Cameron: Angriff ist Verrat am Islam

People view flowers left outside an army barracks near the scene of a killing in Woolwich, southeast London May 23, 2013. British authorities believe that two men accused of hacking a soldier to death on a London street in revenge for wars in Muslim countries are British of Nigerian descent, a source close to the investigation said Thursday. REUTERS/Luke MacGregor (BRITAIN - Tags: CRIME LAW MILITARY POLITICS)
In London ist der junge Soldat Lee Rigby auf offener Straße zerstückelt worden. Bisher gab es vier Festnahmen.

Nach dem Mord an einem Soldaten der britischen Armee in London versucht die Polizei fieberhaft, die Hintergründe des Verbrechens zu klären. Am Donnerstag durchsuchten Beamte zwei Anwesen in der Grafschaft Lincolnshire und in Greenwich. Nähere Angaben machte die Polizei zunächst nicht.

Am Mittwoch wurde der Mann blutüberströmt auf der Straße gefunden, die Täter standen in der Nähe mit Machete und Pistole bewaffnet. Bei dem Opfer handelte es sich, wie das Verteidigungsministerium am Donnerstagabend bekanntgab, um den 25-jährigen Lee Rigby. Der junge Soldat hinterlässt einen zweijährigen Sohn.

Cameron: Angriff ist Verrat am Islam
epa03713761 An undated handout photograph released by the British Ministry of Defence on 23 May 2013 showing Drummer Lee Rigby, 2nd Battalion The Royal Regiment of Fusiliers. A major police operation was launched on 22 May 2013 after two suspected terrorists murdered Lee Rigby in John Wilson Street, Woolwich, south-east London, England, 22 May 2013. Eyewitnesses said the victim was hacked to death, with some suggesting his attackers tried to behead him, before charging at police when they arrived on the scene in Woolwich, south east London. The Ministry of Defence has confirmed that the victim was a soldier. EPA/MINISTRY OF DEFENCE / HANDOUT MANDATORY CREDIT; CROWN COPYRIGHT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
Die Täter, die Medienberichten zufolge den muslimischen Ruf "Gott ist groß" ertönen ließen, zerstückelten ihr Opfer am helllichten Tage. Die Tat soll politisch motiviert gewesen sein. Beide Männer wurden von den Einsatzkräften gestellt und lebensgefährlich angeschossen. Sie sollen am Donnerstag verhört werden.

Weitere Festnahmen

Im Zusammenhang mit der tödlichen Attacke hat die Polizei unterdessen am Donnerstagabend zwei weitere Verdächtige festgenommen. Ein Mann und eine Frau, beide 29 Jahre alt, seien unter dem Verdacht der Beihilfe zum Mord verhaftet worden, teilte die Polizei mit. Sie würden von der Polizei in London verhört.

Krisenstab

Premierminister David Cameron und der Londoner Bürgermeister Boris Johnson gehen von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus. Cameron berief den Krisenstab ein. Die Regierung will aber zunächst nicht die Terrorwarnstufe anheben. Am frühen Nachmittag verkündete Premier Cameron in einem Statement, der beste Weg Terrorismus zu bekämpfen, sei normal weiterzuleben. Es gebe absolut keine Rechtfertigung für die Tat. Cameron sagte auch, der Angriff sei ein Verrat am Islam und den muslimischen Gemeinschaften gewesen. Nähere Angaben zum Opfer wurden nicht veröffentlicht; es soll sich aber um einen Soldaten der britischen Armee handeln.

Aus Regierungskreisen wurde außerdem verlautbart, dass die beiden mutmaßlichen Täter britische Staatsbürger mit Verbindungen nach Nigeria sein sollen. Es soll sich um junge Leute handeln, die zu einer radikalisierten Form des Islam konvertiert sind, hieß es. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass sie Kontakt zu radikalen, islamistischen Terrorgruppen wie Boko Haram in Nigeria gehabt hätten.

