"Gefängniskrise": Zu wenig Häftlinge

Weniger Verbrechen – und viele leere Zellen. Die Niederlande fanden kreative Wege, sie wieder zu nutzen.

Glückliche Niederlande! Während in den meisten anderen Staaten die Gefängnisse übergehen, kämpft das Land mit dem genau gegenteiligen Problem: Ein Drittel aller niederländischen Gefängniszellen steht leer. Und in den kommenden fünf Jahren werden weitere 3000 Zellentüren offen bleiben, weil keiner mehr dort seine Strafe absitzen wird. In den vergangenen drei Jahren hat die Regierung in Den Haag ein Drittel der 60 Gefängnisse des Landes zugesperrt.

Was aber tun mit dem vielen frei werdenden Raum? Und mit Hunderten Sicherheitsbeamten, die mangels zu bewachender Delinquenten ihren Job verlieren dürften? Die "Gefängnis-Krise" der besonderen Art zwang die Niederlande, kreativ zu denken.

So wurden nun Haftanstalten zu Wohnheimen für Asylsuchende umfunktioniert – wie etwa das über hundert Jahre alte Kuppelgefängnis in Haarlem. Stachdrahtzäune wurden abgebaut, der Garten begrünt, die riesige Fläche unter der Kuppel dient als Sportplatz und Treffpunkt. Frühere politische Gefangene, die in den Niederlanden auf Asyl hoffen, werden allerdings nicht in den umgebauten Gefängnissen untergebracht, schildert Jan Anholts, ein Sprecher der Asylaufnahmebehörde, einem Reporter des New York Times: "Wir wollen, dass sich die Leute sicher fühlen" – aber nicht an düstere Gefängniszeiten erinnert werden.

Gefängnis zu vermieten

Und mit einer weiteren Idee machen die Niederlande derzeit gutes Geld: Man vermietet ganze Gefängnisse ans Ausland. Norwegen etwa, das zu wenige Haftanstalten hat und auch gar keine neuen bauen will, hat ein Hochsicherheitsgefängnis angemietet. Dort sitzen für die nächsten drei Jahre 242 norwegische Gefangene ein – die Niederlande kassieren dafür jährlich 25 Millionen Euro. Nur das Sicherheitspersonal ist noch niederländisch. Auch Belgien hat an die 500 Häftlinge über die Grenze in den Nachbarstaat ausgelagert.

In den Niederlanden kommen derzeit auf 100.000 Bürger nur 61 Häftlinge – in den USA, dem Land mit den weltweit meisten Strafgefangenen, beträgt diese Quote 666. Warum die Zahl der Häftlinge noch weiter sinken wird, begründet man in Den Haag zum einen mit der alternden Bevölkerung – die tendenziell weniger Verbrechen begeht als jüngere. Zum anderen, so beschreibt es der Kriminologe Rene van Swaaningen, "verbringen die ganz Jungen, die 12- bis 18-Jährigen, so viel Zeit vor dem Computer, dass sie nicht mehr auf die Straße gehen und kleinkriminell werden". Vor allem aber habe man stark auf das Tragen von Fußfesseln umgestellt und setzt generell auf Rehabilitation anstatt auf Haftstrafen.

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