Angehörige sammeln Spenden für Hinweise

Die Boeing 777 der Malaysia Airlines war am 8. März von den Radarschirmen verschwunden.

Die Angehörigen der Insassen von Malaysia-Airlines-Flug MH370 nehmen die Suche nun quasi selbst in die Hand: Mit Hilfe von umgerechnet 3,7 Millionen Euro für Insider-Hinweise wollen sie die Suchaktion vorantreiben. Mehrere Opferfamilien planen laut eigener Mitteilung vom Sonntag eine entsprechende Spendenkampagne auf der Crowdfunding-Website Indiegogo, "um Informanten zu ermutigen, ihr Wissen zu teilen".

Fünf Familien gaben das Vorhaben drei Monate nach dem Verschwinden der Maschine der Malaysia Airlines bekannt. "Wir sind überzeugt, dass irgendwo irgendjemand etwas weiß", erklärte Kampagnenleiter Ethan Hunt, der als Chef eines IT-Unternehmens tätig ist. Das offizielle Spendenziel der Aktion "Reward MH370" wurde auf fünf Millionen Dollar beziffert.

"Regierungen und Behörden haben ihr Bestes gegeben, aber dabei versagt, auch nur den Hauch eines Beweises vorzulegen", kritisierte Sarah Bajc, die Lebensgefährtin eines Flugzeugpassagiers aus den USA. Der ausgebliebene Durchbruch bei den Ermittlungen sei "entweder auf einen verfehlten Ansatz oder bewusste Irreführung durch eine oder mehrere Personen" zurückzuführen.

Die Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH370 war am 8. März von den Radarschirmen verschwunden, seitdem fehlt von dem Flugzeug jede Spur. Eine umfassende und kostspielige Suche zu Wasser und aus der Luft brachte keinen Erfolg. An Bord der Maschine waren 239 Menschen, zwei Drittel der Passagiere stammten aus China.

11. März: Der Krisenstab weitet die Suche auf die Meerenge von Malakka vor Malaysias Westküste aus - fernab der eigentlichen Route.

14. März: Die Suche konzentriert sich auf den Indischen Ozean - Hunderte Kilometer westlich der ursprünglichen Flugroute.

15. März: Die Ermittler vermuten Sabotage. Die Boeing sei nach dem letzten Kontakt stundenlang auf neuem Kurs geflogen. Wahrscheinlich wurden Kommunikationssysteme absichtlich abgeschaltet, heißt es.

17. März: Eine neue Suche entlang zweier möglicher Routen läuft an.

20./21. März: Australiens Geheimdienst entdeckt auf Satellitenbildern mögliche Wrackteile, doch MH370 bleibt verschollen.

24. März: Neuen Analysen zufolge ist das Flugzeug in den südlichen Indischen Ozean gestürzt. Das letzte Signal wurde laut malaysischer Regierung westlich der australischen Stadt Perth empfangen.

28. März: Australiens Seesicherheitsbehörde schickt die Suchtrupps 1.100 Kilometer weiter nordöstlich, Experten hatten Annahmen zum Flug korrigiert.

5. April: Ein chinesisches Schiff empfängt ein "pulsierendes Signal".

6. April: Die australische "Ocean Shield" ortet in einem anderen Seegebiet Funksignale.

11. April: Die Signale seien nicht von der Blackbox der Boeing, teilt der Koordinator der Suche mit. Australiens Regierungschef Tony Abbott hatte sich zuversichtlich geäußert, dass sie von der Maschine kämen.

14. April: Das unbemannte U-Boot Bluefin-21 sucht den Meeresgrund erstmals nach Wrackteilen ab. Weitere Tauchgänge in den nächsten Tagen bleiben erfolglos.

5. Mai: Bei der Suche sollen neue Spezialgeräte zum Einsatz kommen. Darauf einigen sich Experten aus China, Malaysia und Australien in Canberra.

22. Mai: Nach drei Wochen Unterbrechung wegen eines technischen Problems sucht Bluefin-21 weiter nach dem Wrack.

27. Mai: Es wird bekannt, dass die Ermittler Original-Protokolle des Datenaustauschs zwischen Satelliten und Flugzeug veröffentlicht haben. Angehörige hatten gefürchtet, es könnten ihnen Informationen vorenthalten worden sein.

29. Mai: Die Suche bleibt vergeblich: Die Maschine liege nicht im vermuteten Absturzgebiet, teilt das Koordinationszentrum mit. Jetzt muss ein neues Suchgebiet bestimmt werden.

4. Juni: Wissenschafter wollen nun aufgenommene Unterwassergeräusche analysieren. Unterwasserrekorder hatten vor der australischen Küste zum Zeitpunkt des Verschwindens von Flug MH370 ein schwaches Signal verzeichnet, teilt ein Experte der Curtin University in Perth mit.

Wann gab es den letzten Kontakt?

