Dutroux will auf freien Fuß

Convicted child rapist Marc Dutroux stands in the dock in the Arlon courthouse, southeast Belgium, in this March 8, 2004 file photo. When the bodies of two schoolgirls were found dumped by a railway line in Belgium in June 2006, public horror rang to cries of "not again" as the country confronted memories of Dutroux's paedophile killings. To match feature BELGIUM CRIME REUTERS/Thierry Roge/Files (BELGIUM)
Marc Dutroux wurde in Brüssel angehört - seine Chancen auf Entlassung sind mehr als gering.

Eine Polizei-Eskorte im Morgengrauen, Stacheldraht und Metalldetektoren: Wenn der Schwerverbrecher Marc Dutroux seine Zelle verlässt, gilt in Belgien die höchste Sicherheitsstufe. Der verurteilte Mörder durfte am Montag das Gefängnis mit einem Saal im Brüsseler Justizpalast tauschen. Belgiens Krimineller Nummer eins kämpft vor Gericht für seine vorzeitige Entlassung aus der Haft. 2004 als Mörder mehrerer Mädchen zu lebenslang verurteilt, hat Dutroux niemals die Hoffnung aufgegeben, doch wieder auf freien Fuß zu kommen.

Der Mann, der laut Gerichtsurteil ein Psychopath ist, blieb der Öffentlichkeit aber verborgen. Dutroux betrat den Sitzungssaal 014 durch einen Hintereingang. Polizisten in schusssicheren Westen hatten ihn am frühen Morgen aus dem 25 Kilometer entfernten Nivelles abgeholt. Im Justizpalast schlossen die Beamten Ausgänge und sperrten Flure mit Stacheldraht ab. Die Vorsicht ist angebracht: 1998 gelang Dutroux bei einem Gerichtstermin in Neufchateau die Flucht, erst Stunden später spürten Fahnder ihn in einem Waldstück auf.

Vor dem Justizpalast blieb es am Montag erstaunlich ruhig. Nur wenige Demonstranten hielten Schilder hoch mit der Aufschrift: "Hängt die Pädophilen" und "Dutroux muss in Haft bleiben".

Dutroux, der Provokateur

Die Affäre Dutroux erschüttert Belgien seit Jahrzehnten. Sechs Mädchen entführte Dutroux in den 90er-Jahren, folterte und vergewaltigte sie, vier starben. Und auch heute noch erregt sein Antrag die Gemüter. "Es ist mal wieder eine der Provokationen, die er so liebt", schrieb die Zeitung La Libre Belgique. Und Le Soir meinte: "Dutroux auf freiem Fuß: Diese Idee stammt aus dem Reich der Fiktion und kollektiven Fantasie."

Sogar sein Arzt widerspricht

In der Tat schließen Juristen eine baldige Freilassung Dutroux aus. Der Mann erfülle keine der notwendigen Vorbedingungen, heißt es. Denn Dutroux müsste per Gutachten belegen, dass von ihm, dem mehrfachen Mörder, keine Gefahr mehr ausgeht. Zudem müsste er einen Aufenthaltsort sowie eine Beschäftigung vorweisen.

Dass Dutroux sich wirklich geändert hat, bestreitet selbst sein Arzt Michel Matagne, der demnächst ein Buch über seinen Patienten veröffentlichen will. Matagne sagte belgischen Medien: "Dutroux hat sich seit seiner Jugend in seinem Kopf einen Kokon geschaffen mit seiner eigenen Wahrheit - und darin lebt er immer noch." Grund dafür sei, dass er von klein auf von seinen Eltern, einem Lehrerehepaar, zu wenig Liebe und Hinwendung bekommen habe.

Resozialisierungsplan

Dutroux und sein Anwalt Pierre Deutsch arbeiten eifrig an einem Resozialisierungsplan, um die Auflagen für eine Freilassung zu erfüllen. "Wir haben einiges getan, um das Gericht zu überzeugen", sagte Deutsch La libre Belgique, ohne Details zu nennen. "Ich hoffe, dass die Richter nicht unter dem Druck der Öffentlichkeit einknicken." Am Montag wurde jedenfalls noch keine Entscheidung des Gerichts erwartet.

