Immer mehr Drogentote in Europa

Viele Drogen-Tote stehen im Zusammenhang mit Heroin.
Drogenbericht: 8.441 Opfer in EU, Norwegen und Türkei. Deutlich mehr Männer als Frauen.

In der europäischen Drogenszene gibt es keine dramatischen Veränderungen, wohl aber tragische Tendenzen im Detail: Die Zahl der Todesfälle speziell durch Überdosierungen von Heroin und Opioiden ist zum dritten Mal in Jahresfolge gestiegen. Das sind die Kernpunkte des Europäischen Drogenberichts 2017, der am Dienstag von der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) in Lissabon publiziert worden ist.

"Im Jahr 2015 kam es in der Europäischen Union zu schätzungsweise mindestens 7.585 Todesfällen aufgrund von Überdosierungen, bei denen mindestens eine illegale Droge nachgewiesen wurde. Unter Einbeziehung Norwegens und der Türkei beläuft sich die Zahl der Todesfälle auf schätzungsweise 8.441. Dies entspricht einem Anstieg um sechs Prozent gegenüber dem berichtigten Wert des Vorjahres von 7.950 Fällen (...)", heißt es in dem Report. 78 Prozent dieser Todesfälle stünden mit Opioiden (vor allem Heroin, Morphin, synthetische Opioide) im Zusammenhang.

Deutlich mehr Heroin-Tote

Die aktuellsten erhältlichen Daten würden jedenfalls einen Anstieg der Zahl der heroinbedingten Todesfälle in Europa belegen. In England und Wales seien bei 1.200 der im Jahr 2015 erfassten Todesfälle Heroin oder Morphin nachgewiesen worden. "Dies entspricht einer Zunahme um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um 57 Prozent gegenüber dem Jahr 2013", schrieben die Experten. Auch in Schottland, Irland und der Türkei sei eine solche Entwicklung zu beobachten.

Immer mehr Drogentote in Europa
Zahl der Konsumenten nach Art der Drogen - Säulengrafik, Illus Grafik 0580-17, Format 88 x 70 mm
Neben Heroin sind es aber auch andere Opioide, die an den Überdosierungen - zumeist im Kombination mit anderen Substanzen (Tranquilizer, Alkohol) - beteiligt sind. "... in erster Linie Methadon und Buprenorphin, aber auch Fentanyle und Tramadol". Während Methadon und Buprenorphin klassische Substitutionsmedikamente sind, stammt Tramadol aus der Schmerzmedizin. Fentanyl als synthetisches Opoid wird in der Anästhesie und in der Schmerzmedizin (z.B. Schmerzpflaster) verwendet. Es ist hundertfach potenter als Morphin und deshalb speziell gefährlich, was Überdosierungen angeht. Ohne wirksame Opioide ist andererseits eine ausreichende Schmerzbehandlung bei schweren chronischen Schmerzen nicht möglich. In Österreich ist bisher eine Fentanyl-Problematik aus medizinischen Quellen nicht beobachtet worden. Das hängt mit der Verschreibungspraxis zusammen. Die Situation in den USA und Kanada ist da offenbar gänzlich anders.

Drei Mal mehr Männer als Frauen

2015 betrug die Mortalitätsrate in Zusammenhang mit Überdosierungen 20,3 Todesfälle je Million Einwohnern (15 bis 64 Jahre). Unter den Männern lag sie mit 32,2 Todesfällen pro Million Einwohnern dreimal höher als bei Frauen (8,4). Die höchsten Todesraten durch Drogenkonsum werden in Nordeuropa registriert, so zum Beispiel in Estland mit 103 Todesfällen pro Million Einwohnern, in Schweden (100) und in Norwegen (76).

Die Produzenten illegaler Drogen sind auf den Zug in Richtung des Gebrauchs hoch potenter synthetischer Opioide längst aufgesprungen. "Seit 2009 wurden auf dem europäischen Drogenmarkt insgesamt 25 neue Opiode festgestellt - davon wurden neun erstmals im Jahr 2016 gemeldet. Hierzu zählen 18 Fentanyle, von denen acht erstmals 2016 gemeldet wurden", heißt es im Europäischen Drogenbericht 2017. Zwar spielten diese Substanzen auf dem Drogenmarkt in Europa noch eine untergeordnete Rolle, sie stellten aber eine "ernst zu nehmende Bedrohung" dar.

Situation in Österreich

In Österreich weisen zwischen 29.000 und 33.000 Menschen einen risikoreichen Opioid-Konsum auf (Österreichischer Drogenbericht). Diese Zahl ist relativ stabil. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Zahl dieser Drogenkonsumenten von 2004/2005 bis 2015 von rund 10.000 auf 3.000 gesunken. So wie in Europa negativ ist allerdings die aktuelle Tendenz bei den Drogentoten: 2014 gab es mit 122 Todesfällen, die direkt mit Suchtgiftkonsum in Verbindung gestanden sind, ein Minimum (2009 zum Beispiel 206 Todesfälle). Im Jahr 2015 wurden allerdings wieder 153 "Drogentote" registriert. Vor allem ältere und nicht im Substitutionsprogramm betreute Drogenkranke waren betroffen.

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