Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

epa03642453 With a smile and a wave Pope Francis (L) greets faithful in St. Peter's Square, Vatican, 27 March 2013 for the weekly, Wednesday General Audience. This was the the new Pontiff's first Wednesday Audience since he was enthroned. EPA/MAURIZIO BRAMBATTI
Hubert Feichtlbauer über Papst Franziskus, der in vielem an Johannes XXIII. erinnert.

Franziskus hat seine ersten Ostern als Papst gefeiert. Seit seinem ersten Auftreten auf dem Balkon am Petersplatz vor zwei Wochen sind die Erwartungen in den früheren Erzbischof von Buenos Aires hoch. Auch der Publizist und engagierte, kritische Katholik Hubert Feichtlbauer erwartet sich Veränderungen, warnt aber vor zu großen Hoffnungen aller Art und einem Obama-Schicksal.

KURIER: Womit hat Sie der Papst bisher am meisten überrascht?

Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.
Hubert Feichtlbauer: Eine Reihe von Gesten, die er gesetzt hat, haben auf große Bescheidenheit hingedeutet. Aber das Überraschendste war doch seine Namenswahl.

Zum ersten Mal ein Franziskus.Genau. Niemand weiß genau, warum bisher kein Papst diesen Namen gewählt hat. Aber als Bekenntnis zu Demut, Bescheidenheit und Armut ist das hoffentlich etwas Bleibendes.

Jetzt schon bleiben die Bilder, dass er im Auftreten viel offener wirkt als sein Vorgänger.Kein Zweifel, in Sprache, Gesten, Kleidung und in der Verhaltensweise macht er nicht die Unterscheidung seines Vorgängers, der persönlich zwar auch sehr bescheiden war, aber das Amt mit Pomp und Glorie umgeben hat und mit Glanz darstellen wollte. Franziskus tritt auch als Amtsträger demonstrativ bescheiden auf.

Das macht vielen Hoffnung auf frischen Wind in der Kirche.

Die Gefahr ist, dass er damit ungeheure Hoffnungen aller Art weckt, die er unmöglich alle erfüllen kann. Ich hoffe, es wird ihm kein Obama-Schicksal zuteil. Aber wenn er auch nur einige sichtbare und spürbare Taten folgen lässt, dann wird die Anerkennung bleiben.

Ist die jetzt bekannt gewordene Rede, mit der er im Vorkonklave die Kirche zum „Ende der Selbstbezogenheit“ und des „theologischen Narzissmus“ aufrief, Hinweis auf einen Veränderungswillen?

Da muss man sehr vorsichtig sein. Den möglichen Hintergrund seiner bescheidenen Auftrittsweise kann man zweifach deuten. Entweder er will signalisieren, ich werde auch in den Inhalten manches überraschend für euch verändern. Oder er zeigt auf der einen Seite seine menschliche Zuneigung, um dann streng auf den Gesetzen zu beharren. Aber einige Gesten sind schon so gesetzt, dass er sie dann nicht mit besonderer Härte in der Lehre vereinbaren kann.

Einstweilen beschränkt sich die Ankündigung von Änderungen doch auf eine Kurien-Reform?

Dass er als selbst deklarierter „Bischof von Rom“ die Bischöfe anderer Länder und Kontinente mehr einbeziehen wird, einen Hauch von mehr Demokratie in der Kirche einkehren lässt, wäre zu erwarten. Das müsste einhergehen mit einer Dezentralisierung der ganzen Kirchenstruktur. Man kann nicht die Kurie reformieren, ohne ihre Allmacht zu beschneiden und auf die gesamte Kirche zu verteilen.

Die erwähnte Rede liest sich auch ambivalent: Das „Übel der geistlichen Verweltlichung“ lässt doch eher weniger auf eine Öffnung schließen, oder?

Ich glaube, er hat signalisiert, er werde einen Spagat versuchen. Ob der gelingt, ist eine offene Frage. Er wird an der herkömmlichen Lehre in allen wesentlichen Punkten sicher nichts verändern, doch hat er deutlich zu verstehen gegeben, der Mensch ist ihm wichtiger als die Lehre. Aber zu sagen: Achtung, das sind unsere unverrückbaren Prinzipien, aber andererseits ist so und so die Wirklichkeit der menschlichen Natur und Gesellschaft in ihrer Vielfalt, auf die man stärker eingehen muss – das ist die Frage, an deren Meisterung er gemessen werden wird.