Nach Informationen der Tageszeitung Le Soir gibt es einen Mann in Antwerpen, der bereit sei, Dutroux aufzunehmen. Als Vorbild dient Dutroux seine Ex-Frau Michelle Martin, die im vergangenen August nach 16 Jahren Haft freigekommen ist. Doch ihr Fall lag anders: Martin war nur seine Komplizin. Ihre Taten - sie ließ zwei Mädchen im Keller des Hauses verhungern - bedauerte sie. Zudem lebt Martin seit ihrer Freilassung in einem Kloster.

Bis heute kein Freigang

Bisher zeigt sich die Justiz hart: Im April 2012 bat Dutroux um Freigang für einen Tag. Die Gefängnisleitung lehnte ab. Doch der Mann, der sich dauernd über seine Haftbedingungen beschwert, lässt nicht locker. Nun will er die Freiheit mit elektronischer Fußfessel erreichen.

In der belgischen Öffentlichkeit herrscht die Gewissheit vor, dass die Regierung eine Freilassung von Marc Dutroux verhindern wird. Dazu bietet das Urteil von 2004 eine Möglichkeit: Es hatte "lebenslang" gelautet plus eine zusätzliche Sicherungsverwahrung von zehn Jahren, über die die Regierung entscheidet. Sie könnte Dutroux somit in Haft behalten, selbst wenn eine Entlassung genehmigt würde.

Das Gericht hat zwei Wochen Zeit, um eine Entscheidung zu treffen.

Sein Name wurde zum Inbegriff für grausamste Sexualverbrechen an Kindern: Marc Dutroux. Der Belgier wird von Opfern und Medien als "Monster" und "Psychopath" bezeichnet. Mit unvorstellbarer Grausamkeit entführte und folterte Dutroux in den 1990er-Jahren sechs Mädchen, vier davon starben. Seine Mädchenmorde, aber auch zahlreiche Ermittlungspannen erschütterten das Königreich.

Dutrouxs kriminelle Karriere ist lang: Schon als Jugendlicher gingen Diebstähle auf sein Konto. Wegen des Verkaufs pornografischer Fotos flog er von der Schule, bevor er Elektriker wurde. Festgenommen wurde Dutroux erstmals 1986 wegen Entführung und Vergewaltigung von fünf jungen Frauen. 1989 erhielt er dreizehneinhalb Jahren Haft. Da Dutroux als Musterhäftling galt, kam er wegen guter Führung schon 1992 wieder auf freien Fuß - trotz der Warnung von Experten, dass es sich um einen "perversen Psychopathen" handele.

Nach der Entlassung nahm Dutroux keine geregelte Arbeit mehr an und lebte mit seiner zweiten Frau, der Lehrerin Michelle Martin, und drei gemeinsamen Kindern offiziell von Sozialhilfe. Geld besorgte er sich aber auch mit Autoschiebereien und Diebstählen. Dann begann er wieder, Mädchen zu entführen, die er zu abscheulichen sexuellen Handlungen zwang. Dutroux hatte für seine Opfer im Keller ein geheimes Verlies gebaut. Dort wurden 1996 zwei der Mädchen noch lebend gerettet, nachdem Dutroux festgenommen worden war.

In einem "belgischen Jahrhundertprozess" gestand Dutroux nur die Taten, die ihm nachgewiesen wurden. Das Urteil lautete 2004: Lebenslange Haft. Der heute 56-Jährige glaubt aber fest daran, eines Tages wieder frei zu sein. Im September hat Dutroux einen Antrag auf vorzeitige Entlassung - überwacht durch eine Fußfessel - gestellt. Kurz zuvor war seine Ex-Frau Michelle Martin freigekommen und lebt seitdem in einem Kloster.

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