Bukarests Jagd auf Streuner

Ein Kind starb durch eine Hunde-Attacke, nun soll ein Referendum über die Tötung Tausender Tiere entscheiden.

Ionut Anghel war vier Jahre alt, er starb Anfang der Woche durch den Angriff von Streunerhunden in einem Park in Bukarest. Das Problem der rumänischen Hauptstadt mit ihren Straßenhunden ist ein altes, doch nun ist der Streit um die Handhabe neu entflammt - Gesetze wurden nicht durchgesetzt, Gelder für eine Problemlösung verschwanden in der Vergangenheit allzu oft in der Versenkung. Nun halten die Behörden nur noch die generelle Tötung der Tiere als gangbaren Ausweg.

Bukarest, das "kleine Paris", ist Heimat von rund 60.000 Straßenhunden. Mehr als 6000 Menschen wurden in den ersten vier Monaten des Jahres bereits gebissen, wie der Independent berichtet. Die Hunde bilden eine ganze Armee. Die enorme Zahl hat ihren Ursprung in kommunistischen Zeiten: Die Umsiedlungen, die im Rahmen der Urbanisierung unter Nicolae Ceausescu durchgeführt wurden, hatten auch viele Hunde obdachlos gemacht. Und die Anzahl steigt und steigt.

Nur ein Zehntel der Hunde konnten laut einer Statistik der Tierschutz- und Aufsichtsbehörde (ASPA) 2012 sterilisiert und mit Ohrchips versehen werden. Die Stadt verfügt nur über zwei Tierheime, in denen insgesamt 350 Hunde - das sind vier Prozent - untergebracht werden können. Weitere Heime gehören den Tierschutzorganisationen, wobei einige davon nicht behördlich zugelassen sind, beziehungsweise gegen geltende Gesetze verstoßen, wie bei einer Kontrolle des Bürgermeisteramtes im Sommer ermittelt wurde.

In Bukarest ist das Füttern der Hunde verboten und wird - theoretisch - mit Geldstrafen geahndet. Doch große Teile der Bevölkerung füttern dennoch, und tragen so zum Problem bei: Die Hunde bilden Rudel und entwickeln territoriales Verhalten.

Referendum

Während nun Tierschützer und Hunde-Gegner auf die Straßen gehen und gegeneinander demonstrieren, will Bukarests Bürgermeister Sorin Oprescu eine lokale Volksbefragung darüber abhalten lassen, ob Tausende Hunde eingeschläfert werden sollen. Auch Präsident Traian Basescu ist für die Tötung und forderte die Regierung auf, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.

Im Jänner 2011 war ein Gesetz, das das Einschläfern von Straßenhunden erlaubt hätte, vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden – eine Entscheidung, die Tierschutzorganisationen sowie zahlreiche Persönlichkeiten begrüßten, die sich an einer Kampagne gegen die Richtlinie beteiligt hatten. Im November 2011 wurde eine abgeschwächte Form des Gesetzes verabschiedet, wonach die Verantwortung den lokalen Behörden übertragen wurde – diese dürfen nach entsprechenden Volksbefragungen dezentral Maßnahmen zur Beseitigung der Straßenhunde treffen, das Einschläfern miteingeschlossen. Nach derzeitigem Stand dürfen die Streunerhunde getötet werden, falls sie nachweislich aggressiv oder unheilbar krank sind.

Versäumnisse

In Rumänien wurde das Problem in den vergangenen Jahren immer wieder verschleppt. Die Verpflichtung zur Einrichtung spezieller Tierheime wurde ebenso wenig eingehalten wie das damalige Versprechen des Bukarester Bürgermeisters, in Zusammenarbeit mit den NGOs das Problem binnen einigen Monaten zu lösen. Wie die Tageszeitung Romania Libera berichtete, gibt die ASPA für die Sterilisierung der Straßenhunde nur ein Prozent ihres Jahresbudgets von 3,2 Millionen Euro aus. Der Großteil wird für „administrative Tätigkeiten“ und „Büroausstattung“ veranschlagt, obwohl die Behörde nur drei Einsatzteams mit jeweils vier Mitgliedern hat. Für das Futter der in den Heimen aufgenommenen Tiere seien nur 23.000 Euro, für den hygienischen Bedarf nur 190.000 Euro vorgesehen.

Dabei gibt es in Rumänien viele Tierschützer, die nun entsetzt sind von der Möglichkeit, alle Hunde könnten eingeschläfert werden. Sie schlagen etwa den dringend notwendigen Bau neuer Tierheime vor oder die tatsächliche Durchführung systematischer Sterilisationen.

Doch zumindest Basescus Haltung ist klar: "Sterilisation ist keine Lösung mehr", sagte er bei einer Rede. "Ihre Fänge verlieren sie dadurch nicht." Um zu beweisen, dass er kein notorischer Hunde-Hasser ist, postete Basescu später Fotos auf seiner Facebook-Seite, zusammen mit seinen drei adoptierten Hunden.

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