Kampf gegen Umwelt-Verbrechen

A man walks as crude oil spills from a pipeline in Dadabili, Niger state April 2, 2011. Nigeria postponed parliamentary elections nationwide until Monday after voting materials failed to arrive in many areas, a major blow to hopes of a break with a history of chaotic polls in Africa's most populous nation. Voting materials also failed to arrive in large parts of the southern oil-producing Niger Delta. REUTERS/Afolabi Sotunde (NIGERIA - Tags: ENVIRONMENT ENERGY IMAGES OF THE DAY)
Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag soll Vernichtung von Öko-Systemen ahnden.

Lila-gelblich schimmert der Nigerfluss in der Sonne, wenn sich die stinkenden Öl-Teppiche träge Richtung Meer schieben. Im „Wasser“ – kein Leben mehr. Am Ufer – tote Bäume. Im Landesinneren – die Existenzgrundlage Zehntausender Menschen zerstört. Seit 50 Jahren wird im Delta Erdöl gefördert. Lecke Pipelines, illegale Anzapfungen derselben und – in jeder Hinsicht – schwarze Raffinerien haben zu einer Umweltkatastrophe gigantischen Ausmaßes geführt.

1,6 Milliarden Liter Öl sollen seit den Sechzigerjahren ausgelaufen sein (damit könnte man ein Einfamilienhaus 400.000 Jahre lang beheizen). Das ist sogar das Doppelte jener Menge, die nach dem bisher größten „Öl-GAU“ 2010 freigesetzt wurde – nach der Explosion der Öl-Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko.

„Ökozid“

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Ökozid“ nennt das die schottische Umweltaktivistin und Anwältin Polly Higgins in Anlehnung an den Genozid. Und gleichermaßen wie der Völkermord soll künftig auch eine „erhebliche Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust von Ökosystemen“ und die damit verbundene starke Einschränkung der „friedlichen Nutzung des Gebietes durch seine Bewohner“ vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) einklagbar sein. Einen entsprechenden Antrag hat die Juristin bei der UNO eingebracht.

Sie habe vor 24 Jahren einige Zeit in Wien verbracht, sagte Higgins am Mittwoch bei einem Pressegespräch in der Bundeshauptstadt, und dabei auch den Künstler Friedensreich Hundertwasser kennengelernt. „Er lehrte mich, dass wir mit der Natur in Harmonie leben können.“

Appell an Österreich

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Österreich sei in dieser Hinsicht sehr fortschrittlich, weil es auf Atomkraft und Gentechnik verzichte. Daher hofft die Anwältin, die sich im Rahmen der „Erdgespräche“ in Wien aufhält, dass die Republik in der „Ökozid“-Debatte die „moralische Führungsrolle“ übernimmt: „Wir brauchen nur einen Staat, der aufsteht und eine Änderung des Römischen Statuts fordert.“

Zur Erklärung: Das Statut (siehe unten) ist die rechtliche Basis für den IStGH. Soll „Ökozid“ als fünftes einklagbares Verbrechen dazukommen, müsste einer der 121 Vertragsstaaten einen entsprechenden Antrag stellen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit könnte dies dann beschließen. Derzeit sammelt auch eine Europäische Bürgerinitiative Unterschriften für ein globales „Ökozid“-Gesetz.

Im Lebensministerium von Nikolaus Berlakovich zeigte man sich auf KURIER-Anfrage sehr vage, ob Österreich ein solches Gesetz international einfordern werde: „Wir sperren uns nicht gegen das Thema“, so eine Sprecherin. Da es sich dabei aber um Völkerrecht handle, seien das Justiz- und Außenministerium zuständig.

Koalitionsbedingung

Die Mitbegründerin der österreichischen Grünen, Freda Meissner-Blau, drängt die (nächste) Bundesregierung ebenfalls dazu, einen entsprechenden Vorstoß zu unternehmen: „Wir als kleines Land haben dafür eine bessere Ausgangslage.“ Zudem wäre das eine gute Gelegenheit, „unser derzeit so ramponiertes Image in Brüssel“ aufzupolieren. Für die Grande Dame der heimischen Umweltszene ist die „Ökozid“-Frage eine absolute Koalitionsbedingung für eine etwaige Regierungsbeteiligung der Grünen nach den kommenden Wahlen.

„Seit mehr als 40 Jahren setze ich mich für die Rettung der Welt ein“, sagte Freda Meissner-Blau, „wenn das ,Ökozid‘-Gesetz eingebracht würde, hätte ich endlich das Gefühl, mein Engagement wäre nicht umsonst gewesen.“

FILMTIPP: Climate Crimes – ein Film von Ulrich Eichelmann über die Umweltverbrechen weltweit. DVD (54 Minuten) zum Preis von 15 Euro (inklusive Versand). Bestellbar unter der eMail-Adresse info@riverwatch.eu

Neben der Öko-Katastrophe im Niger-Delta orten Umweltaktivisten zahlreiche weitere Fälle eines „Ökozids“ – wobei auch die Bienen-Diskussion in Österreich ins Spiel kommt. Eine kleine Auswahl.

Pestizid-Einsatz Würden Bienenvölker dadurch vernichtet, sollten die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Amazonas-Abholzung Seit 2003 wurde der „Lunge der Welt“ eine Waldfläche so groß wie Großbritannien herausgerissen.

Arktis Der Wettlauf um die Ressourcen um den Nordpol würde die Natur unwiederbringlich zerstören.

Bleiproduktion in China In der Provinz Anhui leiden 140.000 Menschen an Schwermetallvergiftungen – verursacht durch die örtlichen Bleihütten und Fabriken, die Batterien recyceln.

Plastik-Insel“ im Pazifik In der Größe der Fläche von Texas bewegt sich eine schwimmende Insel aus Millionen Tonnen Plastikabfall in einem gigantischen Wirbel im Uhrzeigersinn zwischen Hawaii und Japan.

Fracking Die umstrittene Gewinnung von Schiefergas will die britische Juristin und Umweltaktivistin Polly Higgins nicht a priori als einen „Ökozid“ bezeichnen, aber es würden „alle Alarmglocken“ läuten.

Römisches Statut

1998 fand in der italienischen Hauptstadt eine Staatenkonferenz statt, welche das Römische Statut annahm, um schwere Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu ahnden. Das Statut trat am 2002 in Kraft. Derzeit haben sich 121 Staaten an das Statut gebunden. Nicht dabei sind wichtige Staaten wie die USA, Russland, China, Indien, Pakistan, die Türkei oder Israel.

Vier Delikte

Der IStGH urteilt über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen der Aggression. Im Vorjahr erging das erste Urteil. Ein Milizführer im Kongo, der Kindersoldaten rekrutiert hatte, erhielt 14 Jahre Haft.

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