Mehr als 800 Flüchtlinge aufgegriffen

Blumen im Meer: Auf Lampedusa trauert man um die Toten des Flüchtlingsdramas.
Verschiedene Boote gerieten vor Italiens Küste in Seenot - die Flüchtlinge konnten gerettet werden.

Mehr als 800 Bootsflüchtlinge aus Afrika sind in der Nacht zum Freitag vor der italienischen Küste im Mittelmeer aufgegriffen worden: Zwei Militärschiffe der italienischen Marine haben etwa 400 Menschen aufgenommen, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete.

Weitere 250 Flüchtlinge seien vor Lampedusa an Bord von zwei Schnellbooten der Küstenwache gegangen. Sie waren etwa 25 Meilen vor der Insel in Seenot geraten. Ein Patrouillenboot der Küstenwache habe 95 Menschen aus Eritrea gut 100 Meilen südöstlich vor Lampedusa aufgegriffen, weitere 80 Flüchtlinge sind von einem Handelsschiff gerettet worden. Ihr Boot war 110 Meilen südlich von Lampedusa in Schwierigkeiten geraten. Die Einsatzkräfte brachten einige der geretteten Flüchtlinge vorerst auf die Insel. Die restlichen sollten an anderen Orte untergebracht werden, wie Ansa berichtete.

"Europa wird so untergehen"

Mehr als 800 Flüchtlinge aufgegriffen
The major of Lampedusa Giusi Nicolini
Damit konnte einFlüchtlingsdrama wie zuletztzwar verhindert werden, die Lage vor Lampedusa entspannt sich deshalb aber nicht. Vor dem EU-Gipfelhat die Bürgermeisterin der italienischen Mittelmeerinsel, Giusi Nicolini, eine Reform der europäischen Flüchtlingspolitik gefordert. "Die Asylpolitik der Europäischen Union muss geändert werden", sagte Nicolini am Donnerstag in Brüssel nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. "Ohne ein neues Asyl- und Einwanderungsrecht sind es nicht nur die Einwanderer, sondern Europa, das vor Lampedusa untergehen wird."

Nicolini forderte, dass Flüchtlinge schon in ihren Heimatstaaten in den Botschaften der EU-Staaten Asylanträge stellen können, um nicht die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer wagen zu müssen. Auch Schulz sprach sich für Änderungen aus. Seit Jänner seien auf der 6.000-Einwohner-Insel Lampedusa 140 Boote mit 13.075 Flüchtlingen angekommen.

Die EU-Einwanderungspolitik war durch die Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa mit mehr als 350 Toten Anfang Oktober heftig in die Kritik geraten. Das Thema steht am Freitag auf der Tagesordnung des EU-Gipfels, der am Donnerstagnachmittag in Brüssel begonnen hat.

Wie genau Flüchtlingsströme nach Österreich aussehen, zeigt die interaktive Landkarte:

(Die Karte lässt sich mit einem Klick auf das Kreuz-Symbol in der Leiste rechts oben bewegen).

45,2 Millionen Menschen – so viele Einwohner hat in etwa in Ukraine. Oder Argentinien, wenn man will. Genau so viele Menschen haben derzeit allerdings gar kein Zuhause: Laut einem jetzt vorgelegten UNHCR-Bericht befinden sich nämlich genau so viele Personen auf der Flucht - so viele, wie seit 1994 nicht.

Damals hatte der Völkermord in Ruanda und der Bosnien-Krieg dafür gesorgt, dass die Flüchtlingszahlen in die Höhe geschnellt waren. Derzeit sei es der Krisenherd Syrien, der die Menschen in die Flucht treibt, konstatiert das UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR in seinem jetzt veröffentlichten „Global-Trends-Bericht“.

Gerechnet werden dabei Menschen, die sowohl über Staatsgrenzen fliehen müssen als auch jene, die im eigenen Land vertrieben werden: Letztere machen den Hauptteil der Gesamtsumme aus – nämlich 28,2 Millionen Menschen. Markant ist laut der UN-Organisation dabei nicht nur die Gesamtzahl an Vertriebenen, sondern auch die Steigerungsrate. So viele Binnenvertriebene wie jetzt wurden noch nie registriert; zudem ist die Gesamtsumme an Flüchtlingen von 42,5 auf 45,2 Millionen gestiegen.

Alarmstimmung

Mehr als 800 Flüchtlinge aufgegriffen
epa03732652 Palestinian refugee children play inside their family home in Jabaliya refugee camp, northern Gaza Strip, 05 June 2013. EPA/ALI ALI
"Dies sind wahrlich alarmierende Zahlen. Sie spiegeln im gewaltigen Ausmaß individuelles Leid wider und zeigen die Schwierigkeiten der internationalen Staatengemeinschaft auf, Konflikte zu verhindern und rechtzeitig Lösungen für diese anzustreben", meinte UNO-Flüchtlingshochkommissar António Guterres zu dem Bericht.

Die Herkunftsorte sind allerdings nicht besonders zahlreich – und sie sind alle in den ärmeren Regionen der Welt zu finden: 55 Prozent aller Flüchtlinge weltweit stammen aus den Konfliktstaaten Afghanistan, Somalia, Irak, Syrien und Sudan - neue Massenfluchtbewegungen seien im Jahr 2012 in Mali, der Demokratischen Republik Kongo, dem Sudan (in Richtung des neuen Staates Südsudan) und Äthiopien registriert worden, so das UNHCR.

Arme Staaten

Die Hauptlast dieser Flüchtlingsbewegung schultern dementsprechend die umliegenden Staaten in diesen Regionen: 81 Prozent der Flüchtlinge weltweit leben in Entwicklungsländern. Vor zehn Jahren waren es noch 70 Prozent.

Die Liste der Hauptaufnahmestaaten wird demnach von Pakistan angeführt, das den Gutteil der afghanischen Flüchtlinge aufgenommen hat – 1,6 Millionen Vertriebene leben dort, in Deutschland Im Iran sind es knapp 870.000, Deutschland bietet beinahe 589.700 Menschen Asyl. Zum Vergleich: Österreich hat etwa 74.701 Flüchtlinge aufgenommen – umgekehrt werden 18 Österreicher als Flüchtlinge geführt.

Als Herkunftsland liegt weiterhin - wie schon seit 32 Jahren - Afghanistan mit 2,6 Millionen Flüchtlingen an der Spitze. Es folgen Somalia (1,1 Millionen), der Irak (746.440), Syrien (728.542) und der Sudan (569.212).

Rekord bei Minderjährigen

Einen Rekord registrierte das UNHCR auch bei minderjährigen Flüchtlingen. Unbegleitete Minderjährige, die von ihren Eltern getrennt sind, hätten im Vorjahr 21.300 Asylanträge eingereicht - der höchst jemals von UNHCR erfasste Wert. Insgesamt seien 46 Prozent aller Flüchtlinge weltweit Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

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