sicherheitskräfte. Echte Helden", twitterte Justizminister Peter McKay nach dem Attentat auf das Parlament, und die Parteichefin der Grünen, Elizabeth May, schrieb: "Kevin Vickers ist so ein feiner Mensch, seine Taten heute sind keine Überraschung. Bin stolz, ihn meinen Freund nennen zu können."
Die Taten des "Sergeants of Arms", des Sicherheitschefs des kanadischen Parlaments: Er soll den Attentäter in der "Hall of Honour", der Eingangshalle, vor den Fraktionsräumen gestoppt und erschossen haben. Damit dürfte er vielen Abgeordneten und Angestellten des Parlaments das Leben gerettet haben.
Der 58-jährige Vickers bekleidet das Amt, in dem er traditionell Schwert und Keule trägt, seit 2006. Davor hat er unter anderem Staatsgäste in Kanada wie Queen Elizabeth II. und Prinz Andrew begleitet und bewacht. Der Herr mit den grau-weißen Haaren ist seit 29 Jahren Mitglied der "Royal Canadian Mounted Police".
"Ich könnte kaum stolzer auf ihn sein", sagte Vickers Bruder John zu CNN. Es sei seines Wissens das erste Mal gewesen, dass Kevin Vickers seine Waffe im Dienst benutzt habe. Und Cousin Keith sagte über den Parlaments-Sergeanten: "Er ist sehr intelligent und verantwortungsvoll. Aber man sollte keinen Streit mit ihm anfangen."
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