Täter waren Polizei bekannt

Die mutmaßlichen Terroristen waren laut Cameron der Polizei bereits vor dem Mord an dem Soldaten bekannt. Er nannte die Tat "widerwärtig". Für sie seien ausschließlich die Täter selbst verantwortlich, sie könnten sich nicht hinter der Lehre des Islams verstecken. Die Londoner Polizei verstärkt unterdessen ihre Präsenz auf den Straßen der Stadt.

Vor allem an Orten, wo sich Menschenmassen versammeln, werde man in den kommenden drei Tagen verstärkt Polizisten in Uniform sehen, sagte Simon Byrne von Scotland Yard am Donnerstag bei einem Besuch am Tatort im südöstlichen Stadtteil Woolwich. Derzeit seien 1200 zusätzliche Polizisten im Einsatz, um den Menschen auf der Straße ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Dies solle so bleiben, bis es mehr Klarheit über die Hintergründe der blutigen Mordattacke auf einen Soldaten gebe.

Kurz vor Champions League-Finale

Somit herrscht kurz vor dem mit Spannung erwarteten Endspiel in der Champions League des europäischen Fußballverbandes an der Themse Terrorangst und Alarmbereitschaft.

Die Bluttat wurde in Woolwich im Südosten der britischen Hauptstadt in der Nähe einer Kaserne verübt. Dort war das Opfer wahrscheinlich stationiert. Medienberichten zufolge versuchten die Angreifer auch, den Mann zu enthaupten. Cameron, den die Nachricht von der Tat in Paris ereilte, sprach von einem entsetzlichen Verbrechen. Der Regierungschef kürzte seinen Frankreich-Besuch ab. "Wir haben in unserem Land schon mehrere derartige Anschläge erlebt und wir werden uns dadurch nicht verbiegen lassen", kündigte Cameron entschlossenes Handeln an.

Nach und nach tritt die Dramatik der Ereignisse zutage, die sich am frühen Mittwochnachmittag in unmittelbarer Nähe einer Volksschule abspielten. Der britische Fernsehsender ITV strahlte am Abend Amateuraufnahmen mit einem jungen Mann aus, der in seinen blutverschmierten Händen zwei Messer hielt (siehe Video unten). Der Rektor der benachbarten Schule schloss seine Kinder ein, aus Angst vor Übergriffen. Auf dem Spielplatz landete der Rettungshelikopter. Wenig später legten Passanten und Anrainer Blumen nieder.

Islamfeindliche Aktionen

Am Mittwochabend kam es in Großbritannien als Folge zu islamfeindlichen Aktionen. Ein 43-Jähriger wurde festgenommen, als er mit einem Messer in eine Moschee in der Hauptstadt eindrang, wie ein Abgeordneter auf Twitter berichtete. Ein zweiter Mann wurde wegen Verdachts auf rassistisch motivierte Sachbeschädigung im Südosten des Landes festgenommen. In Großbritannien wächst nun die Angst vor weiteren Übergriffen.

Um diese zu vermeiden, betonte Bürgermeister Johnson: "Es ist absolut falsch, diese Taten mit der Religion in Verbindung zu bringen." Vertreter der britischen Muslime verurteilten die "barbarische Tat" an dem Soldaten und bekundeten der Familie des Opfers ihr Beileid.

Cameron: Angriff ist Verrat am Islam

BRITAIN WOOLWICH MURDER
Cameron: Angriff ist Verrat am Islam

Undated handout photo shows victim Drummer Lee Rig
Cameron: Angriff ist Verrat am Islam

BRITAIN WOOLWICH MURDER
Cameron: Angriff ist Verrat am Islam

Police forensics officers investigate a crime scen
Cameron: Angriff ist Verrat am Islam

BRITAIN WOOLWICH MURDER

Die Polizei räumte den Tatort voller Blutlachen weiträumig ab. Über dem Viertel kreisten Hubschrauber. Die Sicherheitsvorkehrungen an Kasernen wurden verschärft. Zuletzt hatten im Juli 2005 vier Selbstmordattentäter in U-Bahnen und Bussen Anschläge verübt. Sei rissen 52 Menschen mit in den Tod und verletzten Hunderte andere Personen.

