Ukraine-Konflikt: Gefangene sollen ausgetauscht werden

Prorussische Separatisten in der Ostukraine
Trotzdem kein Ende der Gewalt in der Ostukraine. Aber es regt sich Unmut bei den Separatisten über Putin.

Die Gespräche in Minsk haben erste konkrete Vereinbarungen gebracht: Die ukrainische Armee und die prorussischen Separatisten haben den gegenseitigen Austausch von 20 Gefangenen vereinbart. "Die Männer werden in Kürze freigelassen", sagte der ukrainische Ex-Präsident Leonid Kutschma, der an den Verhandlungen in der weißrussischen Hauptstadt als Vermittler teilgenommen hatte, am Freitag in Kiew. Die Freilassung dieser Personen sei ein wichtiges Element, um einen beiderseitigen und stabilen Waffenstillstand zu erreichen, so die OSZE im Vorfeld.

Die Aufständischen hätten außerdem zugesagt, internationalen Ermittlern einen gesicherten Zugang zum Absturzort des malaysischen Flugzeugs zu gewährleisten.

70 Experten nehmen Arbeit an Absturzstelle auf

Ein Team von 70 Experten hat heute auch schon seine Arbeit am Absturzort aufgenommen. Die niederländischen und australischen Spezialisten seien am Vormittag an der Absturzstelle eingetroffen und würden nun die Suche nach den noch vermissten Opfern beginnen, teilte das niederländische Justizministerium mit. Die Niederlande haben die Führung bei dem Einsatz, da 193 der 298 Insassen der Boeing Niederländer waren. Mit 28 Toten kam die zweitgrößte Opfergruppe aus Australien.

Die Boeing der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord war am 17. Juli abgestürzt. Prorussische Rebellen werden verdächtigt, sie mit einer Rakete abgeschossen zu haben.

Warnung vor russischem Eingreifen

Die Lage bleibt aber auch nahe der Absturzstelle angespannt und gefährlich: In der Nacht auf Freitag sind bei Kämpfen in der näheren Umgebung nach Armeeangaben 14 Menschen getötet worden. Unter den Toten in der Stadt Schachtarsk seien mindestens zehn Regierungssoldaten, teilte ein Sprecher der Streitkräfte mit. Vier Leichen seien noch nicht identifiziert, bei ihnen könne es sich "um ukrainische Soldaten oder Terroristen" handeln, wie die Separatisten von Kiew bezeichnet werden. Schachtarsk liegt rund 25 Kilometer von der Absturzstelle entfernt.

Der Russland-Beauftragte der deutschen Regierung, der SPD-Politiker Gernot Erler, hat nun laut Spiegel vor einem Eingreifen Russlands auf Seiten der Separatisten im Ukraine-Konflikt gewarnt. Erler zufolge stehe Russlands Präsident Wladimir Putin "unter sehr starkem Druck, die von ihm unter Schutz genommenen russischsprachigen Bewohner in der Ostukraine nicht im Stich zu lassen." Und: "Wenn die Separatisten in die Nähe einer militärischen Niederlage kommen, dann kann niemand ein direktes Eingreifen Russlands über die Grenze hinweg ausschließen."

Rebell: "Wir sind Russlands Kanonenfutter"

Die russischen Separatisten werden von den Soldaten der ukrainischen Armee immer weiter zurückgedrängt und Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin wird laut. Eingekesselt in ihren letzten beiden Hochburgen Donezk und Luhansk (Lugansk) beklagen sie, dass sie sowohl zahlenmäßig als auch in der Bewaffnung den Soldaten unterlegen seien. "Oh wie gern hätten wir die russische Armee hier", sagt ein Kämpfer, der sich Pawel nennt und vor dem Hauptquartier der Rebellen in Donezk steht. "Wenn sie hier wäre, dann wäre die ukrainische Grenze 300 Kilometer weiter im Westen und Süden", fügt er hinzu. "Aber sie kommen nicht."