Franziskus ist von Beginn weg mit dem „Reformpapst“ Johannes XXIII. verglichen worden. Auch wenn das früh erscheint: Ist der Vergleich plausibel?

Der Vergleich drängt sich sehr stark auf. Auch Johannes hat dem Volk auf dem Petersplatz „Gute Nacht und grüßt eure Kinder von mir“ zugerufen, so wie ähnlich der neue Papst. Auch Johannes hat einen seiner ersten Besuche im Staatsgefängnis von Rom gemacht, wie Franziskus nun im Jugendgefängnis.

Sind das bewusst gewählte Ähnlichkeiten?

Ja, das meine ich, sie sollten genau diese Erinnerungen wecken. Johannes XXIII. hat auf die Frage, ob er angesichts der Erwartung und Verantwortung ruhig schlafen könne, ein wunderbares Wort gesagt, das sich mit dem, was Franziskus gesagt hat, wohl vereinen ließe: „Natürlich kann ich schlafen. Chef ist der da oben, und ich bin ja nur sein Sekretär.“ Also kein Halbgott auf Erden, der alles kann, alles beurteilen, vieles verurteilen muss. Wenn es jetzt wieder einen Papst gibt, der das deutlich zu verstehen gibt, darf man eine umso humanere und wirklichkeitsnähere Kirche erwarten.

Johannes hat einen Reformschub ausgelöst, aber nicht alle Reformen umgesetzt. Kann Franziskus das nachholen?

Die Bewusstseinsänderungen durch das 2. Vatikanische Konzil sind unumkehrbar. Die Ökumene kann nicht mehr umgedreht werden, die Liturgiereform auch nicht. Der interreligiöse Dialog kann nicht mehr abgeblasen werden, auch nicht die Anerkennung der Menschenrechte und der freien Religionswahl. Aber bei der Umsetzung in die Praxis ist vieles im Argen geblieben. Etwa in der Ökumene – es ist nicht verständlich, warum wegen mancher Auffassungsunterschiede, die nur Theologen geläufig sind, kein gemeinsames christliches Abendmahl möglich sein sollte.

Große Erwartungen gibt es hinsichtlich Ende des Zölibats, Sakramentzulassung der Wiederverheirateten und Frauen als Priester – was ist da von Franziskus zu erwarten?

In Fragen der Sexualmoral hat es jeder Papst besonders schwer. Da liegt die Kirche am weitesten von der heutigen Welt entfernt, hat sich eingebunkert – da muss jemand schon sehr mutig sein zu sagen, das sehen wir jetzt anders. Und da nimmt Franziskus offenbar eher sehr konservative Positionen ein. Aber uns weiszumachen, dass Verhütung, Zölibat etc. alles kein Thema in Lateinamerika ist, sondern nur das Anliegen von ein paar alten frustrierten Pfarrern in Österreich, das wäre ein Festhalten an einer tragischen Verkennung der Wirklichkeit.

Also keine Veränderungen zu erwarten?

Ich erhoffe sie. Der Papst könnte den Ortskirchen erlauben, in Fragen, die nicht gegen den Glauben verstoßen, sondern nur gegen die Tradition, selbst zu entscheiden und einige Reformen auszuprobieren. Das gilt jedenfalls für Wiederverheiratete und den Zölibat. Aber ich erwarte diese Veränderungen nicht.

Was erwarten Sie dann?

Eine rasche Reform der Kurie und eine stärkere Einbindung der Ortskirchen. Wenn ihm dieser Schritt gelänge, und wenn er bei der Ernennung neuer Bischöfe und Kardinäle darauf achtet, dass nicht nur Blockierer zum Zug kommen, dann würde das den Weg frei machen für weitere Reformen, die dann vielleicht der nächste Papst durchführen könnte.

Hubert Feichtlbauer, 1932

in Oberösterreich geboren, ist Publizist (als Journalist war er auch für den KURIER tätig) und engagierter Katholik.

