Witwe des Boston-Bombers als Schlüsselfigur

NICHT VERWENDEN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! April 20, 2013 - Cambridge, Massachusetts, USA: American wife of marathon bomber Tamerlan Tsarnaev, Katherine Russell, leaving the house where he lived on Norfolk street in Cambridge, the day after Tsarnaev, the Boston marathon bomber was killed in a shootout with police. They have a three year old daughter. Tsarnaev was married to Katherine Russell, who grew up in North Kingstown, Rhode Island, where her father Russell is a doctor and her mother a nurse. The 24-year-old woman was raised a Christian and converted to Islam after marrying Tsarnaev when she was a student. (William Farrington / Polaris) ///
Die Witwe von Tamerlan Zarnajew könnte eine wichtige Zeugin werden. Gegen den 19-jährigen Dschochar wurde Anklage erhoben.

Katherine Russell, 24, war ein ganz normales amerikanisches Mädchen bis sie sich 2010 in den jetzt getöteten Terroristen, den damaligen Boxer Tamerlan Zarnajew, verliebte. Für ihn gab die Tochter eines Notarztes und einer Krankenschwester aus Rhode Island das Studium an der Suffolk University in Boston auf, konvertierte zum Islam und arbeitete zuletzt 70 bis 80 Stunden pro Woche als Hilfskrankenschwester, während Tamerlan auf die gemeinsame dreijährige Tochter Zahara aufpasste.

So soll es auch die ganze Horror-Woche in Boston über gewesen sein. Kathie, wie sie von Freundinnen genannt wurde, bevor sie eine völlig andere, ernste und streng verschleierte Frau wurde, will nichts mitbekommen haben von den Plänen ihres Mannes und Schwagers. Erst als sie die Bilder der Brüder im Fernsehen sah, dämmerte ihr das Schreckliche.

Ihre Mutter, Judith Russell, verlas an der Haustür ihres bürgerlichen Anwesens in Rhode Island ein kurzes Statement der Familie: „Unsere Tochter hat ihren Ehemann und den Vater ihres Kindes verloren. Wir können nicht verstehen, wie diese furchtbare Tragödie passieren konnte. Aber unter dem Eindruck des Horrors am Patriot’s Day wissen wir, dass wir Tamerlan Zarnajew nie gekannt haben. Unsere Herzen sind gebrochen, seit wir wissen, welchen Horror er verursacht hat.“ Als die Behörden die Witwe am Sonntag im Haus ihrer Eltern einvernehmen wollten, gab sie keine Auskunft. Ihr Anwalt Amato DeLuca sagte: „Als das Attentat passierte, war sie in der Arbeit.“ Bei wem dann die kleine Tochter war, sagte er nicht. Und soweit er weiß, schien in dieser Woche bei der Familie „nichts anders als sonst.“

Schulfreundinnen von Katherine Russell behaupten aber, dass ihre blonde Freundin wohl eine Gehirnwäsche durchgemacht habe. 2009 wurde Tamerlan Zarnajew von der Polizei festgenommen, weil er seine damalige Freundin geschlagen hatte. Als er ein Jahr später Katherine kennenlernte, ging sie ohne Abschluss von der Uni und wurde als ungelernte Krankenschwester zur Familienerhalterin.

Isolation

Aus Geschichten von Verwandten und Bekannten der Zarnajews kristallisierte sich in den vergangenen Tagen Ähnliches heraus. Tamerlan habe eine vereinnahmende Art gehabt. Vor allem, seit er sich ab 2009 zunehmend radikalislamischen Ideen zuzuwenden begann. „Du weißt, wie mich der Islam verändert hat“, sagte er damals zu seiner Mutter, die er ebenfalls dazu brachte, sich zu verschleiern. Die hübsche Zubeidat hatte davor gern High Heels und aufreizende Kleider getragen, erzählen Freunde. Die Ehe mit dem Vater der Brüder zerbrach vor zwei Jahren. Vater Ansor war depressiv und krank und ging nach Dagestan. Auch die Mutter folgte später.

