Rom: Wahlkampf mit Seilbahn und Stoffwindeln

Favoritin Virginia Raggi lässt mit skurrilen Ideen aufhorchen
Schräge Polit-Ideen bei der Bürgermeisterwahl bringen die Menschen zum Schmunzeln.

Der Wahlkampf für die Bürgermeisterwahlen in Rom am Sonntag, den 5. Juni, geht in die heiße Endphase. Als Favoritin gilt Virginia Raggi, die für die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo kandidiert. Gute Chancen werden auch dem Abgeordnetenkammer-Vizepräsidenten Roberto Giachetti eingeräumt. Der Kandidat der Mitte-links-Partei, Partito Democratico, erhält Rückendeckung von Premier Matteo Renzi.

Berlusconis Partei Forza Italia unterstützt den 49-jährigen Bauunternehmer Alfio Marchini. Die Linkspartei SEL schickt Ex- Staatssekretär Stefano Fassina ins Rennen. Er dürfte allerdings genauso einen Nebenrolle spielen wie Giorgia Meloni. Ihre Rechtspartei "Brüder Italiens" wird von der Lega Nord unterstützt.

Thema Verkehr

Die Favoritin, die 37-jährige Römerin Virginia Raggi, ließ zuletzt mit ungewöhnlichen, schwer realisierbaren Vorschlägen aufhorchen. Das massive Verkehrschaos sowie der marode öffentliche Verkehr sind zentrale Probleme der italienischen Hauptstadt. Die römischen Straßen sind übersät von Schlaglöchern, die vielen Mopedfahrern zum Verhängnis werden. Das führt zu einer tragischen Bilanz: Rom ist die Stadt mit den meisten Verkehrstoten Italiens. Nur zwei U-Bahn-Linien fahren in der Drei-Millionen-Einwohnerstadt. Um den ewigen Verkehrsstau zu umgehen, schlägt Virginia Raggi den Bau von Seilbahnen vor, die die Peripherie der italienischen Hauptstadt mit den Metrostationen verbinden sollen. Ähnliche Projekte wurden – bisher vergeblich – auch in Berlin, Paris oder London diskutiert.

Thema Müll

Rom kämpft seit Jahren mit einem riesigen Müllproblem. Laut Schätzungen produziert jeder Römer jährlich 600 Kilogramm Abfall. Mülltrennung ist für viele Menschen noch weitgehend ein Fremdwort. Obwohl die Stadt an Nachwuchs arm ist, sorgen die Babywindeln für große Verschmutzung. Deshalb empfiehlt die Fünf-Sterne-Kandidatin die Verteilung waschbarer, mehrfach verwendbarer Windeln.

Wenn die "grünen" Mamas mit der Windelwäsche überfordert sind, könnte dies von einer Kooperative übernommen werden. Dadurch entstünden neue Arbeitsplätze, meint Virginia Raggi. Diese Jobs werden, so kommentiert die Tageszeitung La Stampa ironisch, sicherlich sehr begehrt sein.

Thema Roma-Lager

Ein weiterer Verbesserungsvorschlag betrifft die Roma-Lager an der Peripherie. Diese spielen auch in jedem lokalen Wahlkampf eine Rolle und dienen vor allem Populisten als Feindbilder. Während Lega-Nord-Politiker die Lager niederwalzen wollen, schlägt Raggi eine Volkszählung im Roma-Lager vor. Wer genug Geld hat, soll in eine Wohnung übersiedeln. Roma-Kinder müssen zur Schule gehen. Die Erwachsene sollen sich eine "reguläre Arbeit suchen und wie jeder andere Steuern bezahlen."

Ein nicht ganz einfaches Projekt, wie Kritiker finden: "Abgesehen von der angespannten Arbeitsmarktsituation – mit welcher Überzeugungskraft kann Raggi die Roma-Bevölkerung dazu bewegen, jahrhundertelange Traditionen hinter sich zu lassen und sich in Angestellte des Mittelstandes zu verwandeln?"

Vom Fiat zum Ferrari

Das Fortbewegungsmittel der Kandidaten ist ebenfalls ein Thema. Ob umweltbewusst auf dem Fahrrad, volksnah auf der Vespa oder im Gebrauchtwagen – alles sorgt für Gesprächsstoff. Einen besonderen Fauxpas in dem an Fettnäpfchen nicht armen Wahlkampf leistete sich dabei Alfio Marchini, der Kandidat der Berlusconi-Partei, Millionenerbe und passionierter Golfspieler. Er ließ sich im Fiat Panda zu den Wahlveranstaltungen kutschieren, um seinen Reichtum nicht zur Schau zu stellen. Dumm nur, dass eine Leserin von La Repubblica Marchini auf einer Raststätte an der römischen Peripherie ertappte, wie er von seinem Kleinwagen in einen rasanten Ferrari umstieg. Kein Ausnahmefall, wie sich herausstellte, sondern ein Ritual, das Alfio Marchini allabendlich mit seinem Chauffeur zelebriert.

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