Europa wappnet sich für die Bedrohung durch Ebola

Während seine Kollegen Leichen einsammeln, wird ein Rot-Kreuz-Mitarbeiter in einem Vorort Monrovias, der Hauptstadt Liberias, desinfiziert.
In Afrika bekämpfen Ebola-Überlebende die Seuche, die EU sucht Freiwillige für den Hilfseinsatz vor Ort, und die USA setzen auf eine schnelle Eingreiftruppe.

Die junge Frau war dem Tod geweiht. Ihre Mutter starb an Ebola, ihr Vater ebenfalls. Und just an dem Tag, an dem dieser von dem Virus in Liberias Hauptstadt Monrovia dahingerafft wurde, wurde es auch bei Salome Karwah festgestellt. Sie fieberte extrem hoch hinauf, hatte höllische Kopfschmerzen und erbrach ständig. "Ich habe mir gedacht: Da kommst du nie wieder raus", sagte die 25-Jährige dem Spiegel. Doch wie durch ein Wunder überlebte sie, "es war wie eine zweite Geburt".

Salome ist nun immun – zumindest gegen diesen Ebola-Stamm. Sie hat ihre alte Profession als Kindermädchen aufgegeben, um als Pflegehelferin Ebola-Patienten zu betreuen und ihnen Mut zu machen: "Mir ging es wie euch, aber, schaut mich an, ihr könnt überleben." Auf Menschen wie Salome Karwah bauen nun die afrikanischen Behörden und die internationalen Helfer. Pläne für den Seuchen-Einsatz dieser immunisierten Gruppe werden seit gestern in einer zweitägigen Konferenz im ebenfalls stark betroffenen Sierra Leone erörtert. Die UNO rechnet damit, dass in den kommenden sechs Monaten bis zu 2500 Ebola-Überlebende zur Behandlung der Erkrankten herangezogen werden können.

10.000 Fälle pro Woche

Das wäre dringend nötig, denn die Weltgesundheitsorganisation erwartet in Westafrika bis Dezember zwischen 5000 und 10.000 neue Fälle – pro Woche. Und dort, wo die Seuche besonders wütet (Liberia, Sierra Leone, Guinea), fehlt es massiv an Personal. Zum Teil, weil Pfleger und Ärzte selbst durch das Virus gestorben sind, (allein in Liberia schon mehr als 100), zum Teil weil Gesundheitskräfte aus Angst vor Ebola nicht mehr zur Arbeit kommen.

Die Verbreitung des Virus zieht dramatische Kreise: Kinder, deren Eltern an Ebola gestorben sind, will aus Furcht vor Ansteckung niemand aufnehmen; aus diesem Grund will Schwangeren kaum jemand bei der Entbindung helfen; da die ohnehin kargen Mittel jetzt in die Seuchen-Bekämpfung fließen, fehlt das Geld für andere Gesundheitsprojekte. Zudem droht der Region eine Hungersnot, da viele Bauern gestorben bzw. erkrankt sind oder ihre Farmen verlassen haben.

Damit nicht genug: Das wirtschaftliche Leben in den drei westafrikanischen Hotspots ist de facto zum Erliegen gekommen. Märkte sowie viele Bars und Restaurants sind geschlossen. Ebenso die Schulen, was die Ernährungssituation weiter verschärft, da die Kinder nicht in den Genuss der Schulspeisung kommen. Der Personen- und Warenaustausch in der Region ist stark reduziert, der Handel leidet. Geschäftsreise oder Tagungen werden abgesagt oder verschoben, ausländische Investitionen aufs Eis gelegt.

"Wir spüren die ökonomischen Folgen, sie könnten langfristig zu einem größeren Problem werden als die Krankheit selbst", schlug Liberias Präsidentin Johnson Sirleaf im Spiegel-Interview Alarm. Das Wachstum, das in den vergangenen Jahren im Schnitt bei 7,5 Prozent gelegen sei, würde heuer auf ein Prozent schrumpfen. Auch eine Rezession ist nicht ausgeschlossen.

Doch es könnte noch dicker kommen. "Hysterie und Panik sind ansteckender als die Seuche selbst", warnt der Ökonom Carlos Lopes aus Guinea-Bissau. Was er damit meint: Sollte die internationale Geschäftswelt den gesamten Kontinent südlich der Sahara gleichsam unter Quarantäne stellen, hätte dies verheerende wirtschaftliche Folgen. Mit bis zu 40 Milliarden Dollar beziffert die Weltbank den Schaden bis Ende 2015, sollten auch Nigeria, der Senegal und Côte d’Ivoire in den Ebola-Strudel gezogen werden.

