100 Tote bei Bootsunglück im Mittelmeer befürchtet

Zunächst war von mindestens fünf Todesopfern die Rede gewesen.

Bei einem Bootsunglück im Mittelmeer könnten nach Angaben von Überlebenden hundert Menschen ums Leben gekommen sein. Die Überlebenden des Unglücks vom Mittwoch, die nach ihrer Ankunft im sizilianischen Porto Empedocle befragt wurden, hätten von hundert Vermissten gesprochen, sagte ein Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM) am Donnerstag.

Bei einem zweiten Unglück wurden bis zu 30 Tote befürchtet.

IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo sagte, die Überlebenden hätten ausgesagt, rund hundert Menschen seien im Rumpf des gekenterten Bootes gewesen. Das völlig überladene Fischerboot war am Mittwoch vor der libyschen Küste gekentert, als sich ihm ein italienisches Marineschiff näherte. Die Marine hatte anschließend erklärt, 562 Menschen seien gerettet worden, doch seien mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen.

Marokkaner, Syrer und Tunesier

Di Giacomo sagte nun aber, die Überlebenden hätten berichtet, bei der Abfahrt in Libyen hätten sich 650 Menschen an Bord befunden. Die Mehrheit von ihnen seien Marokkaner gewesen, eine Nationalität, die bisher unter den Flüchtlingen aus Libyen kaum vertreten war. Außerdem seien auch viele Tunesier und zwei syrische Familien an Bord gewesen, die seit langem in Libyen lebten.

Der IOM-Sprecher hob zudem hervor, dass es selten sei, dass ein solch großes Boot mit einem Stahlrumpf und so vielen Flüchtlingen an Bord aus Libyen startet. Sonst kämen solche Boote vor allem aus Ägypten. Di Giacomo sagte, sollten sich die Berichte der Überlebenden zur Zahl der Opfer bestätigen, wäre es "eine der größten Tragödien auf See" seit Beginn der Flüchtlingskrise im Mittelmeer.

10.000 Menschen seit Montag gerettet

Wegen des guten Wetters kommen derzeit besonders viele Flüchtlinge über das Mittelmeer. Laut der italienischen Küstenwache wurden in den vergangenen vier Tagen 10.000 Menschen gerettet. Allein am Donnerstag wurden bei 22 Rettungseinsätze rund 4000 Flüchtlinge geborgen. Allerdings starben bei einem weiteren Schiffsunglück nach ersten Angaben 20 bis 30 Menschen.

Ein luxemburgisches Flugzeug habe 65 Kilometer vor der libyschen Küste ein gekentertes Boot entdeckt, teilte ein Sprecher der EU-Marinemission "Sophia" mit, die im Mittelmeer gegen Schlepper vorgeht. Dutzende Flüchtlinge hätten auf dem Rumpf gestanden, der bereits unter der Wasseroberfläche schwamm, während 20 bis 30 Leichen im Wasser getrieben seien. Demnach konnten 96 Menschen gerettet werden.

100 Tote bei Bootsunglück im Mittelmeer befürchtet
epa05330292 A handout still image grabbed from a video released by Italian Coast Guard press office on 26 May 2016 shows a 9-month-old refugee baby arriving in Lampedusa without parents, in Lampedusa, Sicily Island, Italy, on 25 May 2016. The baby girl named 'Favour' from Mali travelled in a boat with her pregnant mother and father that did not survive the boat ride. Favour, that was cared for by island's doctor Pietro Bartolo, is now in police care reports state. The boat, carrying some 120 people, reportedly capsized after people onboard rushed to the other side after seeing a rescue vessel. EPA/ITALIAN COAST GUARD / HANDOUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Symbol der Krise

Unterdessen wurde ein Waisenkind aus Mali zum neuen Symbol der Flüchtlingskrise: Die neun Monate alte Favour traf am Mittwoch auf der Insel Lampedusa ein - ohne ihre Eltern, die beim Kentern ihres Flüchtlingsbootes am Dienstag ertranken. Der italienische Arzt Pietro Bartolo, der durch den Dokumentarfilm "Fuocoammare" bekannt geworden ist, kündigte an, das Waisenkind aufzunehmen.

"Ich habe beantragt, dass sie in meine Obhut kommt", sagte Bartolo. Das Mädchen und seine Eltern gehörten zu rund 120 Insassen eines Bootes, in dem vor allem Flüchtlinge aus Mali und Nigeria über das Mittelmeer nach Italien unterwegs waren. Das Boot kenterte am Dienstag, als die Insassen ein zu ihrer Rettung eintreffendes Schiff sahen und auf dieselbe Bootsseite stürmten.

EU will für 67 Millionen Euro Drohnen kaufen

Die EU will für insgesamt 67 Millionen Euro Drohnen zur Überwachung ihre Seegrenzen anschaffen. Das berichtete die Bild-Zeitung unter Berufung auf die Antwort der deutschen Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage. Die unbemannten Flugzeuge sollten einerseits kleine Schlauchboote aufspüren, in denen Flüchtlinge versuchen, europäische Inseln oder europäisches Festland zu erreichen.

Andererseits sollten die Drohnen dabei helfen, die Einhaltung von Umweltstandards wie etwa Emissionsvorschriften zu überprüfen. Linken-Politiker Andrej Hunko kritisierte die Pläne: "Die geplante Aufrüstung mit Drohnen und Satelliten dient vor allem der Abschottung von Migration."

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