Als die Brüder allein in Amerika zurückblieben, isolierte sich der ältere der beiden zusehends. Auch mit hohen Mitgliedern der islamischen Gemeinschaft in seiner Nachbarschaft zerstritt sich Tamerlan.

Der jüngere Dschochar, der von Freunden und Studienkollegen als lebensfroh und freundlich beschrieben wird, schaute zu Tamerlan auf. Ein Mechaniker erinnert sich gegenüber dem Wall Street Journal: „Wenn Dschochar alleine hier war, war er redselig. War sein Bruder mit, war er still.“

Zivilverfahren

Dschochar Zarnajew liegt jetzt unter anderem mit schweren Schussverletzungen am Rachen im Beth Israel Deaconess Medical Center von Boston – wo auch elf der Opfer der Marathon-Bomben liegen. Er ist Sonntagabend aufgewacht, verliere aber immer wieder sein Bewusstsein, heißt es aus Ermittlerkreisen.

Dschochar, der möglicherweise nie mehr sprechen kann, beantwortet Fragen des FBI schriftlich. Über die Inhalte der Befragung wurde noch nichts bekannt. Die wichtigsten Fragen der Ermittler sind jene nach möglichen Komplizen (siehe unten). Bei Durchsuchungen wurden mindestens vier Sprengsätze gefunden, was auf weitere geplante Anschläge hindeutet.

Eröffnet wurde dem 19-Jährigen inzwischen, dass Anklage gegen ihn erhoben wird. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, erklärte, Zarnajew werde nicht als "feindlicher Kämpfer" behandelt, wie dies von einigen Republikanern gefordert worden war. "Wir werden diesen Terroristen durch unser ziviles Justizsystem bestrafen", so Carney. Das Justizsystem habe seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 bewiesen, dass es der anhaltenden Bedrohung gewachsen sei. Nach Informationen vonn CNN soll der Prozess voraussichtlich am 30. Mai starten. Zarnajew droht wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen die Todesstrafe.

Prozess

Die „Miranda-Rechte“ gelten im US-Justizsystem als wichtige Grundlage für einen fairen Prozess. Sie besagen u. a., dass jeder Verdächtige vor einer Befragung über sein Recht zu schweigen und über sein Recht auf anwaltlichen Beistand beim Verhör informiert werden muss. Diese Regelung geht auf das Miranda-Grundsatzurteil aus dem Jahr 1966 zurück. Damals wurde das Geständnis des Angeklagten Ernesto Miranda nicht vor Gericht zugelassen, weil er zuvor nicht auf das Recht zu schweigen hingewiesen worden war.

Ausnahmeregelung

Die „Miranda-Rechte“ können ausgesetzt werden, wenn der Festgenommene als „feindlicher Kämpfer“ eingestuft wird oder wenn Terror-Gefahr besteht.

Dem Alkohol hatte er abgeschworen, fünf Mal pro Tag betete er und sein Bart, Kennzeichen jedes orthodoxen Muslimen, wurde immer länger. Als Tamerlan Zarnajew im März 2012 in der russischen Kaukasusrepublik Dagestan eintraf, war er – zumindest nach außen – strenggläubig. Der Ältere der beiden Brüder, die für die Attentate von Boston verantwortlich gemacht werden, war im Vorjahr in das Land zurückgekehrt, in dem er den Großteil seiner Jugend verbracht hatte. Seine Eltern trafen ein paar Wochen nach ihm dort ein und blieben bis heute.

Tamerlan wollte, das machen seine von internationalen Reportern befragten Verwandten deutlich, den wahren Islam und damit auch sich selbst finden.

