Polen: Wisente zum Abschuss freigegeben

Jäger zahlen umgerechnet 12.000 Euro für den Abschuss eines wild lebenden Wisent.
Das schwierige Verhältnis der konservativen Regierung zum Naturschutz zeigt sich in den Nationalparks.

Der Wisent, ein bis zu 900 Kilo schweres wildes Rind, gilt als heimliches polnisches Nationaltier, das in den Wäldern an der Ostgrenze des Landes äst. Nun dürfen 40 der eigentlich streng geschützten Tiere geschossen werden. Bis zu 50.000 Zloty (12.000 Euro) müssen für den Abschuss eines stattlichen Tieres an die polnischen Behörden gezahlt werden. Darum reißen sich auch ausländische Jäger.

"Dies ist ein kommerzielles Jagen. Das Umfeld von Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen wird dies nicht erlauben", sagte der habilitierte Forstwissenschaftler Rafal Kowalczyk diese Woche gegenüber der Gazeta Wyborza. In der Borecka-Wildnis in den Masuren sowie in der Knyszczynska-Wildnis nahe der weißrussischen Grenze dürfen jeweils 20 Tiere geschossen werden.

Nach Angaben des polnische Umweltministeriums, das die Erlaubnis bereits im September bekannt gegeben hatte, würden nur kranke Tiere geschossen.

David Kazmierzak, Vorsitzender des Vereins "Wildes Polen", mag dies nicht glauben. Denn im vergangenen Jahr wurden unter dem gleichen Vorwand einige der Verwandten des amerikanischen Bisons geschossen, deren Fleisch dann in polnischen Restaurants landete. Auch ist noch nicht klar, wie viele der Tiere bereits geschossen wurden. "Wir haben Daten vom Umweltschutzministerium beantragt, jedoch noch keine Fakten erhalten", so der Naturschützer gegenüber dem KURIER.

Die Geheimniskrämerei erklärt sich durch die Emotionen, die mit dem Tier verbunden sind. So nutzten polnische Medien den Abschuss eines Wisents im deutschen Brandenburg, das von Polen über die Oder geschwommen war, um eine antideutsche Kampagne loszutreten.

1450 Tiere in Freiheit

Derzeit leben rund 1450 Tiere in Polen in Freiheit. Ursprünglich war das zottelige Huftier ein Bewohner von Steppen und Wiesen und wurde später vom Menschen in die Wälder abgedrängt. Ein Forst ohne Wiesenflächen bietet keine optimale Lebensgrundlage. Somit werden sie in vielen Waldgebieten gefüttert und vermehren sich stark. Der Forstbiologe Rafal Kowalczyk glaubt, dass der Staat sich hierdurch eine Einkommensquelle schafft und schlägt vor, die Tiere nicht zu füttern, sodass eine natürliche Auslese stattfindet. Durch die Verbreitung von Wildtieren wurden im November zudem erstmals zwei Wisente von einem Bären gerissen. Für Kälber gelten Wölfe als Gefahr.

Die letzten wild lebenden Exemplare wurden in Ostpolen und im Kaukasus zwecks Fleischversorgung nach dem Ersten Weltkrieg geschossen. Die Wiederansiedlung begann in Polen in den 1950er-Jahren durch Zoo-Bestände.

Vor allem der Bialowiski-Nationalpark, der auch einen weißrussischen Teil hat, wurde durch die Wisent-Population bekannt. Dort will die polnische Regierung bis 2023 188.000 Kubikmeter Holz schlagen, auch in Bereichen, die zum Unesco-Welterbe gehören, angeblich wegen Borkenkäferbefalls. Hinter den umstrittenen Entscheidungen steht der ehemalige Umweltminister Jan Szyszko, ein Großgrundbesitzer, der als Interessenvertreter der Forstindustrie gilt. Er feuerte ihm unbequeme Personen in den Nationalparks. Szyszko wurde am 9. Jänner abgesetzt, sein Nachfolger Hernryk Kowalczyk soll nicht viel ändern, sondern nur weniger radikal auftreten.

Der Europäische Gerichtshof hat Polen am 20. November damit gedroht, ein Zwangsgeld von 100.000 Euro pro Tag des Bäumefällens zu verlangen, da gegen EU-Schutzrichtlinien verstoßen werde. Bis morgen, Dienstag, hat das Land nun Zeit, sich zu äußern. Die Mitglieder von "Wildes Polen" haben jedoch dokumentiert, dass das Abholzen seit dem Urteil weiter gehe, nur würden keine großen "Holzvollernter" mehr genutzt.

Der Verband wie sechs weitere Umweltverbände, darunter Greenpeace und der WWF, kündigten eine Klage gegen Polen vor dem EU-Komitee in Aarhus an. Die Behörde ist eine Art Wächter bei Verstößen gegen Umweltschutzgesetze. Nach Angaben der Naturschützer würden die polnischen Gesetze es ihnen nicht ermöglich, innerhalb Polens gegen illegale Abholzungen des Staates zu klagen. Es sieht allerdings nicht so aus, als wollte Polen in Umweltfragen irgendjemandem nachgeben.

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