Europa wappnet sich für die Bedrohung durch Ebola

Beruhigung und Informationsaustausch verschreiben die EU-Gesundheitsminister im Umgang mit der Ebola-Epidemie in Westafrika. Bei einem Krisentreffen in Brüssel haben die Ressortchefs vereinbart, bald Pass-, Visa- und Flugdaten von Reisenden aus den betroffenen Gebieten auszutauschen, um deren Bewegungen auch nach der Rückkehr aus Afrika innerhalb Europas nachvollziehen zu können.

Zentrales Element bleibe aber die Kontrolle bei der Ausreise aus den betroffenen Ländern. Dieses „Exit Screening“ funktioniere schon jetzt sehr gut, hieß es beim Ministerrat. „Entry Screenings“, also Kontrollen bei der Einreise, bleiben vorerst jedem Mitgliedsstaat selbst überlassen. Großbritannien hat schon in der Vorwoche Kontrollen an großen Flug- und Bahnhöfen eingeführt. Frankreich will ab Samstag alle Passagiere von Flügen aus Ebola-Gebieten kontrollieren; derzeit gibt es Direktflüge nach Guinea.

Europa wappnet sich für die Bedrohung durch Ebola
In Österreich sei dies nicht notwendig, sagte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (Bild) in Brüssel: „Entry Screenings machen nur wirklich Sinn bei Direktflügen.“ Hierzulande gelte die Devise: „Panik ist auch eine Epidemie.“ An Österreichs Flughäfen seien in den vergangenen sechs Monaten sechs Millionen Menschen gelandet, darunter waren laut Oberhauser 160 aus den betroffenen Gebieten.

Auf nationaler Ebene plant Oberhauser eine Taskforce zwischen Ministerien, Flughäfen und ÖBB, um einen schnellen Informationsaustausch zu sichern. Am Montag gibt es ein Treffen mit den Länder-Vertretern.

Freiwilligen-Aufruf

Mit einem Freiwilligen-Aufruf will die Ministerin medizinisches Personal finden, das in den Krisengebieten hilft. Österreich könnte auch ein Labor oder Containerspital bereitstellen. Bei der Rückholung infizierter Helfer wollen EU und USA zusammenarbeiten; aus dem EU-Budget könnte eigens dafür ein Flugzeug angeschafft werden.
Warnung von ObamaUS-Präsident Barack Obama hat derweil angekündigt, die USA würden „viel aggressiver“ bei neuen Ebola-Erkrankungen im Land vorgehen. Eine schnelle Eingreiftruppe soll dafür sorgen, dass auch schlecht vorbereitete Kliniken richtig handeln. Zuvor war bekannt geworden, dass sich in Texas eine Krankenschwester bei der Pflege eine Patienten infiziert hatte. Obama hält ein Ausbreiten in den USA für unwahrscheinlich, warnte aber vor einer weltweiten Epidemie.

Ist Österreich ausreichend auf einen Ebola-Fall vorbereitet? „Ja“, sagt die zuständige Sektionsleiterin im Gesundheitsministerium, Pamela Rendi-Wagner. Wöchentlich gebe es Telefonkonferenzen zwischen Bund und Ländern und mit internationalen Experten. Es existieren Ablauf- und Krisenpläne, etwa für den Fall, dass ein Wien-Schwechat anfliegendes Flugzeug einen Ebola-Verdachtsfall meldet. In Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck gebe es spezielle Infektionsabteilungen, auf die Verdachtspatienten verlegt werden.

Kritik kommt von der Wiener FPÖ: Es gebe keine ausreichende Aufklärung seitens der Behörden, wie im Fall des Falles zu handeln sei.
Im Wiener Krankenanstaltenverbund weist man das zurück: „Sollte in einem Spital ein Verdachtsfall auftreten“, gibt es genaue Abläufe. Seit dem Sommer wurde die Spitäler drei Mal darüber informiert.“

Standardmaßnahmen

Medizinisches Personal sollte sofort Standardhygienemaßnahmen wie Händedesinfektion durchführen sowie Handschuhe, Auge-, Nasen- und Mundschutz anlegen. Die möglicherweise infizierte Person soll bis zur Abholung durch den Krankentransport in einem eigenen Raum warten. Laut Ursula Frohner, Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (berufspolitische Vertretung für alle Pflegeberufe), gibt es in allen Spitälern Pläne für Sicherheitsmaßnahmen: „Aber wir haben die Pflegedirektoren aufgefordert, zu evaluieren, ob es einen Bedarf an Nachschulungen gibt. Denn ausreichende Information verhinderte Überreaktionen.“

Nach wie vor wird gerätselt, wie sich die 26 Jahre alte Krankenschwester Nina Pham mit Ebola infiziert hat.

