Störsender über dem Konklave

epa01181503 Cardinals during the Consistory ceremony in Saint Peter's Basilica at the Vatican, 24 November 2007. Pope Benedict, elevated 23 prelates from around the world to the rank of cardinal. EPA/ETTORE FERRARI
Um 16.30 beginnt für 115 Kardinäle die „wichtigste Entscheidung unseres Lebens“.

Die Sixtinische Kapelle ist für den Einzug der 115 Kardinäle auf Hochglanz gebracht. Der Kamin auf dem Dach der Kapelle, aus dem möglichst bald weißer Rauch aufsteigen soll, ist längst montiert. Am Balkon des Petersdoms hängt der samtene, rote Vorhang: Die geheimnisvollste Wahl der Welt, das Konklave zur Bestimmung eines neuen Papstes, wird heute, Dienstagnachmittag, in Rom beginnen.

Der Ablauf der Papstwahl folgt einer bis ins kleinste Detail geplanten Zeremonie. Am Vormittag zelebrieren die Purpurträger eine Messe „pro eligendo papa“ und beten dabei um Beistand für eine gute Entscheidung. Danach stärken sie sich bei einem einfachen, von Ordensschwestern zubereiteten Mittagessen und gönnen sich eine kurze Siesta im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Dort sind die Kardinäle während der Zeit des Konklaves untergebracht.

Komplett isoliert

Um die mysteriöse Aura zu wahren und jeden Einfluss der Öffentlichkeit zu vermeiden, werden die Würdenträger tagelang komplett von der Außenwelt isoliert. Telefone, Handys, Zeitungen, Internet sind verboten. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurden über dem Vatikan eigene Störsender, die jeden Empfang verhindern, installiert.

Am späteren Nachmittag wird es für die 115 wahlberechtigten Kardinäle, deren Durchschnittsalter 72 Jahre beträgt, ernst. Denn die „wichtigste Entscheidung unseres Lebens“, wie es der amerikanische Kardinal und Papstanwärter Patrick O’Malley nannte, steht bevor. Alles wird verriegelt, niemand darf mehr mit den Kardinälen sprechen. Um 16.30 Uhr beginnt der große Einzug der Purpurträger in die weltberühmte Sixtinische Kapelle. Chorgesänge erklingen. Der festliche Dress-Code der liturgischen Kleidung sorgt für filmreife Bilder: Rote Talare, weiße Chorhemden, rote Schultermäntelchen (so genannte Mozette), rote Birette und natürlich Kardinalsringe sowie Brustkreuze wohin das Auge blickt. Danach müssen alle den Eid zur Geheimhaltung schwören, anschließend wird meditiert und bereits der erste Wahlgang gestartet.

Mit großer Wahrscheinlichkeit steigt am ersten Tag nur schwarzer Rauch aus dem Kamin der Kapelle. In den folgenden Tagen werden sich die Würdenträger jeweils um 9.30 Uhr in der Sixtinischen Kapelle versammeln und bis 12.30 Uhr jeweils zwei Wahlgänge absolvieren. Für nachmittags sind ebenfalls zwei Wahlgänge geplant.

Zwei-Drittel-Mehrheit

Erst wenn man sich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit oder 77 Stimmen auf einen Kandidaten geeinigt hat, steht das neue katholische Kirchenoberhaupt fest. Dann wird der berühmte weiße Rauch aufsteigen. Kurze Zeit später wird sich der neue Pontifex vom Balkon der Peterskirche der Welt präsentieren.

Das Rätselraten, wer in die engere Auswahl der „papabili“, der Papstanwärter, kommt, wird fast täglich neu gestartet. Zuletzt wurden folgende vier Kandidaten als Favoriten auserkoren: der Italiener Scola, der Brasilianer Scherer, der Kanadier Ouellet und der New Yorker Überraschungskandidat Dolan.

Kardinal Schönborn rechnet optimistisch mit einem kurzen Konklave: „In wenigen Tagen werden wir einen neuen Heiligen Vater haben.“ Die letzte Wahl 2005 (Papst Benedikt XVI.) dauerte nur zwei Tage und vier Wahlgänge. Für die Wahl von Papst Johannes Paul II. waren drei Tage und acht Wahlgänge notwendig.

Die Verhandlungen vor Beginn der Papst-Wahl werden von drei heiklen Themen beeinflusst, die den Vatikan seit Monaten belasten: Die Missbrauchsskandale, die Vatikan-Bank IOR und der Fall "Vatileaks".

Missbrauch

Die acht Jahre Pontifikat unter Joseph Ratzinger sind stark von den Missbrauchsskandalen geprägt worden, jetzt könnte das heikle Thema der Pädophilie die Wahl eines Nachfolgers Benedikts maßgebend beeinflussen. Mindestens fünf Papst-Wähler sind wegen ihres umstrittenen Umgangs mit Missbrauchsskandalen unter Druck geraten. Der bekannteste ist der frühere Erzbischof von Los Angeles, Roger Mahony, der beschuldigt wird, Missbrauchsvorwürfe gegen Priester seiner Diözese vertuscht zu haben. Ein ähnlicher Verdacht trifft den belgischen Kardinal Godfried Danneels. Vor drei Jahren hatte die Polizei seine Wohnung durchsucht und seinen Computer beschlagnahmt, um festzustellen, ob er über Missbrauchsfälle in der belgischen Kirche zwischen den 60er und 80er-Jahren informiert war. Auch der irische Primas Sean Brady wurde beschuldigt, die Skandale rund um pädophile Priester in seiner Heimat verheimlicht zu haben.

