Erdbeben in Italien: Sechstes Opfer aus Hotel in Amatrice geborgen

Zahl der Toten damit auf 293 gestiegen. Etwa 3000 Menschen wurden durch das Beben obdachlos.

Die Zahl der Opfer des Erdbeben in Mittelitalien vor einer Woche ist auf 293 gestiegen. Aus den Trümmern des Hotels Roma in Amatrice, dem Epizentrum des schweren Erdbebens, wurde in der Nacht auf Mittwoch eine weitere Leiche gefunden. Es handelt sich um das sechste Todesopfer, das aus den Trümmern des Hotels im Zentrum der Bergortschaft geborgen wurde.

Fast 400 Menschen wurden seit dem vergangenen Mittwoch mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, etwa 3.000 Menschen durch das Beben obdachlos. Sie müssen in einem der 49 Zeltlager oder in Notaufnahmezentren ausharren. Die Regierung versprach, dass innerhalb eines Monats für alle Obdachlosen eine Unterkunft zur Verfügung stehen werde. Die Menschen sollen in Holzbungalows untergebracht werden. Niemand solle länger als vier Wochen in den Zeltlagern übernachten müssen.

Bilder: Völlig zerstörtes Hotel in Amatrice

Erdbeben in Italien: Sechstes Opfer aus Hotel in Amatrice geborgen

Firefighters work next to collapsed Hotel Roma fol
Erdbeben in Italien: Sechstes Opfer aus Hotel in Amatrice geborgen

Firefighters works next to collapsed Hotel Roma fo
Erdbeben in Italien: Sechstes Opfer aus Hotel in Amatrice geborgen

Firefighters work around the collapsed Hotel Roma

Am Dienstag hat Italien mit einer Trauerfeier im Erdbebengebiet von Amatrice sowie einem landesweiten Trauertag der Opfer der Katastrophe gedacht. In einem großen Zelt vor der in Trümmern liegenden Kleinstadt wurden 28 Särge aufgebahrt. Zu Beginn der Zeremonie unter leichtem Regen brachen viele Teilnehmer in Tränen aus, als die Namen der Toten verlesen wurden. Mehr zu der Trauerfeier lesen Sie im unteren Abschnitt.

Katze nach fünf Tagen lebend geborgen

Indes ist fünf Tage nach dem Erdbeben in Amatrice eine Katze lebend aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses geborgen worden. Ihr Leben verdankt Gioia (Freude) ihrer Besitzerin Daniela, die bis zuletzt die Feuerwehrmannschaften angefleht hatte, das Tier zu suchen. Der Vierbeiner ist schließlich am Montag entdeckt worden. "Als wir einige Trümmer weggeräumt haben, habe ich etwas Graues gesehen, das sich bewegt. Ich habe sofort die Katze erkannt, nach der Daniela suchte", berichtete der Feuerwehrmann Andrea. Gioia war einigermaßen mitgenommen und ziemlich durstig, sonst aber unversehrt. Sie wurde in ein Zelt gebracht, in dem Tierärzte sich um den Vierbeiner kümmerten, und durfte dann zu ihrer Besitzerin zurück. "'Es ist ja nur eine Katze', haben mir einige Leute gesagt. Doch für mich ist Gioia ein Mitglied der Familie. Ich bin froh, dass ich nicht nachgelassen habe", wurde Daniela in der Tageszeitung La Stampa zitiert.

Renzi versprach raschen Wiederaufbau

Nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien versprach Premier Matteo Renzi unterdessen einen raschen und nachvollziehbaren Wiederaufbau. "Wir werden prüfen, wie jeder Cent für den Wiederaufbau ausgegeben wird", versicherte Renzi am Montag. Seine Regierung werde einen Plan vorstellen, um die Sicherheit der Immobilien in seismischen Gebieten zu stärken.

"Italien ist eine verletzte Familie"

"Der Wiederaufbau genügt nicht, wir müssen weiteren Katastrophen dieser Art vorbeugen", sagte Renzi, der sich beim Wiederaufbau-Plan von Stararchitekten Renzo Piano beraten lassen will. Der Premier nahm den geglückten Wiederaufbau in Friaul nach dem Erdbeben 1976 als Beispiel. Renzi lobte den Einsatz des Zivilschutzes und der Rettungseinheiten. "Dank ihrer Leistungen konnten 238 Menschen lebend geborgen werden", kommentierte Renzi. Italien bezeichnete er als "verletzte Familie", die jedoch auf die Katastrophe reagieren werde.

