Das Freiluft-Labor feiert Geburtstag

Royal Flycatcher, Costa Rica
Eine Vorzeige-Station der Universität Wien begeht ihr 20-Jahr-Jubiläum

Kennen Sie den am weitesten entfernten Außenposten der Universität Wien? Das Observatorium am Sonnblick? Die Meeresbiologie-Station in Rijeka? Oder die Archäologen-Forschungsstelle in Kairo? Alles falsch! Der am weitest entfernte Außenposten der Universität Wien liegt im Regenwald von Costa Rica und ist die Tropenstation La Gamba. Dieser Tage feiert der „Regenwald der Österreicher“ 20. Geburtstag.

Wissensvorsprung

Wolfgang Wanek kämpft sich durch ebendiesen tropischen Regenwald im Südwesten von Costa Rica. Die feuchte Hitze, das Auf und Ab, die schlechten oder fehlenden Wege fordern ihren Tribut: „Mitunter braucht man für zwei Kilometer weit mehr als eine Stunde“. Warum sich der Ökologe das angetan hat? Wanek ist Projektleiter der interdisziplinären Forschungsinitiative Biodiversität und Ökosystemleistungen in tropischen Regenwäldern und menschlich genutzten Lebensräumen in der Region um den Golfo Dulce in Costa Rica (La Gamba, Regenwald der Österreicher) und war auf der Suche nach Freiluft-Labors. „24 solcher Beobachtungsflächen haben wir 2010 festgelegt“, erzählt Wanek und machte sich mit seinen Forscherkollegen daran, Mikroklima und Vegetation zu bestimmen, die Biomasse abzuschätzen und jeden Baum, der mehr als 10 Zentimeter Durchmesser hat, zu dokumentieren. „Wir reden hier von mehr als 14.000 Bäumen aus über 600 Arten“, sagt er.

Und wozu das Ganze? „Leuchtturmfunktion und Bündelung der Forschungsinteressen an einem Standort“, nennt es Wanek: „Viele Wissenschafter verschiedenster Forschungsrichtungen können an einem Ort zusammenarbeiten, Infrastruktur kann gemeinsam genutzt werden, Daten werden gemeinsam verwendet.“

Waneks Projekt ist nur eines von vielen im „Regenwald der Österreicher“, die in den vergangenen Jahren das Wissen vermehrt haben. Die österreichischen Wissenschaftler haben mehrere neue Arten entdeckt und herausgefunden, dass ihr Wald zu den Hotspots der Biodiversität in Zentralamerika gehört. Nur wenige Wälder der Welt sind ähnlich artenreich.

Naturwunder

Dabei sah es vor 15 Jahren ganz danach aus, als würde das Naturwunder verschwinden. Und es ist Schnitzler (nicht Arthur, sondern dessen Enkel Michael, einem Musiker) zu danken, dass es anders kam. Auf einer Reise nach Costa Rica erkannte er die akute Bedrohung des Esquinas-Regenwaldes. Die Regierung hatte zwar erklärt, dass das Gebiet ein Nationalpark werden soll, aber die Voraussetzung dafür war, dass die Grundstücke den Privatbesitzern regulär abgekauft würden. Nur: Der Staat hatte dafür kein Budget.

Und so organisierte Michael Schnitzler den Kauf des Landes durch Privatspenden. Mit den Geldern aus Österreich konnten bis heute an die 4000 Hektar freigekauft werden. 1993 wurde eine Wissenschaftsstation errichtet. Denn was gut erforscht ist, ist auch leichter zu bewahren. Die ersten Studenten der Universität kamen und bauten eine Wellblechhütte (siehe Geschichte rechts). Der Grundstein für den Universitätsaußenposten war gelegt.

Damit begann eine Erfolgsstory. Immer mehr Studenten bekamen Wind von dem Projekt, wollten hier forschen. Mittlerweile wurden mehr als 90 Diplomarbeiten und Dissertationen sowie etwa 30 Publikationen in Fachjournalen und zwei Bücher über La Gamba sowie die einzigartige Flora und Fauna verfasst. Seit Anfang 2010 bündelt die eingangs erwähnte interdisziplinäre Forschungsinitiative die Aktivitäten der Universität Wien und anderer Einrichtungen im Bereich Tropen- und Regenwaldforschung.

Tourismus

Unzählige Reisende haben die Tropenstation außerdem als Ausgangspunkt genutzt, um den Regenwald der Österreicher zu erkunden. Denn was als kleines privates Ökoprojekt begann, wurde längst auch zur Entwicklungshilfe- und Tourismus-Geschichte. Und zeigt auf, wie Forschung in Zukunft funktionieren könnte. Indem sich eine Privatinitiative, Universitäten und Ministerien zusammentun und spannende Wissenschaftsprojekte fördern und finanzieren.Offiziell gefeiert wird das 20-jährige Bestandsjubiläum am 5. Dezember mit einem Festakt („Von der Wellblechhütte zur Forschungsstation – 20 Jahre Tropenstation La Gamba“, 18.30 Uhr, Kleiner Festsaal der Universität Wien).www.lagamba.at

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