1998 wurde er zum Vorsitzenden der auf Reformen drängenden Plattform „Wir sind Kirche“ gewählt.

Es ist das erste Osterfest für Papst Franziskus in Rom. Dabei hat er das Protokoll außer Acht gelassen und eine Ansprache gehalten über die Probleme weltweit - die Ostergrüße nach dem traditionellen Segen "Urbi et Orbi" (Der Stadt und dem Erdkreis) in 60 verschiedenen Sprachen hat er dabei ausgelassen. Er appellierte stattdessen für die Beendigung der kriegerischen Kampfhandlungen auf der Welt, unter anderem sprach er die Situation in Syrien, im Nahen Osten, im Irak und in Mali an.

Ansprache gegen Krieg, Profitgier und Egoismus

Papst Franziskus hat in seiner ersten Osterbotschaft als katholisches Kirchenoberhaupt Gewalt, Egoismus und Profitgier verurteilt und zu Frieden in den Krisengebieten der Welt, vor allem im Nahen Osten, in Afrika und auf der koreanischen Halbinsel, aufgerufen. In seiner Osterbotschaft vor 250.000 Gläubigen forderte er Israelis und Palästinenser zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen auf. Der Papst äußerte die Hoffnung, dass sie "mutig und bereitwillig" zu einem Ende des Konflikts gelangen würden.

Das Kirchenoberhaupt forderte zudem ein Ende der Gewalt im Irak und eine politische Lösung für die belastete Bevölkerung in Syrien. "Wie viel Blut ist in Syrien vergossen worden! Und wie viele Leiden müssen noch auferlegt werden, ehe es gelingt, eine politische Lösung der Krise zu finden?", fragte der Heilige Vater. Der Papst erklärte, er bete auch für Frieden in Afrika, unter anderem für Nigeria, in dem "Anschläge das Leben vieler Unschuldiger" bedrohten. Auch Mali und den Kongo sprach Franziskus an.

Der Pontifex äußerte die Hoffnung, dass die Osterbotschaft Frieden auf der ganzen Welt bringe, die "immer noch von der Gier nach schnellem Profit geteilt ist". Die Welt sei verwundet vom Egoismus, der das menschliche Leben und die Familie bedrohe. Der Papst verurteilte den Menschenhandel, die in diesem 21. Jahrhundert "die am weitesten verbreitete Sklaverei" sei, sowie den Rauschgifthandel und die "ungerechte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen". "Der auferstandene Jesus bringe Trost den Opfern der Naturkatastrophen und mache uns zu verantwortungsbewussten Hütern der Schöpfung!", fügte er hinzu.

In seiner Osterbotschaft verwies der Papst besonders auf die Liebe Gottes, die stärker als das Böse und als der Tod sei. Diese Liebe könne das Leben umwandeln und einer Zukunft der Hoffnung öffnen. Ostern sei der Übergang "von der Sklaverei der Sünde zur Freiheit des Guten". Dies müsse im Alltag erfolgen.

Frühlingswetter in Rom

Vor 250.000 Gläubigen und Touristen hatte die Ostermesse Sonntagvormittag auf dem Petersplatz in Rom begonnen. Bei wechselhaftem Frühlingswetter zeigte sich der Himmel über dem Vatikan an diesem höchsten katholischen Feiertag bedeckt. Franziskus zelebrierte die Messe in einem schlichten weißen Gewand.

Osterlicht entzündet

In der Nacht hatte Franziskus im Dom die Osterwache gefeiert. Dabei wurde in der Vorhalle der Kirche das Osterlicht entzündet und in den Petersdom gebracht. Der Papst taufte vier Erwachsene.

Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

Pope Francis prays while holding a candle as he ar
Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

Cardinals hold candles as Pope Francis leads a vig
Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

Pope Francis kisses a confirmed boy as he leads a
Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

VATICAN POPE FRANCIS HOLY WEEK
Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

Pope Francis holds the incense burner as he leads
Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

VATICAN POPE FRANCIS HOLY WEEK
Franziskus erinnert an Papst Johannes XXIII.

Pope Francis holds the cross as he leads a vigil m

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