"Blut der Märtyrer": Martialische Turkish-Airlines-Information

Eine Turkish-Airlines-Maschine
Turkish Airlines präsentiert Passagieren in ihren Flugzeugen eine hochpolitische Erklärung des Putschversuchs.

Passagiere der Fluglinie Turkish Airlines erleben dieser Tage eine ungewöhnliche Begrüßung am Sitzplatz: Über die Bord-Bildschirme läuft ein Statement der Airline zum Putschversuch in der Türkei am 15. Juli, wie der Passagier Florian Aigner auf Facebook und gegenüber kurier.at berichtet.

In der Botschaft bedankt sich die Airline bei Bürgern und Kollegen dafür, dass der Flugbetrieb rasch wiederhergestellt werden konnte. Ansonsten liest sie sich aber eher als politisches Manifest denn als Informationsschreiben für die Passagiere.

"Unsere noblen Bürger, die unser Land mit dem Opfer ihres Lebens gründeten, haben einmal mehr heldenhaft über unsere Unabhängigkeit und Demokratie gewacht. Wir verurteilen jene scharf, die den Willen des Volkes verraten und die diese Verräter unterstützt haben", heißt es etwa. Turkish Airlines befindet sich im Besitz des türkischen Staats (49,12 Prozent), der Rest ist im Streubesitz (51,88 Prozent).

"Blut der Märtyrer": Martialische Turkish-Airlines-Information

"Blut der Märtyrer" über den Wolken

Gegen Ende des Schreibens, das nach kurier.at-Informationen zumindest auf Flügen von Istanbul nach Wien, sowie von Singapur nach Istanbul zu lesen war, wünscht die Fluglinie die "Gnade Allahs für alle Märtyrer, die in liebevoller Erinnerung in die Geschichte eingehen werden für ihre patriotische Anstrengung und Courage. Wir wünschen Geduld für ihre HInterbliebenen und eine rasche Genesung für die Verletzten. Mit unbeirrbarer Loyalität zu unserem Land und unerschütterlichem Vertrauen in unsere Zukunft werden wir auch künftig mit Stolz unsere Flagge tragen, deren Farbe das Blut unserer Märtyrer repräsentiert, überall in der Welt."

Nicht nur die Einmischung einer Fluglinie in politische Belange, auch die martialische Sprache könnte auf viele Passagiere befremdlich wirken. Turkish Airlines war auf Anfrage zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Gängige Staatsrhetorik

Doch was auf Englisch und in deutscher Übersetzung eher brutal klingt, ist in der Türkei nichts ungewöhnliches. Das "Blut der Märtyrer" etwa geht auf die gängigste Legende zur Entstehung der türkischen Flagge zurück: Nach einer historischen Schlacht hätten sich demnach Mond und Sterne in einer Blutlacke osmanischer Soldaten gespiegelt. Die Geschichte lernen Türken schon in der Schule.

"Aus kulturwissenschaftlicher Sicht ist das gängige türkische Staatsrhetorik: Das Narrativ von Blut und Boden und der gerechten Sache und das Bemühen, eine Heldengeschichte aufzubauen", sagt der Türkei-Experte Kenan Güngör. "Auf Türkisch hört sich so etwas ganz normal an. Das Interessante ist, dass das unheimlich befremdlich wirkt, sobald man es in eine andere Sprache übersetzt."

Abgesehen von der Sprache glaubt Güngör im Inhalt die Handschrift der regierenden AKP und Präsident Erdogan zu erkennen. So heißt es in dem Statement für die Passagiere weiter: "Die ganze Türkei stellte sich mit geeinten Herzen gegen den Putschversuch in der Nacht des 15. Juli 2016. Unsere noblen Mitbürger, die unser Land mit dem Opfer ihres Lebens gründeten, haben einmal mehr heldenhaft über unsere Unabhängigkeit und Demokratie gewacht. We verurteilen jene scharf, die den Willen des Volkes verraten und die diese Verräter untersützt haben."

Glorifizierung statt Information

"Dass sich hier eine Fluggesellschaft vor den Karren spannen lässt und zur Glorifizierung des Staatspräsidenten benutzt wird, ist problematisch", sagt er. Denn: "Das ist ganz klar AKP-Ideologie. Das Problem ist, dass der Staat alle Institutionen sehr stark unter seine Kontrolle gebracht hat, sodass sie fast Propagandafunktionen übernehmen." Es gebe einen Unterschied zwischen der Information von Flugpassagieren und der Selbstinszenierung eines Staatschefs.

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