Während die Anführer der Separatisten Waffenlieferungen aus Russland bestreiten, sagte Pawel, sie hätten militärische Ausrüstungen von dort bekommen, darunter auch Mehrfach-Raketenwerfer. "Das ist aber nur ein Bruchteil dessen, was wir brauchen", erklärt er. "Wir brauchen Leute, erfahrene Leute." Putin wolle aber das Geld Russlands und der Oligarchen nicht ausgeben.

Ein anderer Kämpfer, der seinen Namen nicht nennen will, fordert: "Russland muss in Noworossija einmarschieren." Den Begriff, der Neu-Russland bedeutet, hatte Putin einst selbst für die Gebiete im Osten der Ukraine gewählt. "Das ist russische Erde", sagt der Kämpfer. Jeder Tag, an dem man auf Waffen und Truppen warte, bedeute mehr Tote. "Irgendwie haben wir das Gefühl, wir sind Russlands Kanonenfutter."

Es ist allerdings nicht klar, wie weit die Frustration in den Reihen der Separatisten geht. Keiner der sich kritisch äußerte, wollte seinen vollen Namen nennen.

Wenn "gewisse Leute" in Russland gewisse Dinge über andere Leute sagen, so findet das Gehör. Eben so ein "gewisser Mensch" ist Andrej Kolesnikow, seines Zeichens Journalist und in dieser Funktion vor allem Sprachrohr von Russlands Präsident Wladimir Putin, wenn es darum geht, Pläne oder Anliegen zu ventilieren. Und wenn eben dieser Andrej Kolesnikow schreibt, dass Putin die Aufständischen in der Ostukraine jederzeit fallen lassen würde, sollte sich herausstellen, dass diese den Flug MH 17 abgeschossen hätten, so setzt das ein Uhrwerk an Spekulationen in Gang. Weil eben keiner glaubt, dass derartiges von einem wie ihm einfach beiläufig geschrieben wird.

In seiner jüngsten Kolumne schrieb Kolesnikow sinngemäß: Sollte es an einem gewissen Punkt klar werden, dass die Aufständischen mit dem Abschuss zu tun hätten, würde das radikal Putins Haltung zu ihnen verändern – auch wenn es sich um einen fatalen Fehler gehandelt habe. Kinder, die für nichts gestorben seien, ebenso wie Erwachsene und ältere Menschen – das sei eine "Rote Linie", die er, Putin, nicht übertreten werde. Der Kremlchef werde nicht jene decken, die dafür verantwortlich seien, wenn er sich sicher sei, dass sie es getan hätten. "Diese Sünde würde er nicht auf seiner Seele tragen. Das ist es nicht wert."

Mehr zu den Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf die österreichische Wirtschaft gibt es hier.

Nur ein Testballon?

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Kolesnikow auf äußerst gute Beziehungen zum Kreml zählen kann. 2010 hatte er etwa Putins Kandidatur zur dritten Amtszeit 2012 voraus-geschrieben – um nur ein Beispiel zu nennen. In russischen Medien wird jetzt also gerätselt: Zeichnet sich da eine Exit-Strategie Moskaus aus dem Ukraine-Konflikt ab oder handelt es sich um einen politischen Testballon?

Klar ist: Bei allen Fragezeichen, was Russlands Verbindungen zu den Separatisten in der Ukraine angeht, für die Separatisten sieht es derzeit alles andere als gut aus, was den Ukraine-Konflikt betrifft. Sie sind nach wochenlangen heftigen Kämpfen schwer in der Defensive. Was sich im Donbass sowie in der Region Lugansk abspielt, trägt die Züge eines letzten Aufbäumens, während die beiden Hochburgen der Rebellion, Donezk und Lugansk, praktisch belagert werden.

