Brand in Londoner Hochhaus: Opferzahl steigt auf 30

Laut Polizei gibt es 30 Tote, viele gelten noch als vermisst. Spekulationen um Brandursache. Brandschutz hätte für 5000 Pfund verbessert werden können.

Nach dem verheerenden Hochhausbrand in London gelten einem Medienbericht zufolge immer noch mehr als 70 Menschen als vermisst. Es sei zu befürchten, dass sie ums Leben gekommen seien, berichtete die Zeitung "The Sun" am Freitag. Die Polizei hat bisher den Tod von 30 Menschen bestätigt, bisher war man von 17 ausgegangen.

Die Opferzahl könnte aber noch weiter steigen. Auf die Frage, ob es mehr als 100 Todesopfer sein könnten, sagte Polizeichef Stuart Cundy am Donnerstag: "Ich hoffe, dass es nicht eine dreistellige Zahl sein wird." Und Cundy fügte hinzu, dass möglicherweise viele Opfer gar nicht mehr identifiziert werden können.

Syrischer Flüchtling unter den Opfern

In der Zwischenzeit wurde das erste Opfer identifiziert. Es handelt sich um einen syrischen Flüchtling namens Mohammed Alhajali. Sein Bruder Omar brach in Tränen aus, als er von der Flucht der beiden aus dem 14. Stock berichtete. Omar dachte, dass sein Bruder entkommen konnte, er hatte ihn allerdings aus den Augen verloren. Nun wurde bekannt, dass Mohammed es nicht ins Freie geschafft hat. Kurz vor seinem Tod hatte er noch mit Omar telefoniert: "Warum hast du mich allein gelassen. Ich sterbe. Ich kann nicht atmen."

24 Menschen werden noch in Krankenhäusern der britischen Hauptstadt behandelt. Der Zustand von zwölf Patienten sei derzeit kritisch, teilte die Gesundheitsbehörde am Freitag mit.

Besserer Brandschutz für 5000 Pfund mehr

Die Experten sind sich unterdessen sicher, dass das Material der Fassade eine entscheidende Rolle beim der raschen Ausbreitung der Flammen gespielt hat. Die britische Times berichtet, dass gegen einen Mehrpreis von lediglich 5000 Pfund ein anderes, schwerer entflammbares Material hätte verbaut werden können. Die Times beruft sich auf einen Mitarbeiter der US-Firma Reynobond, die die Paneele herstellt. Statt 22 Pfund für Dämmstoff mit Polyethylen wären laut dem Bericht pro Quadratmeter 24 Pfund für brandresistenteres Material fällig gewesen. Das am Hochhaus verwendete Material sei außerdem in den USA seit 2012 verboten - "wegen der Ausbreitung von Feuer und Rauch".

Angebracht wurden die Fassadenteile von der Firma Harley Facades, die in einer Erklärung mitteilte, dass sie keine Verbindung zwischen dem Brand und der Außenverkleidung sehe. Auch die für die Renovierung zuständige Firma Rydon versicherte, bei der Sanierung seien alle Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften eingehalten worden.

Der "Daily Telegraph" zitierte einen Brandschutzexperten, wonach die Panele wie ein "Windkanal" gewirkt hätten. Die Fassade mit ihren Hohlräumen habe "wie ihr eigener Kaminzug gewirkt", sagte Arnold Turling. Wie die Zeitung weiter berichtete, hatte das Gebäude zudem keine zentrale Sprinkler-Anlage und keine Feuerschutztüren.

Auf der Suche nach der Feuerursache können bisher weder Brandstiftung noch ein technischer Defekt ausgeschlossen werden. Die "Daily Mail" berichtete, dass der Brand in der Wohnung eines Taxifahrers im vierten Stock ausgebrochen sei. Scheinbar geriet ein Kühlschrank in Brand. Premierministerin Theresa May kündigte eine unabhängige Untersuchung des Unglücks an, auch um aufzuklären, ob der Brandschutz mangelhaft war.

In Italien bangt man um ein vermisstes, junges Paar aus der Region Venetien. Die beiden 27-jährigen Architekten waren im März nach London gezogen und hatten im Grenfell Tower eine Wohnung gemietet.

"Wir hegen kaum noch Hoffnung, dass Gloria und Marco noch am Leben sind. Doch bis zum Schluss wollen wir an ein Wunder glauben", sagte der Vater des jungen Mannes aus der Provinz Venedig, der mit seiner aus der Nähe von Padua stammenden Freundin nach London gezogen war. Die junge Frau habe sich aus dem brennenden Haus telefonisch noch von ihrer Mutter verabschiedet. "Unser Sohn hat uns noch gesagt, dass die Wohnung voller Rauch und die Lage kritisch war. Danach haben wir nichts mehr von ihm gehört", berichtete der Vater. Ein Bruder des Vermissten reiste nach London.

Der Brand in der Nacht auf Mittwoch hat den 24-stöckigen Grenfell Tower im Stadtteil North Kensington zerstört. In dem Sozialblock lebten bis zu 600 Menschen in mehr als 120 Wohnungen. Premierministerin Theresa May hat eine umfassende Untersuchung der Ursache angekündigt.

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