"Schönborn hat Feinde im Vatikan"

Franca Giansoldati, Vatikanexpertin der römischen Tageszeitung "Il Messaggero"
Zwei Tage vor Beginn des Konklaves analysiert die Vatikanexpertin Franca Giansoldati.

Die Vatikanexpertin der Tageszeitung Il Messaggero, Franca Giansoldati, erklärt gegenüber dem KURIER die aktuellen Herausforderungen der Kirche vor der Papstwahl und warum der „Vatileaks“-Skandal den Konklave-Beginn hinauszögerte.

KURIER: Warum haben sich die Kardinäle solange mit der Bekanntgabe des Konklave-Termins Zeit gelassen?

Franca Giansoldati: Je näher das Konklave rückt, desto weniger dringt aus dem Vatikan nach draußen. Es gibt zwei Blöcke – die Kardinäle der römischen Kurie und der internationale Block –, die eine heiße Debatte führen. Viele Kardinäle, etwa jene aus Afrika, wissen sehr wenig über den „Vatileaks“-Skandal, über finanzielle und moralische Probleme der Kurie, der Verwaltung des Heiligen Stuhls. Sie möchten genügend Zeit haben, um die Lage besser zu verstehen, bevor sie in die Sixtinische Kapelle einziehen. Kardinal Bertone hat nicht alle umfassend über die Details zu „Vatileaks“ informiert. Die amerikanischen Kardinäle sind besser im Bild, weil sie mit dem Apostolischen Nuntius in den USA, Carlo Maria Vigano, im Gespräch waren. Der einstige Verantwortliche der Vatikan-Verwaltung setzte sich stark für Korruptionsbekämpfung ein und wurde nach Amerika strafversetzt.

Noch vor dem Konklave sind neue „Raben“, als Informanten, aufgetaucht, die mit einer neuen Veröffentlichungswelle geheimer Dokumente drohen.

Das ist eine klare drohende Botschaft um zu sagen: „Achtung wir haben noch viele weitere Dokumente.“ Man muss festhalten, dass nach dem Rauswurf des Ex-Präsidenten der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, keine Leaks mehr den Weg an die Öffentlichkeit fanden. Jemand wollte offenbar Druck machen, um seine Kündigung zu erreichen.

Haben sie einen Wunschkandidaten als Papstanwärter?

Nein. Ich sehe eine Kirche, die leidet, ichbezogen agiert und wenig auf die Bedürfnisse der Welt eingeht. Ich hoffe, dass ein Kardinal das Rennen macht, der eine Weitsicht hat und die Bedürfnisse der Gläubigen auf der ganzen Welt berücksichtigt.

Die Missbrauchsopfer-Vereinigung Snap forderte den Ausschluss von zwölf Kandidaten aus dem Konklave, weil sie das Thema verharmlost hätten.

Meiner Meinung nach wird das medial hochgespielt. Die Kirche hat mit Bekämpfung und Aufklärung in den Missbrauchsfällen längst begonnen. Die Herausforderung ist, Transparenz in der Kirchenführung zu schaffen, für eine saubere, offene und nicht wie bisher undurchsichtige Regierung.

Wie schätzen Sie die Chancen für Kardinal Schönborn ein?

Schönborn ist eine „figura fantastica“, ein super Kandidat. Aber er hat das Problem, dass er sich Feinde im Vatikan gemacht hat, nachdem er sich mit Sodano angelegt hat. (Anm. Schönborn kritisierte Kardinal Sodano, die Missbrauchsvorwürfe gegen Groer vertuscht zu haben). Außerdem glaube ich nicht, dass nach einem deutschen Papst ein Österreicher an die Macht kommt.

Ist die Zeit reif für einen „schwarzen Papst“, wie die röWerbeplakate - Kampagne für Kardinal Turkson suggeriert?

Ich denke, dass die Zeiten vorher noch reif für einen Kardinal aus Nord- oder Südamerika sind. Das Christentum ist in Afrika erst seit zwei Jahrhunderten präsent.

Wann werden wir eine Päpstin erleben?

Nie. Da stirbt die Kirche vorher.

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