Warnung vor "einsamen Wölfen"

Terrorismusexperten hatten unlängst vor Anschlägen radikalisierter Einzelpersonen gewarnt. Solche "einsamen Wölfe" stellten ein großes Risiko dar, selbst wenn sie keine direkten Kontakte zur Al-Kaida hätten.

Die Menschen in Woolwich reagierten entsetzt. "Dass dies in einer lebendigen Großstadt passieren kann, ist schockierend", sagte ein Frau. Ein junger Muslim legte in der Nähe des Tatorts Blumen nieder. "Das hat nichts mit Gott zu tun. Es zerbricht einem das Herz", sagte er.

Sie wird in London als Heldin gefeiert: Ingrid Loyau-Kennett, eine 48-jährige Pfadfinder-Leiterin aus Cornwall, riskierte ihr Leben, um die beiden Attentäter nach der Bluttat zum Aufgeben zu überreden. Sie verwickelte die Terroristen in ein Gespräch und forderte sie auf, ihr die Waffen zu übergeben.

Die zweifache Mutter war eine der Ersten am Tatort, nachdem die Angreifer ihr Opfer niedergemetzelt hatten: „Ich bin in erster Hilfe ausgebildet und ging sofort zu dem reglosen Körper. Der Mann war tot. Dann kam ein Schwarzer mit blutverschmierten Händen auf mich zu. Er war sehr aufgeregt und sagte, ich solle nicht zu nah an den Körper herangehen.“ Sie habe eine Pistole, Fleischermesser und weitere Waffen im Hintergrund gesehen, berichtete die 48-Jährige.

Ingrid Loyau-Kennett behielt die Nerven. „Wollen Sie mir nicht geben, was Sie in der Hand haben?“, sagte sie zu einem der Attentäter. Als der Mann sich weigerte und ihr erklärte: „Wir werden heute Abend in London einen Krieg beginnen“, sprach sie weiter mit ihm: „Die Polizei wird gleich da sein.“ Loyau-Kennett wandte sich auch an den anderen Attentäter. „Ich dachte: ,Ich muss mit ihnen reden, damit sie beschäftigt sind und nicht noch jemanden angreifen.‘ Diese Menschen haben üblicherweise eine Botschaft – also fragte ich , was er will. Er antwortete, er habe den Mann getötet, weil er ein britischer Soldat sei. Er habe genug davon, dass britische Soldaten in Afghanistan Moslems töten.“

Die Frau verließ den Tatort, als die Polizei kam. Medien kritisieren bereits, dass es 20 Minuten dauerte, bis die Einsatzkräfte kamen.

Der britische Fernsehsender ITV strahlte am Abend Amateuraufnahmen mit einem jungen Mann aus, der in seinen blutverschmierten Händen zwei Messer hielt. "Auge um Auge, Zahn um Zahn", rief der mutmaßliche Täter und forderte zum Sturz der Regierung auf. Er bedauerte, dass Frauen die Tat ansehen mussten. "Aber in unserem Land müssen unsere Frauen dasselbe ansehen." Der Mann könnte Afghanistan gemeint haben, wo britische Truppen gegen die Taliban und die Al-Kaida kämpfen.

Die deutschen Clubs Borussia Dortmund und Bayern München reisen trotz des Mordes von London ohne Bedenken zum Finale der Fußall-Champions-League am Samstag. "Unsere Sicherheitsleute sind bereits in London", sagte Bayern-Mediendirektor Markus Hörwick am Donnerstag. Diese stünden in Kontakt mit den dortigen Sicherheitsbehörden. "Wir gehen ohne Sorge nach London", betonte Hörwick. Auch der BVB hält an seinem Ablaufplan fest.

"Alles wie geplant. Wir sind ohnehin sehr vorsichtig und haben zum Beispiel niemandem unsere Hotels genannt", teilte Dortmunds Vereinssprecher Sascha Fligge mit. Der BVB hält die Adressen der Hotelunterkünfte während seines Aufenthalts in der britischen Hauptstadt geheim.

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