In dieser Lage zeichnete sich auch an diplomatischer Front Bewegung ab: Für Donnerstag war ein Treffen von Vertretern der Ukraine, der Separatisten, Russlands sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Weißrusslands Hauptstadt Minsk geplant. Die Separatisten sagten am Donnerstag ihre Teilnahme zu. Unklar war, ob sie einen Vertreter direkt zu den Gesprächen entsenden oder über Live-Schaltung vertreten sein würden. Am Donnerstag hieß es auch, das Treffen könne wegen organisatorischer Fragen eventuell erst am Freitag starten.

Besprochen werden sollten Fragen der internationalen Untersuchung des MH-17-Absturzes sowie ein Gefangenenaustausch. Laut Angaben aus Kiew haben die Separatisten 161 ukrainische Soldaten in ihrer Gewalt.

"Tag des Schweigens"

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Kolesnikow auf äußerst gute Beziehungen zum Kreml zählen kann. 2010 hatte er etwa Putins Kandidatur zur dritten Amtszeit 2012 vorausgeschrieben – um nur ein Beispiel zu nennen. In russischen Medien wird jetzt also gerätselt: Zeichnet sich da eine Exit-Strategie Moskaus aus dem Ukraine-Konflikt ab oder handelt es sich um einen politischen Testballon?

Klar ist: Bei allen Fragezeichen, was Russlands Verbindungen zu den Separatisten in der Ukraine angeht, für die Separatisten sieht es derzeit alles andere als gut aus, was den Ukraine-Konflikt betrifft. Sie sind nach wochenlangen heftigen Kämpfen schwer in der Defensive. Was sich im Donbass sowie in der Region Lugansk abspielt, trägt die Züge eines letzten Aufbäumens, während die beiden Hochburgen der Rebellion, Donezk und Lugansk, praktisch belagert werden.

Auch auf diplomatischer Ebene zeichnete sich Bewegung ab: Der ukrainische Ex-Präsident Leonid Kutschma, der russische Botschafter in der Ukraine, Michail Surabow, und ein Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind am Donnerstag zu Krisengesprächen in Weißrusslands Hauptstadt Minsk zusammengetroffen. Sie verständigten sich bereits auf einen „sicheren Korridor“ für die internationalen Experten zur Absturzstelle der malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine.

Das Treffen ging auf einen Vorschlag des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zurück. Heute könnten Vertreter der Separatisten zu den Gesprächen hinzustoßen. Besprochen werden soll auch ein Gefangenenaustausch. Laut Angaben aus Kiew haben die Separatisten 161 ukrainische Soldaten in ihrer Gewalt.

„Tag des Schweigens“

Am Donnerstag wurden jedenfalls die Kämpfe in der Region eingestellt. Von einem „Tag des Schweigens“ war die Rede. Die Armee, so hieß es seitens des ukrainischen Generalstabes, würde die Offensive gegen die Separatisten für einen Tag einstellen. Damit komme man einer Bitte von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon nach, um internationalen Ermittlern Zugang zur MH-17-Absturzstelle zu ermöglichen. 80 Leichen sollen noch nicht geborgen sein.

Nach tagelangen erfolglosen Bemühungen gelang es dann einem Team der OSZE sowie niederländischer und australischer Ermittler zu der Absturzstelle vorzudringen. Auch russische Ermittler waren auf dem Weg dorthin.

Kriegssteuer

Das Parlament in Kiew stimmte der möglichen Entsendung ausländischer Soldaten zum Schutz der Ermittlungen an den Ort des Absturzes zu. Das Mandat für 250 Polizisten, Soldaten und Zivilisten gilt für niederländische und australische Kräfte.

Auch einen innenpolitischen Beschluss fasste die Oberste Rada in Kiew: Sie lehnte den zuletzt verkündeten Rücktritt von Premier Arseni Jazenjuk mit großer Mehrheit ab. Jazenjuk war im Streit um ein Nachtragsbudget zurückgetreten. Auch dieses wurde nun beschlossen. Es beinhaltet eine Kriegsabgabe von 1,5 Prozent auf alle Einnahmen sowie höhere Abgaben für Tabakwaren und Rohstoffförderung.

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