Scharner: "Es wird Dampf abgelassen"

Der England-Legionär erlebt die Unruhen in der eigenen Stadt und hält nichts von verkürzten Darstellungen der Politiker.

Die in England herrschenden sozialen Unruhen beeinträchtigen auch das sportliche Geschehen des Landes. Nach wie vor ist unklar, ob am Wochenende in der Premier League der Saisonstart mit allen angesetzten Paarungen über die Bühne gehen kann.

Gleichermaßen betroffen von der unklaren sportlichen Situation wie auch den Geschehnissen der vergangenen Tage ist ein österreichischer Fußball-Legionär. Denn wenn Paul Scharner derzeit durch die Straßen von Birmingham fährt, traut er seinen Augen nicht.

"Im Stadtzentrum, wo ich normalerweise einkaufe oder essen gehe, ist sehr viel zerstört", erzählte der Teamspieler, der sich im Schatten der schweren Ausschreitungen in England mit seinem Klub West Bromwich Albion auf die kommende Saison vorbereitet.

"Ein Funke reicht"

Scharner hält nichts von der Darstellung der Politiker und Sicherheitsbeamten, wonach es sich bei den Randalierern um klassische Verbrecher handelt. "Das ist zu kurz gegriffen. In England wird gekürzt, wo es nur geht. Es fehlt hinten und vorne an Arbeitsplätzen und einem sozialen Netz. Da reicht ein Funke, dass alles eskaliert und Dampf abgelassen wird. Langfristig wird man dieses Problem mit Verhaftungen und einem großen Polizeiaufgebot nicht lösen."

Selbst in West Bromwich, einer beschaulichen 140.000-Einwohner-Stadt acht Kilometer nordwestlich von Birmingham, wurden in der Nacht auf Mittwoch Geschäfte geplündert. "Das ist die Wut von jungen Menschen, die fast keine Perspektive haben, irgendetwas zu erreichen", vermutete Scharner.

Dennoch hofft Scharner auf eine schnellstmögliche Rückkehr zur Normalität in seiner Wahlheimat. "Schön langsam frage ich mich schon, ob ich in Westeuropa oder sonstwo bin", erklärte der seit Jänner 2006 in der englischen Premier League engagierte Niederösterreicher.

Keine Sorgen um Familie

Der 31-Jährige wohnt derzeit wenige Kilometer von Birmingham entfernt in Sutton Coldfield. Die 100.000 Einwohner zählende Kleinstadt blieb bisher von den Unruhen ebenso verschont wie das zwischen Liverpool und Manchester gelegene Warrington, wohin Scharners Frau und Kinder nach Ferienende zurückkehren. Sorgen um seine Familie macht sich der 35-fache Internationale momentan nicht. "Bei uns ist es ja Gott sei Dank ruhig, aber man muss immer auf der Hut sein."

Trotz der aktuellen Ereignisse und der noch bis Ende August laufenden Transferzeit hat Scharner nicht vor, England den Rücken zu kehren. "Ich bin keiner der davonläuft, sondern werde mir das alles einmal anschauen", meinte der Mittelfeldspieler.

Das Match Tottenham - Everton zum Auftakt der Premier League wurde wegen der Krawalle bereits verschoben.

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