Es ist der 8. März, kurz nach Mitternacht Ortszeit in Malaysia. Flug MH370 der Malaysia Airlines hebt in Kuala Lumpur ab. Die beiden Piloten und zehn Flugbegleiter haben alle Hände voll zu tun, während die 227 Passagiere an Bord sich für den Nachtflug nach Peking einrichten. "Gute Nacht, Malaysian drei sieben null", meldet sich jemand aus dem Cockpit ordnungsgemäß kurz vor Eintritt in den vietnamesischen Luftraum ab. Danach herrscht Funkstille.

Was fördern die Ermittlungen zutage?

Zunächst vor allem Chaos. Wann der letzte Kontakt war, was das Cockpit meldete - die malaysischen Ermittler sind konfus und korrigieren ihre Angaben ständig. Dutzende Schiffe und Flugzeuge werden im Südchinesischen Meer zwischen Malaysia und Vietnam auf Wracksuche geschickt. Nach einer Woche eine Wende: Regierungschef Najib Razak sagt, die Kommunikationssysteme an Bord seien "mit hoher Wahrscheinlichkeit absichtlich" abgeschaltet worden. Satelliten hätten noch fast sieben Stunden Signale der Maschine aufgefangen. Die mögliche Flugroute ging entweder über Nordthailand bis Turkmenistan oder an Indonesien vorbei auf den Indischen Ozean hinaus.

Was passiert mit den Angehörigen?

Zweidrittel der Passagiere an Bord waren Chinesen. Malaysia Airlines betreut Angehörige in Hotels in Peking und Kuala Lumpur, auch mit Psychologen. Die chinesischen Angehörigen und die Behörden erheben schwere Vorwürfe gegen Malaysia Airlines. Sie fühlen sich schlecht informiert. Die Schließung der Hotelzentren nach einigen Wochen bringt weitere Kritik. US-Anwälte suchen in Peking und Kuala Lumpur nach Mitstreitern für eine Sammelklage. Die Allianz-Versicherung führt ein Konsortium an, das die Flotte von Malaysia Airlines versichert und beginnt drei Wochen nach dem Verschwinden mit der Auszahlung.

Welche Theorien verfolgen die Ermittler?

Nach Razaks Enthüllung werden die Passagiere unter die Lupe genommen. Die Polizei prüft, ob jemand kurz zuvor eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, ob jemand selbstmordgefährdet war. Zwei Iraner mit falschen Pässen werden schnell als harmlose Studenten entlarvt, die illegal nach Europa wollten. Keiner der Passagiere ist auffällig. Die Piloten geraten ins Visier: Chefpilot Zaharie Ahmad Shah (52) hat einen Flugsimulator zu Hause, Kopilot Fariq Abdul Hamid (27) hat auf einem früheren Flug schon mal illegalerweise Touristinnen ins Cockpit gelassen. Bei beiden gibt aber keine Anzeichen für böse Absichten.

Was für Spekulationen gibt es?

Im Internet kursieren jede Menge Theorien. Eine versuchte Entführung, eine Selbstmordmission eines Insassen, ein technischer Defekt mit Explosion im Cockpit, der die Piloten außer Gefecht gesetzt hat, ein Brand mit giftigen Gasen an Bord, der alle bewusstlos machte. In anderen Spekulationen hieß es, die Boeing könne auf den Andamanischen Inseln nördlich von Indonesien gelandet sein, auf dem Atoll Diego Garcia im Indischen Ozean, oder womöglich in Nordkorea. Hartnäckig hält sich das Gerücht, die Maschine sei vom Militär absichtlich oder versehentlich abgeschossen worden und das werde nun verschleiert.

Wie laufen die Ermittlungen weiter?

Nachdem eine weitere Auswertung der Satellitensignale die südliche Flugroute bestätigt und den Kurs besser definiert, koordiniert Australien die schwierige Wracksuche in einem mehr als 300.000 Quadratkilometer großen Gebiet rund 2.000 Kilometer westlich von Perth. Dutzende Schiffe und Flugzeuge sind beteiligt, ebenso das unbemanntes U-Boot bluefin-21. Ein Schiff registriert Funksignale, die womöglich von der Blackbox stammen. Doch wird in den nächsten zweieinhalb Monaten keine Spur des Wracks entdeckt. Die Signale werden später infrage gestellt. Australien stellt sich auf eine monatelange Suche ein und sucht einen privaten Generalunternehmer dafür.

Treten die Angehörigen gemeinsam in Erscheinung?

Einige Angehörige halten untereinander Kontakt, aber eine organisierte Angehörigen-Gruppe gibt es nicht. Am Pfingstwochenende taucht auf einer Webseite der Aufruf auf, fünf Millionen Dollar zu sammeln, um anonyme Tippgeber zu animieren und Privatdetektive anzuheuern. Auf der Webseite tauchen in einem Video einige Angehörige auf, darunter die Freundin des amerikanischen Passagiers Philip Wood, Sarah Bajc. Angehörige in Malaysia sagen, sie hätten von der Aktion gehört, aber keine näheren Informationen.

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