Vatikan-Experten ratlos

epa03615468 Austrian Cardinal Christoph Schoenborn, Archbishop of Wien, arrives at Synod Hall for the Congregation, Vatican City, 08 March 2013. The conclave of cardinals to elect a new pope will begin 12 March, the Vatican announced on 08 March. The decision was made after the last of the 115 cardinal-electors arrived in Rome on 07 March. EPA/MASSIMO PERCOSSI
Am Tag vor Beginn des Konklave scheint Entscheidung über Papst offen.

Wochenlang hatten die „Vaticanisti“ Hochsaison. Fast täglich präsentierten die Vatikan-Experten der italienischen Medien einen neuen Favoriten für den Stuhl Petri und fachsimpelten ausführlich darüber, welche der einflussreichen kirchlichen Lobbys genau diese Wahl möglich machen würden.

Seit einigen Tagen aber sind Spekulationen Mangelware. Die hochkarätigen Experten geben in ihren Medien nur noch bereits abgegriffene Weisheiten von sich oder geben offen zu, dass sie ratlos sind. Prognosen – wenn sich schon einmal jemand traut – werden von der Konkurrenz bestenfalls bezweifelt. Grund dafür ist auch das anhaltende Schweigen der meisten Kardinäle, die sich mit Interviews zurückhalten. Einen Tag vor dem Beginn des Konklave sind die Favoriten , die die Zeitungen vorstellen, die altbekannten.

Mailänder Bischof

Am höchsten gehandelt wird weiterhin der Mailänder Bischof Angelo Scola. Laut der römischen Zeitung La Repubblica kann er fix mit 40 Stimmen rechnen. Unterstützt wird der Italiener auch vom Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn. Der wiederum gilt selbst seit Langem als Mitfavorit für die Nachfolge von Benedikt XVI.

Allerdings, so schränkt die Vatikan-Expertin Franca Giansoldati gegenüber dem KURIER ein, habe sich Schönborn Feinde im Vatikan gemacht. Der Österreicher hatte ja Kardinal Sodano einst vorgeworfen, die Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Groer vertuscht zu haben.

Scola gilt vielen Kardinälen als Garant für eine klare Linie der Kirche. Er war nie Mitglied der Kurie und steht dieser von Intrigen und Affären belasteten Institution mit deutlicher Distanz gegenüber. Auch in Skandale war der Mailänder Bischof nie auch nur im Ansatz verwickelt. Das könnte ihm bei vielen Kardinälen Sympathiepunkte einbringen.

Im Mittelpunkt der Spekulationen steht auch diesmal wieder die Frage, ob der es endlich einen nicht-europäischen Papst geben könnte. Vor allem die amerikanischen Kardinäle sollen sich zusammengeschlossen haben, um einem der ihren den Rücken zu stärken. Beste Chancen werden in diesem Kreis dem Erzbischof im kanadischen Quebec, Marc Ouellet, gegeben. Der ausgewiesene Intellektuelle, der mehrere Sprachen spricht, wird allerdings eher zu den konservativen Hardlinern gezählt.

Ganz anders der aus Honduras stammende Kardinal Oscar Andres Rodriguez. Der scharfe Kritiker der Globalisierung gilt derzeit als das neue Schwergewicht der Kirche in Lateinamerika. Gerade auf dem Kontinent, wo die katholische Kirche immer härtere Konkurrenz durch evangelikale Kirchen bekommt, wäre seine Wahl eine bedeutende Stärkung.

Der andere Latino, der gute Aussichten auf das Papstamt hat, trägt den nicht gerade spanischen Namen Odilo Scherer. Der 63-jährige Kardinal im brasilianischen Sao Paolo ist das siebente Kind einer Familie, die einst aus dem Saarland nach Brasilien ausgewandert war. Er gilt allerdings in seiner Heimat als eher konservativ, vor allem in sozialen Fragen.

Wirklich kühne Spekulationen sind also vor Beginn des Konklave keine zu erwarten. Denn wenn in der Sixtinischen Kapelle einmal die Türen geschlossen und die Handys ausgeschaltet sind, dann hängt die Entscheidung von der Eigendynamik der Versammlung ab. Ein kurzes Konklave, wie es die Italiener angeblich bevorzugen, oder ein langes, wie es die Amerikaner wünschen: Das kann die Entscheidung maßgeblich beeinflussen.

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