Per Seilbahn zu Chinas letzter bewohnter Höhle

Das Dorf Zhongdong befindet sich in einer natürlich Höhle.
18 Familien leben in einem isolierten Dorf in einer Höhle im Südwesten des Landes. Ein Unternehmer will es zur Touristenattraktion machen.

Sie gelten als Chinas letzte Höhlenmenschen - 18 Familien, die in den nebelverhangenen Bergen im ländlichen Südwesten der Volksrepublik in einer riesigen Grotte wohnen. Ihre einzige Verbindung zur Außenwelt ist ein schmaler Pfad - eine Stunde Fußweg durch die raue Berglandschaft.

Per Seilbahn zu Chinas letzter bewohnter Höhle
This photo taken on November 6, 2016 shows a shepherd leadomg his sheep on the only path to reach Zhongdong village, where a group of 18 families live inside an enormous natural cave. The final hold-outs of the country's "last cave-dwelling" village have had modern conveniences, like electricity, for years. But their only access to the outside world is a footpath winding through Guizhou province's rugged mountain terrain. / AFP PHOTO / FRED DUFOUR / TO GO WITH China-economy-tourism,FEATURE by Becky Davis
Nun hat ein Tourismusunternehmer für rund 2,1 Millionen Euro eine Seilbahn gebaut. Am 1. Mai soll sie in Betrieb gehen.

Gondeln sollen dann Touristen in das Höhlendorf Zhongdong bringen. Viele Bewohner der Höhle sind begeistert. Denn bisher müssen sie alles, was sie nicht selbst produzieren, in ihr Dorf tragen: Essen, Haushaltswaren, Möbel. Nun sollen sie gratis die Seilbahn nutzen dürfen, wie das Unternehmen versichert. Zudem versprechen sie sich Einnahmen aus dem Tourismus in einer der ärmsten Regionen Chinas.

Per Seilbahn zu Chinas letzter bewohnter Höhle
This photo taken on November 6, 2016 shows two men holding goods as they walk on the only path to reach Zhongdong village, where a group of 18 families live inside an enormous natural cave. The final hold-outs of the country's "last cave-dwelling" village have had modern conveniences, like electricity, for years. But their only access to the outside world is a footpath winding through Guizhou province's rugged mountain terrain. / AFP PHOTO / FRED DUFOUR / TO GO WITH China-economy-tourism,FEATURE by Becky Davis

Skepsis

Andere sind skeptisch: "Vor 15 Jahren versprachen sie, eine Straße zu bauen. Aber dann haben sie entdeckt, dass sie mehr Geld verdienen können, wenn alles so bleibt", kritisiert Wang Xingguo, der gerade Ziegen in den Stall führt. Die Seilbahn sei vor allem für Touristen gedacht, sagt der 22-Jährige, Hühner und sperrige Gegenstände seien in den Kabinen verboten. Und von dem Geld der Touristen werde bei den Bewohnern nicht viel ankommen, fürchtet er.

In der Dutzende Meter hohen Höhle stehen abenteuerlich zusammengesetzte Häuser. Ein staubiger Platz dient als Basketballfeld, daneben hängt Wäsche, lagern Brennholz und Gemüse. Vor einigen Häusern stehen Waschmaschinen - das Höhlendorf ist ans Stromnetz angeschlossen.

Per Seilbahn zu Chinas letzter bewohnter Höhle
This photo taken on November 6, 2016 shows a woman walking throuh the village of Zhongdong, where a group of 18 families live inside an enormous natural cave. The final hold-outs of the country's "last cave-dwelling" village have had modern conveniences, like electricity, for years. But their only access to the outside world is a footpath winding through Guizhou province's rugged mountain terrain. / AFP PHOTO / FRED DUFOUR / TO GO WITH China-economy-tourism,FEATURE by Becky Davis

Ethnische Minderheit

Die meisten Bewohner gehören zur ethnischen Minderheit der Miao. Wann die ersten von ihnen in die Höhle zogen, weiß niemand so recht - manche Familien leben schon seit Generationen hier. Wangs Vater Wang Hongqing erzählt, er sei noch ein Baby gewesen, als seine Familie hier einzog - nicht lange nach Gründung der Volksrepublik China 1949. Zuvor hätten Räuberbanden in der Grotte gehaust.

Wang Hongqing war der erste, der in den 1990er-Jahren in einem Teil seines Höhlenhauses ein Gästehaus eröffnete. Inzwischen verdient er mit der Beherbergung und Bewirtung von Touristen rund 2.500 Euro im Jahr, daneben baut er Mais an und hält Hühner. Weil er auf die Einkünfte aus dem Gastgewerbe nicht verzichten will, widersetzte er sich immer wieder Umsiedlungsplänen der Behörden. Die Gondelbahn, so hofft er, werde neue Besucher bringen und "das Geldverdienen leichter machen".

Sein Nachbar Wei Xiaohong hofft, die Seilbahn werde die Jugend zurückbringen. Wie Hunderte Millionen Landsleute zogen auch viele junge Leute aus der Region auf der Suche nach Arbeit in die Städte. In der Höhle blieben nur noch wenige. Einst beherbergte sie auch eine Schule für mehr als 200 Kinder aus den Nachbardörfern. Doch seit ihrer Schließung dauert der Schulweg von Weis zwölfjährigem Sohn zwei Stunden.

Per Seilbahn zu Chinas letzter bewohnter Höhle
This photo taken on November 6, 2016 shows a general view of the village of Zhongdong, where a group of 18 families live inside an enormous natural cave. The final hold-outs of the country's "last cave-dwelling" village have had modern conveniences, like electricity, for years. But their only access to the outside world is a footpath winding through Guizhou province's rugged mountain terrain. / AFP PHOTO / FRED DUFOUR / TO GO WITH China-economy-tourism,FEATURE by Becky Davis

Tourismusunternehmer Luo verspricht, das Dorf und die Schule wiederzubeleben: "In fünf Jahren werden wir einige Gebäude renoviert und eine ursprüngliche, dem Tourismus förderliche Atmosphäre geschaffen haben, wo die Männer in der Landwirtschaft arbeiten und die Frauen im Haushalt."

Dem 22-jährigen Wang graut es vor dieser schönen neuen Welt. "Wir leben zwar nicht in einem Zoo, aber schon jetzt es ist mehr oder weniger das Gleiche", seufzt er, während neben ihm lärmende Touristen Selfies machen. "Ich wage mir gar nicht vorzustellen, wie dieser Ort in Zukunft aussehen wird."

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