Witwe des Boston-Bombers als Schlüsselfigur
Der damals 25-Jährige, der in den USA immer ein Einzelgänger geblieben war, blieb sechs Monate in der Hauptstadt Machatschkala, unterbrochen nur von einer mehrtägigen Reise in die Nachbarrepublik Tschetschenien. Von dort waren einst seine Eltern geflohen.

Tamerlan und sein jüngerer Bruder hatten in sozialen Netzwerken immer wieder Sehnsucht nach Tschetschenien geäußert. Ob Tamerlan während seiner Zeit in Dagestan weitere Kontakte nach Tschetschenien oder sogar zu Terrorgruppen hatte, ist vorerst unbekannt. Die berüchtigtste unter diesen Gruppen, die „Mudschahedin des Kaukasus“, haben Verbindungen zu Tamerlan dementiert.

Freunde und Familienmitglieder in Dagestan erinnern sich an den Studenten als unsicheren jungen Mann. Er habe nicht wie jemand gewirkt, der terroristische Pläne schmiede. Er habe lang geschlafen, sei zu Hause herumgehangen und habe seinem Vater bei der Renovierung eines Geschäftes geholfen. Was ihn aber zutiefst fasziniert haben soll, war die Allgegenwärtigkeit des Islam. Anfangs noch ein typischer Amerikaner, der seinen örtlichen Bekannten als fremd erschien, tauchte Tamerlan immer tiefer in das religiöse Leben ein. Er sei so glücklich, teilte er seiner Tante mit, dass man überall die Muezzins hören könne.

Es ist die brennendste Frage der CIA- und FBI-Ermittler dieser Tage: Hat das Brüderpaar Zarnajew allein gehandelt, oder gab es Hintermänner?

Am Sonntag hatte der Polizeichef von Watertown noch bestätigt, dass Dschochar und Tamerlan Zarnajew zu zweit gehandelt hätten. Nach der Festnahme des jüngeren Bruders erklärte Edward Deveau: „Nach dem, was wir wissen, waren sie allein. New England ist wieder sicher.“

Doch laut einem Bericht des britischen Mirror sollen die Brüder das Attentat während des Boston-Marathons am Montag vergangener Woche nicht ohne Hilfe geplant haben. Auf ihrer Internetseite berichtet die Zeitung, dass die Polizei bereits in der Nacht auf Montag eine „Schläfer-Zelle“ verfolgt habe, die die beiden trainiert haben soll.

Demnach sollen unweit von Boston am frühen Montagmorgen ein junger Mann und zwei Frauen festgenommen worden sein. Das Netzwerk könnte bis zu zwölf Mitglieder haben. Die Zeitung beruft sich auf US-Ermittlerkreise.

„Wenn Tamerlan Zarnajew auf dem Radar des FBI war und sie ihn gehen ließen, warum haben sie ihn dann nicht weiter beobachtet?“ Fragen wie jene des republikanischen Kongress-Abgeordneten Michael McCaul und wahrscheinlich noch viel mehr Kritik wird sich das FBI in den kommenden Tagen stellen müssen, nachdem bekannt wurde, dass die Bundesbehörde den älteren der beiden Boston-Attentäter bereits 2011 befragt hatte.

Damals war das FBI dem Hinweis des russischen Geheimdienstes nachgegangen: Dieser verdächtigte den gebürtigen Tschetschenen, radikal-islamischen Überzeugungen anzuhängen und möglicherweise eine Bedrohung darzustellen. Das FBI nahm daraufhin den damals 24-Jährigen unter die Lupe, befragte ihn und sämtliche seiner in den USA lebenden Verwandten, durchforstete seine Telefongespräche, Internet-Gewohnheiten und Reisen – und fand nichts. Anhaltspunkte für „terroristische Aktivitäten“ seien nicht ermittelt worden, heißt es.