Zwar hoffen die Ärzte, dass sie wieder gesund wird, die Suche nach der Ursache läuft auf Hochtouren. Zumal auch in den USA Ebola-Patienten im Rahmen strengster Sicherheitsvorkehrungen behandelt. werden. Laut CNN wird die Frau mit einer Bluttransfusion behandelt - vom Blut eines Ebola-Überlebenden. Die Frau hatte sich in Dallas im US-Staat Texas um einen Mann gekümmert, der die Krankheit aus Afrika mitgebracht hatte und daran gestorben ist.

Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) reagiert auf den Ebola-Fall in Texas, wo sich nach Spanien neuerlich eine Krankenschwester bei der Pflege infiziert hat: „Auf der Infektionsabteilung im Kaiser-Franz-Josef-Spital werden Betten gesperrt, damit mehr Personal frei ist, um Hygiene-Schulungen und Schulungen für das An- und Ausziehen der Schutzanzüge zu intensivieren“, so Abteilungsleiter Prim. Christoph Wenisch.

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File photo of the Texas Health Presbyterian Hospit
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A health worker wearing a protective suit stands a
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Ebola
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Ebola Vorbereitungen im Kaiser Franz Josef Spital
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Kaiser-Franz-Josef-Spital, Infektionsabteilung
Europa wappnet sich für die Bedrohung durch Ebola

LIBERIA DISEASES EBOLA
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Ebola Vorbereitungen im Kaiser Franz Josef Spital
Europa wappnet sich für die Bedrohung durch Ebola

Ebola Vorbereitungen im Kaiser Franz Josef Spital

Rund 30 Mitarbeiter der Infektionsabteilung – Ärzte und Krankenpflegepersonal – haben schon bisher jährlich eine große „Ebola-Übung“ absolviert. „Ohne Schulungen nützt der Schutzanzug gar nichts. Das richtige Anziehen und Ausziehen muss geübt werden. Das Wichtigste ist, dass es ausreichend Personal gibt, man darf nicht hudeln.“ Seit 30 Jahren sammle man auf diesem Gebiet Erfahrungen.

Jeder Einsatz beim Patienten wird von einem Team durchgeführt: Eine Pflegeperson und ein Arzt sind im Krankenzimmer, eine Pflegeperson und ein Arzt außerhalb. Das Kommando haben die zwei im Behandlungszimmer, die zwei außerhalb überprüfen jeden Schritt.

Desinfektionsdusche

Nach dem maximal zweistündigen Einsatz stellen sich die Mitarbeiter noch im vollen Schutzanzug eine Minute lang unter eine Chemikaliendusche. Drei Minuten muss anschließend das Desinfektionsmittel einwirken. Der Anzug und die Handschuhe werden nachher als chemischer Müll fachgerecht entsorgt, nur die Stiefel , die Batterien und Ventilatoren für die Luftzufuhr werden aufgehoben. Beim Ausziehen muss man Ruhe haben und „darf nicht fummeln“, so Wenisch. „Und man darf sich nie alleine ausziehen.“ Es müsse Helfer geben, die darauf achten, dass genau nach einer im KJF entwickelten Checkliste – so wie in einem Flugzeug – vorgegangen wird.

Wichtig ist dabei, dass der Helfer davor warnt, sich nicht intuitiv beim Ausziehen in das Gesicht zu fahren, um etwa den Schweiß aus der Stirn zu wischen oder sich zu kratzen. Das dürfte auch die Ursache der Infektion der Pflegehelferin in Spanien gewesen sein. Weil man im Anzug extrem schwitzt, will ihn jeder rasch ausziehen – das erhöht das Fehlerrisiko.

Interessant: Die Infektion der US-Klinikmitarbeiterin gibt den Anbietern von Schutzbekleidung derzeit Auftrieb. Die Papiere des Schutzanzüge-Herstellers Lakeland stiegen im vorbörslichen US-Geschäft um knapp 16 Prozent. Ähnlich stark legen die Titel von Alpha Pro, eines Produzenten von Schutzmasken, zu.

