Eine Welt ist nicht genug

Eine Welt ist nicht genug
Das Wachstum der Weltbevölkerung kennt offenbar kein oberes Limit - die Vorhersagen sollen weiter verfeinert werden.

Die UNO geht von 10 Milliarden Menschen am Ende des Jahrhunderts aus – und von einer Stagnation auf diesem Rekord-Niveau. Eine Studie des Biodemografen Oskar Burger vom Max-Planck-Institut in Rostock und einem Forscherkollegen in Yale rüttelt nun an dieser Grenze. Eine Stagnation bei etwa 10 Milliarden Erdenbürgern sei möglich, aber sicher nicht von Dauer. Schon kleine Schwankungen in der Energieversorgung würden dazu führen, dass die Bevölkerung erneut stark anwachse.

„Die Bevölkerungsgröße bleibt nur auf diesem Niveau, wenn weiterhin ständig genügend Energie pro Kopf zur Verfügung steht“, sagt Burger. Erklärung: Ist mehr Energie nutzbar, begünstigt das die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Den Menschen geht es besser und das drückt wiederum die Geburtenrate nach unten.

Die bisherigen Modelle, die ein Ende der Bevölkerungsexplosion vorhersagen, berücksichtigen allerdings nur den Trend sinkender Geburtenziffern. „Wir wissen in etwa welche Energiemengen nötig wären, um konstant auf diesem Niveau (10 Milliarden Menschen, Anm.) zu bleiben, diese Energie-Menge übersteigt aber bei weitem das, was uns zur Verfügung stehen wird.“

Ökosysteme

Die Einbeziehung von verschiedenen Umweltfaktoren ist in anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen gang und gäbe. Etwa in der Ökosystemforschung. Neben den Namen der Tiere und Pflanzen, ihrer Zahl und Häufigkeit sowie ihren Ansprüchen, sind die Verfügbarkeit wertvoller Ressourcen (Wasser, CO2, Raum, Nährstoffe) sowie die relevanten Klimadaten (Temperatur, Regenmengen) berücksichtigt. Und beim Menschen? „Da schauen wir Demografen traditionell nur auf historische Daten, auf Geburten- und Sterberaten, auf Zu- und Abwanderung.“

Nötig sei stattdessen ein umfassendes Modell, das die Bevölkerungsgröße zum Energieverbrauch in Relation setze, natürliche Ressourcen, die Wirtschaft, die Kultur und politische Einflüsse miteinbeziehe. Erst dann werde sich sagen lassen, ob es für die Menschheit eine dauerhafte Wachstumsgrenze gebe.

Erste Studien in diese Richtung existieren bereits. Und auch hier schaut es eher nach Bevölkerungsexplosion denn nach Einfrieren auf hohem Niveau aus. Wolfgang Lutz, Direktor des Instituts für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, hat die Bevölkerungsentwicklung im Lichte von verfügbarer Bildung und Entwicklung der Lebenserwartung betrachtet. Der Forscher geht von 12 Milliarden Menschen am Ende des Jahrhunderts aus, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Soziale Probleme

Hinter diesen akademischen Fragen stehen handfeste soziale und ökologische Probleme. Heute lebt jeder siebente Mensch in einem Elendsviertel, von den Slums im Meer vor Sandakan, Sabah (Malaysia), bis zu den Favelas von Rio de Janeiro. Weltweit wächst die Bevölkerung um 2,6 Menschen pro Sekunde, das sind plus 158 pro Minute, 228.000 am Tag oder 83 Millionen mehr pro Jahr. So viele Menschen wie heute auf der Erde leben, gab es nie zuvor. Weltweit gibt es 21 Megacities mit mehr als zehn Millionen Menschen.

Was optimistisch stimmt: Der Erfindungsreichtum der Menschen verhinderte mehrmals den Untergang der Zivilisation. Man denke nur an die Entdeckung der Narkose im Jahr 1800, der Desinfektion 1847, des gefilterten Trinkwassers im 19. Jahrhundert, des Penicillins 1928, von neuen Hochleistungsgetreide-Sorten 1940 oder auch der Pille 1960.

Und jetzt? Vertikale Landwirtschaft soll die Städte autark von ihrem Umland machen und mit Gemüse, Obst, Hühnerfleisch, Eiern und Fisch versorgen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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