YouTube-Videos

Doch die gröbsten Versäumnisse dürften erst danach passiert sein. Einige Monate nach der Befragung reiste Tamerlan Zarnajew für ein halbes Jahr nach Dagestan. Nach seiner Rückkehr in die USA aber interessierte sich das FBI offenbar nicht mehr für den späteren Attentäter. Und das, obwohl der junge Vater einer Tochter via YouTube sofort radikal-islamische Rhetorik ins Netz stellte. „Meiner Meinung nach ist in diesen sechs Monaten eindeutig etwas passiert, er hat sich radikalisiert“, schreibt der mit Geheimdienstaufgaben betraute Kongressabgeordneter McCaul in einem offenen Brief. Darin wirft er dem FBI „geheimdienstliches Versagen“ vor.

Der Bostoner Polizei dürfte Zarnajew nach seiner Rückkehr aus Dagestan aber schon aufgefallen sein. Sie bat beim FBI um Informationen über den Mann – erhielt aber nie eine Antwort.

Versagt

„Das ist nur der Letzte in einer Serie von Fällen wie diesen“, ärgert sich auch US-Abgeordneter Peter T. King über das FBI. „Das FBI hat Informationen über einen potenziellen Terroristen. Sie schauen ihn an und machen dann nichts, und der begeht dann Verbrechen.“ Er kenne allein fünf Fälle, wo das FBI versagt habe, so King: Darunter der dem FBI wegen radikal-islamischer Aussagen bekannte Nidal Malik Hasan, der auf einer Militärbasis in Fort Hood vor vier Jahren 13 Menschen erschossen hatte.

Auch vor den 9/11-Attentaten hatte das FBI fatale Fehler gemacht. Damals war FBI-Mitarbeitern aufgefallen, dass Flugschüler aus Saudi-Arabien, darunter Mohammed Atta, wohl fliegen, aber nicht landen lernen wollten. Ihr Bericht interessierte die FBI-Vorgesetzen nicht – bis zum 11. September 2001.

Ganz Amerika nimmt Anteil an dem Schicksal eines jungen Paares aus Boston, das allen besonders nahe geht. Jessica Kensky Downes, 32, und ihr frisch angetrauter Ehemann Patrick Downes wollten am Montag der Vorwoche die Marathonläufer mit ihrem aufmunternden Applaus sozusagen ins Ziel tragen. Plötzlich explodierte in ihrer unmittelbaren Nähe eine der Bomben. Die Krankenschwester und der angehende Psychologe wurden schwerst verletzt in zwei unterschiedliche Spitäler gebracht. Dort mussten die Ärzte sowohl den linken Unterschenkel der Frau als auch den linken Unterschenkel des Mannes amputieren.

Freunde des Paares zeigten sich zutiefst erschüttert und richteten ein Spendenkonto für die Downes ein. Die Anteilnahme war so groß, dass im Nu rund eine halbe Million Dollar gesammelt werden konnte.

Auch die tragische Geschichte des 27-jährigen Jeff Baumann bewegte und bewegt die amerikanische Öffentlichkeit. Der junge Mann sah, wie einer der Attentäter den Rucksack mit der Bombe abgelegt hatte. „Ich sah den Typen, er schaute mich direkt an“, gab Baumann später an.

Doch er maß der Szene keine weitere Bedeutung bei und konzentrierte sich wieder auf die Marathonläufer, denn auch seine Freundin war dabei. Baumann wollte sie nach der Ziellinie in die Arme schließen. Doch so weit kam es nicht mehr. Der Sprengkörper explodierte und zerfetzte die Beine des 27-Jährigen. Im Spital mussten beide Beine unterhalb des Knies abgenommen werden.

Unmittelbar nach der Notoperation im Krankenhaus lieferte Baumann wichtige Hinweise, die schließlich auf die Spur der Bomben-Brüder führte: Er konnte einen der Täter bis ins kleinste Detail beschreiben.

Auch für den jungen Mann wurde ein Spendenkonto eingerichtet, auf dem bis jetzt 400.000 € eingelangt sind.

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