Antrag aus Moskau: Wird der Nordpol bald russisch?

Antrag aus Moskau: Wird der Nordpol bald russisch?
Russland untermauert bei den Vereinten Nationen Gebietsansprüche in der Arktis.

Der hochbrisante Antrag aus Moskau ist 2000 Seiten lang, aber er lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Russland will den Nordpol. „Die Arktis gehört uns“, betont Artur Tschilingarow, der Sonderbeauftragte des Kreml. Mit einem Dossier bei den Vereinten Nationen hat Moskau einem früheren Vorstoß nun Nachdruck verliehen.

Rund 1,2 Millionen Quadratkilometer will Russland zugesprochen bekommen, eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Frankreich. Der Nordpol gehört dazu. Es ist eine Initiative mit massiver geopolitischer Bedeutung - denn etwa auch die USA erheben Ansprüche. Und es ist ein verbissener Kampf um gigantische Öl- und Gasvorräte.

Militärische Präsenz

Kremlchef Wladimir Putin lässt keinerlei Zweifel daran, dass die Gebietsansprüche ernst gemeint sind. Zwar spricht er sich stets für eine friedliche Lösung des Streits um die Arktis aus. Allerdings macht die Führung in Moskau auch deutlich, dass sie ihre Interessen notfalls mit der Armee durchsetzt. In einer aktuellen Marinedoktrin ordnet Oberbefehlshaber Putin etwa an, die militärische Präsenz in der Arktis mit einem dort stationierten Spezialkommando zu stärken.

Antrag aus Moskau: Wird der Nordpol bald russisch?

Was vor dem Hintergrund der Krim-Annexion im vergangenen Jahr wie weiterer Geländehunger des Kreml aussehen mag, hat seine Ursprünge schon im Jahr 2001. Russland reichte damals einen ersten Antrag in New York bei der Festlandsockelgrenzkommission ein. Nachdem aber etwa Japan und die USA dagegen protestierten, forderte die UN-Kommission weitere geologische Daten über das Eismeer - die Moskau nun nachreichte.

Rohstoffe und Seeweg

Der Nordpol wirkt zwar karg und verlassen. Experten vermuten aber allein dort elf Milliarden Tonnen Öl und Gas, dazu große Mengen an Gold und Diamanten. „In der Arktis wird ein Viertel der weltweiten Erdöl- und -gasvorkommen vermutet, eine solche Chance will niemand verpassen“, schreibt auch die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“.

Regierungschef Dmitri Medwedew meint sogar: „Die Verwendung dieser Ressourcen ist der Schlüssel zur Energiesicherheit von ganz Russland.“ Die bislang unzugänglichen Lagerstätten rücken immer mehr ins Visier der Staaten. Sowohl die Klimaerwärmung, die das Eis schmelzen lässt, als auch immer bessere Fördertechniken machen die Gewinnung der entlegenen Rohstoffe unter dem Wasser realistischer. Doch es geht nicht nur um die Bodenschätze. Russland rechnet mit einer Verbesserung der Navigationsbedingungen durch die Eisschmelze. Wie Medien schreiben, will Moskau die Nordmeer-Passage als See-Handelsweg zwischen Europa und Asien kontrollieren. Handelsschiffe legen auf der Strecke durch den Suezkanal gut 21 000 Kilometer zurück. Durch eine eisfreie Nordmeer-Passage verkürzt sich der Weg auf 14 000 Kilometer. „Geopolitisch ist die Arktis für Russland so wichtig wie die Ukraine“, meint der Politologe Welimir Rasuwajew.

Russische Fahne am Meeresboden

Bereits 2007 rammte ein russisches U-Boot in einer spektakulären Tauchaktion eine Landesfahne aus rostfreiem Titan-Metall 4261 Meter unter der Eiskappe in den Boden am Nordpol. Wie die USA mit ihrer Mondlandung 1969 machten die Russen damit - wenn auch rechtlich ohne Bedeutung - mit starkem Symbolgehalt ihren Anspruch geltend. Dutzendfach liefen mächtige Atomeisbrecher mit russischen Forschern in den vergangenen Jahren zur Vermessung der Arktis aus. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der unter Wasser liegende Lomonossow-Rücken die natürliche und geologisch identische Fortsetzung von Sibirien bildet.

Gleichwohl haben auch Dänemark und Kanada den Finger gehoben: Der 1800 Kilometer lange und bis zu 3700 Meter hohe Unterwassergebirgszug liegt näher am dänisch regierten Grönland und an Kanadas Ellesmere-Insel als am russischen Festland. In Dänemark sorgte Russlands neuerlicher Vorstoß für Unruhe. Das skandinavische Land, zu dem auch Grönland gehört, beansprucht in der Arktis ein Gebiet von 895 541 Quadratkilometern, das auch den Meeresboden des Nordpols umfasst. „Russlands Ansprüche kollidieren mit Dänemark“, schrieb die Zeitung „Politiken“. Die Regierung in Kopenhagen reagiert jedoch gelassen. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass mehrere Länder sich überlappende Ansprüche stellen“, sagt Außenminister Kristian Jensen der Agentur Ritzau.

Mit Sorge betrachten aber Umweltschützer die Entwicklung. Sie warnen davor, die Arktis zu militarisieren und in ein „Bergwerk“ zu verwandeln. Die UN-Grenzkommission will sich im Frühjahr mit Russlands Antrag befassen. Eine Entscheidung kann allerdings Jahre dauern.

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