Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen

Insgesamt zehn Vermisste lebend geborgen. Wettlauf gegen die Zeit auf der Suche nach weiteren Überlebenden. Fünf Tote.

Zehn Menschen sind mittlerweile lebend aus den Trümmern des von einer Lawine verschütteten Hotels Rigopiano in der mittelitalienischen Region Abruzzen geborgen worden.

Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen
Firefighters rescue a survivor from Hotel Rigopiano in Farindola, central Italy, hit by an avalanche, in this handout picture released on January 20, 2017 provided by Italy's Fire Fighters. Vigili del Fuoco/Handout via REUTERS ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. EDITORIAL USE ONLY.

Unter den Geretteten befinden sich vier Kinder. Bei einem geborgenen Jungen dürfte es sich um den Sohn des 38-jährigen Kochs Giampiero Parete handeln, der als erster Alarm geschlagen hatte. Die Tochter versuche man derzeit zu bergen. Seine Frau war ebenfalls unter den Überlebenden.

Die Überlebenden wurden in einem Dachboden lokalisiert und geborgen. Sie wurden per Hubschrauber ins Spital der Adria-Stadt Pescara geflogen. Bisher wurden fünf Leichen aus den Trümmern gezogen. Hier ein Video von der Bergung des Jungen.

Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen
The snow inside the Hotel Rigopiano in Farindola, central Italy, hit by an avalanche, is seen in this January 19, 2017 handout picture provided by Alpine and Speleological Rescue Team. Soccorso Alpino Speleologico/Handout via REUTERS ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVE.

Die Personen, die am Freitag lebend geborgen werden konnten, hatten ein Feuer in einer Nische gemacht, in der sie Zuflucht gefunden hatten. Das rettete ihnen das Leben, berichteten die Einsatzkräfte.

Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen
This handout image taken on January 19, 2017 and obtained on the Vigili del Fuoco twitter account on January 20, 2017 shows a rescue operation at the Hotel Rigopiano, near the village of Farindola, on the eastern lower slopes of the Gran Sasso mountain, engulfed by a powerful avalanche. Up to 30 people were feared to have died after an Italian mountain Hotel Rigopiano was engulfed by a powerful avalanche in the earthquake-ravaged centre of the country. Italy's Civil Protection agency confirmed the Hotel Rigopiano had been engulfed by a two-metre (six-feet) high wall of snow and that emergency services were struggling to get ambulances and diggers to the site. / AFP PHOTO / Vigili del Fuoco / - / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / VIGILI DEL FUOCO " - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
Zwei Gerettete befanden sich auf der Intensivstation des Krankenhauses der Adria-Stadt Pescara. Die Überlebenden verbrachten insgesamt 43 Stunden unter dem Schnee bevor sie geborgen wurden. Bei der Suchaktion wurden die Retter von einem überlebenden Mitarbeiter des Hotels unterstützt, der die Räumlichkeiten des Gebäudes gut kennt. Die Hoffnung, weitere Überlebende zu finden wächst. Experten zufolge könnten Verschüttete bis zu fünf Tagen nach der Lawine ausharren, wenn sie genügend Sauerstoff erhalten. Neben den sechs Überlebenden, die aus den Trümmern des von einer Lawine verschütteten Hotels Rigopiano geborgen werden konnte, wurden weitere lebende Vermisste lokalisiert.
Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen
A rescuer waits for his colleagues in the town of Penne, central Italy, following a series of earthquakes and a snow avalanche hitting a hotel in central Italy, January 20, 2017. REUTERS/Emiliano Grillotti FOR EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVES
Die Nachricht der Bergung der Überlebenden löste Hoffnung unter den Angehörigen der Vermissten aus. Sie warteten in einer Einrichtung in der Ortschaft Penne am Fuß des Gran Sasso auf Nachrichten von den Rettungsmannschaften. Die italienische Gesundheitsministerin, Beatrice Lorenzin, dankte den "heldenhaften Rettern", die pausenlos am Unglücksort im Einsatz seien. "Ich bin am Leben, weil ich aus dem Hotel gegangen bin, um meiner Frau Kopfschmerztabletten aus dem Auto zu holen", sagte der 38-jährige Koch Giampiero Parete, der als erster gerettet werden konnte.
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The Hotel Rigopiano in Farindola, central Italy, hit by an avalanche, is seen in this January 19, 2017 handout picture provided by Alpine and Speleological Rescue Team. Soccorso Alpino Speleologico/Handout via REUTERS ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. FOR EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVES

"Wir warten mit größter Sorge auf Nachrichten"

Zu den Vermissten zählt ein Ehepaar aus Osimo in der Provinz Ancona und ihr sieben Jahre alter Sohn. "Wir warten mit größter Sorge auf Nachrichten", sagte der Bürgermeister von Osimo, Simone Pugnaloni. Auch ein Paar aus Ascoli soll sich unter den Trümmern des Hotels befinden. Die Staatsanwaltschaft von Pescara ermittelt wegen Fahrlässigkeit. Angeblich sollen die örtlichen Behörden vor akuter Lawinengefahr gewarnt haben.

Lage weiter kritisch

Indes bleibt die Lage in dem verschneiten Bebengebiet in den Abruzzen und in den Marken weiterhin kritisch. Die Schneeräumung komme nur schleppend voran, weil wenige Fahrzeuge zur Verfügung stehen, klagten die Bewohner der Gegend. Mehrere Touristen steckten seit Tagen in Ortschaften am Apennin fest. Die Gegend wurde von den heftigsten Schneefällen seit Jahren heimgesucht. Am Mittwoch war es in der Region darüber hinaus zu Erdbeben mit Stärke von über 5 gekommen.

Die ersten Überlebenden hatten schon am Mittwoch per SMS Alarm geschlagen und um Unterstützung gebeten. "Hilfe, wir erfrieren", hatte einer der beiden Überlebenden einem Freund geschrieben. Erst in der Nacht auf Donnerstag erreichten die Retter nach einem stundenlangen Weg per Ski das in 1.200 Metern Höhe gelegene Hotel. Die Zufahrtsstraßen waren durch meterhohen Schnee blockiert, weswegen die Fahrzeuge neun Kilometer vor dem Skiressort halten mussten.

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A photo taken from a video shows the Hotel Rigopiano in Farindola, central Italy, hit by an avalanche, in this January 19, 2017 handout picture provided by Italy's Finance Police. Guardia Di Finanza/Handout via REUTERS ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. EDITORIAL USE ONLY.

Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung

Die Staatsanwaltschaft von Pescara leitete eine Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung ein. In der Ortschaft Penne zu Füßen des Gran Sasso wurde eine Unterkunft für die Angehörigen der Vermissten eingerichtet. Rettungseinheiten, Psychologen und Ärzte leisteten Hilfe.

Die meisten Gäste des Vier-Sterne-Hotels hatten sich zum Unglückszeitpunkt im Erdgeschoß des Gebäudes versammelt, um nach dem Erdbeben auf die Evakuierung zu warten. Auch Ausländer waren angeblich unter den Opfern. Unter den Touristen, die sich wohl noch im verschütteten Hotel befanden, sollen drei Rumänen sein, eine Mutter mit ihren zwei Kindern, teilte das Außenministerium in Bukarest mit.

135 Retter standen am Unglücksort im Einsatz. Es handelte sich um "eine komplexe und gefährliche Bergungsaktion", berichtete Zivilschutzsprecherin Titti Postiglione. Lawinenexperten seien im Einsatz, um die Gefährlichkeit der Lage zu prüfen. Das Militär machte die Straßen zum Hotel wieder befahrbar.

"Dieses Hotel war mein Zufluchtsort"

Das in den 1970er-Jahren erbaute Hotel mit Ausblick auf die Adria war kürzlich renoviert worden. Es wurde sehr oft für Kongresse und Seminare genutzt. Zu seinen Gästen zählten mehrere Prominente, darunter auch die bekannte TV-Moderatorin Barbara D ́Urso. "Dieses Hotel war mein Zufluchtsort. Ich kannte alle wunderbaren Angestellten des Hotels. Ich bete für sie und für die Rettungsleute, die in diesem Moment alles nur erdenklich Mögliche tun", schrieb die Moderatorin auf Facebook.

Auch Gianluca Ginoble, der Tenor des italienischen Sängertrios "Il Volo", kannte das Hotel gut. Er war mit dem Eigentümer befreundet. "Ich hätte dieser Tage im Hotel Rigopiano sein sollen. Ein Wunder hat mich gerettet. Doch ich bin wegen dieser Katastrophe zerstört", so der Sänger.

Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen
Karte Mittelitalien, Lokalisierung GRAFIK 0071-17, 88 x 55 mm

Auch US-Schauspieler George Clooney war einmal in dem Vier-Sterne-Hotel Rigopiano am Hang des Gran Sasso Massivs in den italienischen Abruzzen zu Gast, das am Mittwoch von einer Lawine verschüttet wurde. Der Schauspieler hatte im Herbst 2009 im Hotel übernachtet, als in der Gegend Szenen seines Films "The American" gedreht wurden, berichteten italienische Medien.

Ursprünglich war L'Aquila für einige Szenen des Films gewählt worden. Die Abruzzen-Hauptstadt wurde jedoch am 6. April 2009 von einem schweren Erdbeben mit über 300 Todesopfern heimgesucht. Clooney, der zu den Produzenten des Films zählte, hatte daraufhin nicht auf die bereits geplanten Dreharbeiten in den Abruzzen verzichten wollen. Sie wurden von L'Aquila in die nahegelegene Kleinstadt Sulmona verlegt.

Wiederaufbau von Mittelitalien

Abruzzen-Schnee entsteht durch extreme Temperaturunterschiede

Lawine in Italien: Zehn Vermisste lebend geborgen
A snowplow clears a snow-covered road in the village of Penne, after an avalanche engulfed the mountain hotel Rigopiano in Farindola, in earthquake-ravaged central Italy, on January 19, 2017. At least 25 people, including several children, were feared dead after a barrage of snow hit the Hotel Rigopiano on Wednesday afternoon, ripping the three-storey building from its foundations and moving it ten metres (11 yards). / AFP PHOTO / FILIPPO MONTEFORTE
Ursache der heftigen Schneefälle in den Abruzzen sind extrem große Temperaturunterschiede. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) trifft derzeit über Norditalien eiskalte Luft vom Balkan und den Alpen auf milde Mittelmeerluft. "Dadurch entstehen kräftige Niederschläge, die wegen der niedrigen Temperaturen am Boden als Schnee fallen", sagte ein Meteorologe des DWD am Freitag in Offenbach. Über Kroatien und Rumänien herrschen nach seinen Angaben Temperaturen von minus 10 bis minus 15 Grad Celsius. Das Mittelmeer ist vor Nordafrika gut 18 Grad warm, das Wasser in der Adria hat 10 bis 13 Grad. "Damit haben wir einen Temperaturunterschied von rund 30 Grad", sagte der Wetterforscher. Die Schneefallgrenze lag in Süditalien am Freitag bei 1000 Metern, in der Region um Rom bei nur 500 Metern.

Kritik am Krisenmanagement

Die Hilfsaktion für die verschütteten Gäste und Angestellten des von einer Lawine zerstörten Hotels Rigopiano in der Abruzzen-Ortschaft Farindola sei mit großer Verspätung angelaufen. Dies berichteten italienische Medien. Die Polizei habe nicht den Worten des an einer Gastronomieschule lehrenden Quintino Marcella geglaubt, der von einem seiner Köche über das Unglück informiert worden war. Der Koch, Giampiero Parete, hatte verzweifelt Marcella berichtet, dass das Hotel, in dem sich seine Frau und seine Kinder befanden, von einer Lawine weggerissen worden sei. "Ich habe sofort die Polizei angerufen. Doch man hat mir nicht geglaubt. Man hat mich durch sämtliche Büros durchverbunden. Ich habe alle möglichen Notrufnummern angerufen und habe Freunde in Farindola alarmiert", berichtete Marcella.

Erst nach über einer Stunde habe er einen Anruf von der Polizei erhalten. "Man sagte mir, man könnte mich wegen Falschalarm anzeigen, würden meine Aussagen nicht stimmen. Erst nach einigen Fragen haben sie mir endlich geglaubt", so Marcella. Laut Medienangaben sei die Hilfsmaschinerie erst Stunden später, gegen 20.00 Uhr, in Gang gesetzt worden. Die Rettungsmannschaften konnten wegen den extremen Wetterbedingungen erst am Donnerstag gegen 4.00 Uhr mit Skiern das verschüttete Hotel erreichen.

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