"Das Thema Missbrauchsskandale wird im Konklave eine Rolle spielen und Spitzenfiguren im Kampf gegen die Pädophilie wie den Wiener Erzbischof Christoph Schönborn und den Bostoner Kardinal Sean O ́Malley bei der Papst-Wahl begünstigen", meint Iacopo Scaramuzzi, Vatikan-Experte der Nachrichtenagentur TMNews.

Untersuchung gegen Kardinal O'Brien

Der Vatikan wird indes eine Untersuchung gegen den zurückgetretenen Erzbischof von Edinburgh, Kardinal Keith O'Brien, in die Wege leiten. Die Untersuchung soll nach der Ernennung des neuen Papstes beginnen, berichteten italienische Medien. Es werde sich um eine interne Untersuchung handeln, dessen Ergebnisse nicht veröffentlicht werden sollten, verlautete im Vatikan.

O'Brien hatte am Sonntag Fehler in seinem Umgang mit Priestern eingeräumt und um Vergebung gebeten. In einer schriftlichen Erklärung gab der ranghöchste Vertreter der Katholiken in Großbritannien, Fehlverhalten zu. Sein sexuelles Verhalten habe zeitweilig nicht den Standards entsprochen, die von einem Priester, Erzbischof und Kardinal erwartet werden, schrieb O'Brien. Er entschuldigte sich bei allen, die er mit seinem Verhalten verletzt habe, und bat um Vergebung. Er werde sich nun komplett aus der Kirche und der Öffentlichkeit in Schottland zurückziehen.

Drei Priester hatten O'Brien vorgeworfen, ihnen in den 1980er-Jahren "unangemessen" nahegekommen zu sein. Sie hatten sich Anfang Februar mit ihren Vorwürfen an den vatikanischen Botschafter in Großbritannien, Antonio Mennini, gewandt. O'Brien legte das Amt des Erzbischofs von St. Andrews und Edinburgh am 25. Februar nieder. Der 74-Jährige wird nicht an der bevorstehenden Wahl des neuen Papstes teilnehmen. O'Brien hätte als einziger Geistlicher aus Großbritannien an der Wahl des neuen Kirchenoberhaupts in Rom teilnehmen sollen.

Vatikanbank IOR

Auch die Zukunft der skandalumwitterten Vatikanbank IOR wird die Verhandlungen um die Wahl des neuen Papstes beeinflussen. Seit Mitte Februar hat die Bank zwar einen neuen Chef, den 54 Jahre alten deutschen Finanzexperten Ernst von Freyberg, die Affäre ist aber keineswegs ausgestanden. Der Vatikan steht unter Beobachtung des Anti-Geldwäsche-Ausschusses "Moneyval" des Europarates, der dem Kleinstaat noch im vergangenen Sommer zwar normative Fortschritte attestiert, doch zugleich bemängelt hatte, dass die konkrete Kontrolle unzureichend geblieben sei.

Diese heikle Frage könnte das Konklave dazu veranlassen, sich für einen "Manager-Papst" mit praktischem Sinn und Kompetenzen im Finanzbereich zu entscheiden, der sich verstärkt um mehr Transparenz in den Geldangelegenheiten des Vatikans kümmern könne. Zu den aussichtsreichsten Papst-Kandidaten zählen nicht zufällig zwei Mitglieder des IOR-Aufsichtsrats, der Brasilianer deutscher Abstammung Odilo Pedro Scherer und der indische Kardinal, Telesphore Toppo.

Vatileaks

Das Konklave wird auch von der sogenannten "Vatileaks"-Affäre um gestohlene päpstliche Dokumente belastet. Immer wieder kursieren Gerüchte über einen Zusammenhang zwischen den vertraulichen Berichten dreier Kardinäle über den Fall "Vatileaks" und den Amtsverzicht Benedikts XVI. Die Kardinäle hatten dem Papst im vergangenen Juli, sowie am 17. Dezember die Ergebnisse ihrer Untersuchungen mitgeteilt. Darin sollen Sex und Korruption im Vatikan eine spektakuläre Rolle spielen, berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica" ohne genaue Quellenangaben. Das im Report der drei Kardinal-Kommissare gezeichnete Bild vom Zustand der römischen Kurie sei so dramatisch gewesen, dass sich Benedikt XVI. daraufhin definitiv zum bereits angedachten Rücktritt entschlossen habe. Von homosexuellen Seilschaften, die auch eifrig Geschäfte machen, war die Rede. Der Vatikan reagierte empört und sprach von Verleumdungen und ungeprüften Gerüchten, die das Konklave beeinflussen könnten.

Die drei emeritierten Kardinäle Julian Herranz, Jozef Tomko und Salvatore De Giorgi, Mitglieder der im Fall Vatileaks ermittelnden Kommission, werden Benedikts Nachfolger ihren Geheimbericht weitergeben. Die drei Purpurträger könnten jedoch schon bei den am Montag begonnenen Generalkongregationen den Kardinälen über den Inhalt des Dossiers berichten, was wiederum die Papstwähler bei der Suche eines Nachfolgers beeinflussen könnte, meinen Vatikan-Insider in Rom.

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