Erdbeben in Italien: Sechstes Opfer aus Hotel in Amatrice geborgen
White balloons are released during a funeral service for victims of the earthquake that levelled the town in Amatrice, central Italy, August 30, 2016. REUTERS/Emiliano Grillotti FOR EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVES.

Wiederaufbau bis zu 10 Milliarden Euro?

Der Wiederaufbau des Erdbebengebiets zwischen den Regionen Latium und Marke könnte bis zu zehn Milliarden Euro kosten. 70 Prozent der Immobilien entspricht nicht antiseismischen Standards, berichteten Medien. Renzi hat sich indes mit Architekten Piano getroffen, um über den Wiederaufbau nach dem Erdbeben zu diskutieren. "Ich habe ihm gesagt, es braucht eine Baustelle, die zwei Generationen einbindet und mit Beiträgen aus der ganzen Welt finanziert wird", kommentierte Piano, der zu den bekanntesten Architekten weltweit zählt und als Senator auf Lebenszeit im italienischen Parlament sitzt.

Laut Piano müssten Gebäude entlang des gesamten Apennins - von Norden bis Süden - stabilisiert werden. "Die außerordentliche Schönheit Italiens gehört nicht nur uns Italienern, sondern ist ein Erbe der ganzen Menschheit", so Piano. Daher seien Beiträge aus dem Ausland zur Stabilisierung der Gebäude in Italien wichtig.

Zuckerberg spendet Rotem Kreuz 500.000 Euro

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und dessen Frau Priscilla Chan, die am Montag von Papst Franziskus im Vatikan zu einer Privataudienz empfangen worden sind, haben dem Roten Kreuz unterdessen 500.000 Euro für die Betroffenen des Erdbebens in Mittelitalien gespendet. Dies berichtete Zuckerberg bei einem Treffen mit Studenten der römischen Universität LUISS. "Als ich vom Erdbeben erfahren habe, war ich sehr bedrückt. Ich habe mich sofort gefragt wie ich helfen kann. Wir haben dem Roten Kreuz auf die Facebook-Plattform für all das zur Verfügung gestellt, was man brauchen könnte", sagte Zuckerberg.

So können Sie spenden:

Österreichisches Rotes Kreuz: IBAN: AT57 2011 1400 1440 0144, "Katastrophenhilfe" spende.roteskreuz.at

Caritas: IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004; BIC: OPSKATWW "Erdbeben Italien" www.caritas.at

"Italien ist eine verletzte Familie, die es aber schaffen wird", sagt Premier Renzi. Nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien mit 293 Toten herrscht Staatstrauer. Landesweit wehen die Fahnen auf Halbmast.

Am späten Nachmittag fand in Amatrice, dem Ort mit den meisten Todesopfern, eine riesige Trauerfeier unter freiem Himmel statt. An dem Begräbnis nahmen auch Premier Matteo Renzi und sein rumänischer Amtskollege Dacian Ciolos teil. Elf rumänische Staatsbürger verloren bei dem Beben ihr Leben. 2900 Menschen wurden obdachlos und sind nun in Zeltlagern untergebracht. Laut offiziellen Angaben gibt es noch zehn Vermisste.

Beisetzungen

Nach Protesten werden die Toten nun doch in Amatrice beigesetzt. Ursprünglich hätte die Trauerfeier in der 60 Kilometer entfernten Provinzhauptstadt Rieti stattfinden sollen. Unter den Opfern sind auch zahlreiche Ausländer: Viele Rumänen lebten in dem Apennin-Dorf und arbeiteten vorwiegend in der Gastronomie. Ein britisches Ehepaar und sein 14-jähriger Sohn wurden unter den Trümmern ihrer Ferienvilla begraben. Außerdem verloren eine junge Frau aus Spanien sowie ein Kanadier und ein Albaner ihr Leben.