In den USA gibt es laut der Gesundheitsbehörde CDC erste Hinweise, dass im Texas Health Presbyterian Krankenhaus nicht alles nach Vorschrift ablief. Angesteckt hatte sich die Frau bei einem Liberianer, der Ende September in die USA geflogen war und nach vier Tagen Ebola-Symptome entwickelt hatte. Sie soll mit dem 42-Jährigen bei seinem zweiten Besuch in der Notaufnahme „intensiven Kontakt“ gehabt haben. Ein kritischer Punkt sei das Abnehmen des Gesichtsschutzes, hieß es von den US-Centers for Disease Control (CDC) zur möglichen Fehlerquelle.

Vom richtigem Umgang mit dem Schutzanzug

Der Mit-Entdecker des Ebola-Erregers, der belgische Infektionsmediziner Peter Piot, fürchtet, dass in Afrika lebende Inder die Seuche nach Indien bringen könnten. Das dortige Gesundheitssystem wäre dann ganz schnell überfordert.

Piots Horror-Szenario: Es müsse sich nur einer der vielen in Westafrika lebenden Inder infizieren, während der Inkubationszeit Verwandte in Indien besuchen und dann erkrankt in eine Klinik gehen. „Auch in Indien tragen Ärzte und Krankenschwestern oft keine Schutzhandschuhe. Sie würden sich sofort anstecken und das Virus verbreiten“, sagte Piot dem Spiegel. Das indische Gesundheitssystem sei im Gegensatz zu Europa und den USA nach Piots Einschätzung nicht in der Lage, die Seuche einzudämmen.

ie meisten Inder aus Westafrika fliegen traditionell über Dubai nach Hause. Dieses Flug-Drehkreuz könnte zum Super-Infektionsort werden. Emirates haben darauf aber schnell reagiert. Als erste große internationale Fluggesellschaft wurden bereits im August ihre Flüge nach Guinea eingestellt. Die Sicherheit von Passagieren und Besatzung habe höchste Priorität, und da gehe das Unternehmen keine Kompromisse ein, heißt es auf der Webseite.

Der Präsident des Internationalen Roten Kreuzes, Peter Maurer, glaubt, dass die Ebola-Krise noch zunehmen wird. „Es ist in unserer globalisierten Welt eine Illusion zu glauben, dass sich solch eine Krankheit lokal begrenzen lässt“, sagte er Yahoo Nachrichten. „Jeder lokale Zusammenbruch eines Systems, wie wir ihn jetzt in Liberia erleben, birgt in sich die Gefahr einer globalen Gesundheitskatastrophe. Genau das riskieren wir gerade.“ Maurer kritisierte die Reaktion der internationalen Gemeinschaft scharf. Die Lage sei anfangs völlig falsch eingeschätzt worden, sagte er. „Es gibt viele Ankündigungen. Aber wenn ich meine Kollegen vor Ort frage, was an Hilfe schon angekommen ist, ist das weniger als die warmen Worte.“

Der chinesische Hersteller des experimentellen Anti-Ebola-Mittels JK-05 hat mehrere Tausend Dosen dieses Medikaments in afrikanische Länder geschickt. In Afrika leben rund eine Million Chinesen. In Sierra Leone, Liberia und Guinea, wo sich das Virus rasant verbreitet, sind es 10.000. Zunächst ist geplant, dass die in Afrika eingesetzten chinesischen Ärzte das Präparat im Falle einer Ansteckung einsetzen. Später sollen klinische Studien unter Teilnahme von afrikanischen Patienten durchgeführt werden.

Das private chinesische Pharma-Unternehmen Sihuan Pharmaceutical Holdings steht nach eigenen Angaben kurz vor einem Durchbruch bei der Zulassung von JK-05. Mithilfe der Militärakademie für medizinische Wissenschaften in Peking, woher die Wissenschafter von Sihuan ursprünglich kommen, soll das Zulassungsverfahren beschleunigt werden. Schon Ende des Jahres könnte das Medikament JK-05 dann auf den (chinesischen) Markt kommen.

Derzeit befindet sich eine ganze Reihe von Ebola-Medikamenten in der Entwicklungsphase. Der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline hat Tests angekündigt. Des weiteren wetteifern die US-Firmen Johnson & Johnson, NewLink Genetics, Inovio Pharmaceuticals und Profectus Biosciences um den Durchbruch.

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