Polen: Mit Exorzismus gegen Halloween
Eine Verkleidung als Gespenst oder als Heiliger? In Polens Schulen spielte sich ein Kulturkampf ab – kirchennahe Eltern wollten Halloween-Veranstaltungen verhindern, liberale Mütter und Väter sich nichts verbieten lassen. In vielen Städten fanden am Samstag als kirchliche Alternative Umzüge statt, wo sich die Kinder als Geistliche oder als heilige Ritter verkleiden konnten.
Das Treiben um den grinsenden Kürbis direkt einen Tag vor Allerheiligen provoziert die katholische Kirche, der in Polen über 90 Prozent der Bevölkerung angehören. Schließlich gilt Allerheiligen als wichtiger Feiertag, an dem sich die Familie auf dem Friedhof trifft und der Toten gedenkt.
"Satanische Exzesse"
Über die Gründe dieses Trends lässt sich spekulieren. Traditionell ist der anti-aufklärerische Zug in der katholischen Kirche Polens wohl stärker ausgeprägt als in anderen katholischen Ländern. Auch Papst Johannes Paul II. gehörte dazu und einflussreiche polnische Intellektuelle wie Czeslaw Milosz, die die Abkehr vom mittelalterlichen Menschenbild als Sündenfall ansehen.
Durch den Tod des Papstes im Jahre 2005 verlor der Klerus an Anziehungskraft – neue Lebensentwürfe, Individualisierung, der Halloween-Kult, der Yoga-Boom, die die Kirche am liebsten verbieten würde. Bei Verhaltensauffälligkeiten bietet die Kirche Exorzismus an, wenn sich Betroffene darauf einlassen.
Geistheiler
Sünde, Buße, Reinheit
Attraktiv für junge Polen wirkte auch die Partei, die am vergangenen Sonntag die Parlamentswahl gewonnen hat, die von einer Berufung beseelt wird, das Land moralisch zu erneuern. "Sünden, schwere Bestrafung, Buße, Reinheit", mit diesem kirchennahen Vokabular stimmte Jaroslaw Kaczynski, der Chef der nationalkonservativen "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die Polen auf die neue Regierungszeit ein. Das liberale Polen, das den Kürbis wie die Grabkerze zum Leuchten bringt, fürchtet nun die Inquisition.
Sie haben den Segen des Vatikans. Erst im Juni hat Papst Franziskus die Internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) offiziell anerkannt und bestärkte die weltweit 400 offiziell tätigen Exorzisten in ihrer Arbeit. Trotz seiner Aufgeschlossenheit ermahnt Franziskus immer wieder, dass es das Böse, Teufel und Hölle auch heute noch gibt.
Mit Unterstützung des Vatikans werden immer mehr Teufelsaustreiber ausgebildet. Der Kurs " Exorzismus und Gebet der Befreiung" etwa, der heuer bereits zum zehnten Mal in Rom stattfand, erfreut sich großer Beliebtheit. Priester, Mediziner, Psychologen, Juristen diskutierten sechs Tage lang über den Kampf gegen den Teufel. Dutzende Vorträge und Diskussionen zu Themen wie "Magisch-okkultische Rituale und teuflischer Einfluss" oder "Theologie des Exorzismus als Sakrament" werden angeboten. "Wir haben gesehen, es gibt viel Interesse", freut sich Organisator Padre Pedro Barrajón. Teilnehmer aus Lateinamerika, Afrika, Asien, Europa, den USA besuchen den Kurs.
Ein bekannter Exorzist ist Padre Fiorenzo Castorri. Rund 50.000 Menschen kommen jährlich in die Basilika von Sarsina in der Apenninregion in der Emilia Romagna. Augenzeugen berichten von dramatischen Szenen, die sich angeblich bei den von Padre Castorri praktizierten Teufelsaustreibungen abspielen. Von Würge- und Spuckgeräuschen, Brüllen und zahlreichen Gebeten, die aus der Sakristei der Basilika zu hören sind, ist die Rede. Auf die Frage, was am besten gegen den Teufel wirkt, entgegnet Castorri: "Literweise Weihwasser und Gebete!" Und als stärkstes Mittel natürlich das Halsband des Heiligen Vicinius, das in der Sakristei der Basilika aufbewahrt wird. Bei angeblich aussichtslosen Fällen holt sich Don Castorri Rat von seinem "Mentor" Pater Gabriele Amorth. Der 89-jährige Amorth gilt als das Oberhaupt der italienischen Exorzisten und soll mehr als 70.000 Exorzismen durchgeführt haben.
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