Ein Historienfilm bringt Polen und Ukrainer gegeneinander auf

Versöhnung der Veteranen: Ein UPA-Mann mit einem Sowjet
"Wolyn": Ein polnischer Film über Massaker an der polnischen Bevölkerung der heutigen Westukraine sorgt für politischen Zündstoff.

"Reinigen wir das Land von den Polen!" brüllt der Priester in der griechisch-katholischen Kirche über die ukrainischen Gläubigen hinweg. Diese recken Sicheln, Äxte, Heugabeln und stürmen los.

Es ist eine Schlüsselszene des polnischen Kinofilms "Wolyn" (Wolhynien) von Regisseur Wojciech Smarzowski. Cineastisch gut gemacht und politisch gut gemeint, wird er schon vor der Premiere zum Konfliktstoff für Polen und die Ukraine.

"Wolyn" thematisiert als erster Spielfilm die Massaker, die Ukrainer im Jahre 1943 an der polnischen Bevölkerung im deutsch besetzten "Wolhynien" verübten, einer Region im Westen der heutigen Ukraine. Die Partisanengruppe UPA sah in den Polen ein Hindernis für einen künftigen ukrainischen Staat und griff deren Siedlungen an. Bei den Verbrechen starben etwa 100.000 Polen, bei Gegenwehr und Vergeltungsaktionen der polnischen Partisanenorganisation "Heimatarmee" kamen bis zu 20.000 Ukrainer ums Leben. Bis heute ist das ukrainisch-polnische Verhältnis dadurch belastet.

"Der Film soll eine Brücke bauen", glaubt Smarzowski. Eine Arbeitsfassung durften sich darum ukrainisch-polnische Paare anschauen, ihre verstörten Reaktionen zeigte er in einem Dokumentarfilm. Denn was landwirtschaftliche Geräte mit einem menschlichen Körper anrichten können, wird in "Wolyn" auf drastische Weise gezeigt.

Der Film verstört

Angelehnt an den Roman eines Überlebenden wird die Geschichte eines polnischen und eines ukrainischen polnischen Dorfes in Wolhynien 1939-1943 aus dem Blickwinkel der jungen Polin Zosia erzählt. Der Regisseur bemüht sich um Ausgeglichenheit, so werden negative polnische Charaktere gezeigt und erklärt, wie die Ukrainer vor dem Krieg in der polnischen Republik benachteiligt wurden. Der Film wurde am Freitag beim Gdynia-Filmfestival erstmals gezeigt und läuft Anfang Oktober in den polnischen Kinos an. Für die Ukraine hat sich kein Verleih gefunden. "Wir haben noch eine gekürzte Fassung für die westlichen Länder mit Karten und anderen Erklärhilfen" so Wojciech Smarzowski.

Das Thema wurde lange tabuisiert – in der Sowjetunion wie in der sowjetisch beeinflussten Volksrepublik Polen galt die Doktrin der slawischen Bruderliebe.

Zündstoff ist auch, dass die UPA-Partisanen nach der Unabhängigkeit der Ukraine zumindest im Westen des Landes Heldenverehrung genießen. Während des Krieges hatten sie zunächst in Allianz mit den Nazis gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft. Später gegen Nazis und Sowjets. Und schließlich bis in die 50er-Jahre gegen die Sowjets. Gerade jetzt, im Konflikt mit Russland, leben die Legenden vom antirussischen Widerstand auf.

Viele ukrainische Schauspieler sollen sich geweigert haben, in dem Film zu spielen, berichtet die ukrainische Autorin Oksana Sabuschko, die "Wolyn" eine "Schule des Hasses" nennt. Bei einer Vorpremiere in Warschau waren polnische Journalisten und Historiker von der Qualität des Films beeindruckt, sonst aber pessimistisch. "Weder Polen noch Ukrainer sind bereit für diesen Film" glaubt Zbigniew Gluza, Chef der liberalen Historiker-Stiftung "Karta". Viele fürchten, dass Moskau den Film nutzen könnte, um Polen und Ukraine gegen einander auszuspielen.

Die derzeitige Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gilt weiter als Partner Kiews im Konflikt mit Russland. Im Sejm wurde jedoch im Sommer eine Resolution verabschiedet, die die Massaker an Polen als "Völkermord" klassifiziert. Polnische katholische und ukrainische griechisch-katholische Geistliche haben mehrfach zur Versöhnung auf gerufen.

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