Nach der Katastrophe muss ein rascher Wiederaufbau organisiert werden. Premier Renzi holte sich Rat bei Stararchitekt Renzo Piano. Laut Einschätzung des renommierten Architekten werde der Aufbau mindestens zwei Generationen dauern: "Die Häuser der erdbebengefährdeten Apennin-Bergregion, die sich von Nord- bis Süditalien erstreckt, müssen von Grund auf modernisiert werden, damit sie künftig Erdstößen standhalten."

Maximal Kontrolle

Wie immer nach Katastrophen wird viel versprochen: "Wir werden prüfen, wie jeder Cent für den Wiederaufbau ausgegeben wird", versicherte Renzi, "wir müssen weiteren Katastrophen vorbeugen." Die Regierung wird einen Plan vorstellen, um die Sicherheit der Immobilien in Erdbebenzonen zu erhöhen.

Kampf der Mafia

Bei aller Eile müsse jedoch Korruption und Mafia-Infiltrationen verhindert werden. Die Anti-Korruptions-Behörde wurde eingeschaltet. Nach dem schweren Erdbeben von L’Aquila 2009 erhielt auch die Provinz Rieti, in der sich die Erdbebengemeinden Amatrice und Accumoli befinden, Förderungen in der Höhe von 84 Millionen Euro zur Erdbebensicherung. Staat und Kirche schossen weitere Millionen zu.

Doch die Gelder wurden nur zu einem verschwindend geringen Teil in die Prävention investiert. Anschauliches Beispiel dafür sind die Brücken nach Amatrice. Das Bergdorf ist über zwei schmale Brücken erreichbar. Beide Zugänge sind nach dem Erdbeben schwer einsturzgefährdet und wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt.

2014 hätten 600.000 Euro zur Sicherung der Brücken investiert werden sollen. Die Arbeiten scheiterten, da die Provinz Riete fast bankrott ist und die von ihr erforderliche Quote von 170.000 Euro für das Projekt nicht aufstellen konnte. Weiters hätten zwischen Accumoli und Amatrice zehn Kirchen dringend gesichert werden müssen. Darunter auch der Kirchturm von Accumoli, der in der Erdbebennacht auf das Nachbarhaus stürzte und eine Familie unter sich begrub.

Fehlinvestitionen

Die Tageszeitung La Repubblica listet einen Auszug der Fehlinvestitionen in puncto Erdbebenprävention auf: 200.000 Euro flossen in die Schule Capranica, die fast gänzlich einstürzte. 250.000 Euro wurden für die Restaurierung der nun völlig zerstörten Chiesa Santa Maria Liberatrice investiert. Mit 400.000 wollte man das Theater am Corso von Amatrice sanieren – letzten Mittwoch versank es im Erdboden. 260.000 Euro wurden in der Restaurierung der Chiesa di Sant'Angelo (Amatrice) gesteckt. Zwei Wochen nach der Eröffnung liegt die Kirche in Trümmern.

Der mittelalterliche Ort Amatrice in der Region Latium ist bei den Italienern als Pasta-Hauptstadt und Gastronomie-Hochburg bekannt. Der 2660-Einwohner-Ort ist Namensgeber des im ganzen Land populären Nudelgerichtes „Spaghetti all’ Amatriciana“. Die Sauce dafür besteht aus Speck, Tomaten, Pecorino, Pfefferoni und Olivenöl. Ursprünglich war es das Essen der in der Region ansässigen Hirten.

Auf Schildern an der Stadteinfahrt prangt groß der Hinweis „Amatrice, Città degli Spaghetti“ – Amatrice, Stadt der Spaghetti. Immer am letzten Wochenende im August wird das Volksfest Sagra degli Spaghetti all’Amatriciana gefeiert, das Tausende Gourmets aus dem ganzen Land anlockt. Viele Erdbebenopfer waren eigens für dieses Fest angereist.

Das malerische Amatrice mit seinen bunten Hausfassaden, den zahlreichen Kirchen und den umliegenden Bergen und Schluchten wurde im Jahr 2015 in die Liste der schönsten Dörfer Italiens aufgenommen. Bekannt war der Ort auch für das gut erhaltene mittelalterliche Stadtzentrum und die Stadtmauern mit sechs Stadttoren aus dem 13. Jahrhundert. Die Glockentürme der Kirchen Sant’ Emidio und Sant’ Agostino stammen aus dem 14. Jahrhundert.

Kommentare