Täter mordete mit den Waffen seiner Mutter

Die Motive des 20-jährigen Massenmörders bleiben vorerst unklar. Zurückgezogen und kontaktscheu, aber hoch intelligent soll er gewesen sein.

Halbautomatische Gewehre, wie sie sonst US-Soldaten im Irak und in Afghanistan tragen, Pistolen aller Kaliber und mit jeglicher Art von Munition: Nancy Lanza besaß eine Waffensammlung wie sonst wohl nur wenige Volksschullehrerinnen in den USA. Sie wurde mit ihren eigenen Waffen getötet – von ihrem eigenen Sohn Adam. Die 54-Jährige war das erste Opfer des Amokläufers an diesem wohl schrecklich­sten Tag in der Geschichte von Newtown, einer idyllischen Kleinstadt in Neuengland.

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Undated photograph of Victoria Soto posted online
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Handout photo of Sandy Hook Elementary School prin
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ABC News handout photo of Nancy Lanza
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Handout photo of Jack Pinto
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Handout photo of James Mattioli
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Handout photo of Catherine Hubbard
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Handout photo of Daniel Barden

In der Beziehung von Mutter und Sohn vermuten die Ermittler die vielleicht wichtigsten Spuren in dem rätselhaften Fall, der ganz Amerika in Schockstarre versetzt hat. Eine „sehr verantwortungsvolle Waffensammlerin“ sei Nancy Lanza gewesen, beschreibt ein Nachbar die Lehrerin, die die letzten Jahre zu zweit mit ihrem jüngsten Sohn verbracht hat. Ihr Mann, ein Buchhalter, hatte sich schon vor zehn Jahren scheiden lassen. Eine Trennung, die Adam und seinen Bruder Ryan hart getroffen haben soll. Ryan, der heute 24-Jährige, war von seinem jüngeren Bruder und dessen aggressivem Verhalten oft überfordert. Wenn die Mutter einmal ausgehen wollte, bat sie deshalb einen Nachbarn, auf die Kinder aufzupassen. „Wirklich deprimiert über die Scheidung“ seien die beiden gewesen, schildert dieser seine Eindrücke.Weder der Vater, der inzwischen eine neue Familie gegründet hat, noch Bruder Ryan, der auch ausgezogen ist, konnten bisher auch nur einen Hinweis auf die Hintergründe der Tat liefern. Mutter Nancy jedenfalls soll sich nach Kräften bemüht haben, ihre beiden Söhne bei der Bewältigung der Trennung zu unterstützen und ihnen ein möglichst normales sorgenfreies Leben zu bieten.

Augenzeugenberichte auf CNN

    

Doch bei Adam war irgendwann nichts mehr normal. Der hochbegabte Bub, der offensichtlich unter einer zumindest leichten Form von Autismus litt, bewältigte die Schule weit besser als sein Leben. Mühelos und sogar ein Jahr zu früh brachte er die High School hinter sich. Er soll in fast allen Fächern überdurchschnittliche Leistungen erbracht haben. Viel mehr als den Eindruck hoher Intelligenz hat Adam bei seinen Mitschülern nicht hinterlassen. „Er gab sich alle Mühe, nicht aufzufallen“, berichtet einer von ihnen. Bis zuletzt.

Den Kontakt mit seinen Klassenkollegen mied er zunehmend. Mitschüler beschreiben ihn als still und zurückhaltend. Wenn man ihn ange-sprochen habe, seien gerade einmal zwei oder drei Worte als Antwort gekommen. Vermutlich war er wegen seiner psychischen Probleme auch in ärzt­licher Behandlung, auch Medikamente soll er regelmäßig genommen haben.

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A flag is seen at half staff along Main Street in
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People pray and stand outside the overflow area of
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Two men pray at Saint Rose of Lima Roman Catholic
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Andrew Jacobs prays as his twin brother Matthew Ja
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US President Obama pauses as he makes a statement
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USA WHITE HOUSE SCHOOL SHOOTING
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USA CONNECTICUT SCHOOL SHOOTING
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Die Waffensammlung der Mutter jedenfalls wuchs. Auch wenn nicht klar ist, ob Adam tatsächlich damit in Kontakt kam, er lernte hervorragend schießen, wie der Ablauf des Massakers zeigt. Wen der 20-Jährige in den zwei Klassenräumen, in denen er wütete, traf, den tötete er. Mit Munition, die schwere Gewebeschäden verursacht, schoss er mehrfach auf die einzelnen Opfer. Eiskalt muss er dabei die meisten aus nächster Nähe in den Kopf geschossen haben. Auch die eigene Mutter ermordete er auf diese Weise, um sich dann deren Waffen und deren Auto zu nehmen, um in die Schule zu fahren.

Dort konnten ihn nicht einmal die um­fassenden Sicherheitsvorkehrungen stoppen, mit der Schule und Kindergarten geschützt waren. Lanza erzwang sich den Zugang zum Gebäude. Berichte, dass seine Mutter Lehrerin an eben dieser Schule gewesen sei, wurden am späten Samstagabend von der Polizei zurückgewiesen – ebenso wie ein zuvor kolportierter Streit, den Lanza am Vortag dort gehabt haben soll. Warum 20 Sechs- und Siebenjährige sterben mussten, blieb somit vorerst unklar.

Mehr Informationen zum Tathergang und zu den Reaktionen auf die Tat in Newtown lesen Sie hier.

Weiterführende Links

Spiegel Online

New York Times

CNN

ABC News

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USA: Land der Schusswaffen
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Der Amoklauf in der Sandy-Hook-Volksschule in der kleinen Stadt Newtown im Staat Connecticut ist laut lokalen Medien der zweittödlichste in der US Geschichte – am Ende eines ganz besonders blutigen Jahres. Und während das ganze Land noch unter Schock und Trauer steht, werden Stimmen laut, die das unantastbare US-Waffenbesitzrecht erneut hinterfragen. In Schweigen hüllt sich dagegen die US-Waffenlobby.

Es war ein sichtlich gezeichneter Präsident, der nach dem Massaker vor die Presse trat. Und Barack Obama selbst sagte: Er reagiere nicht nur als Präsident, sondern vor allem als Vater. „Unsere Herzen sind gebrochen“, sagte er mit den Tränen kämpfend. Die USA machten solche Tragödien zu häufig durch. Und er forderte „bedeutsame Schritte“ und Einigkeit „jenseits von politischen Erwägungen“.

Als Folge der Newtown-Tragödie fordern viele Amerikaner strengere Waffenkontrollen – bei Kundgebungen und Mahnwachen im ganzen Land. Auch vor dem Weißen Haus. Im Fernsehen und im Internet debattiert man derzeit wieder lebhaft über dieses Thema, das in den USA an sich ein Tabu ist, weil Waffenbesitz generell als unantastbares Grundrecht angesehen wird. Auch Medienmagnat Rupert Murdoch hat sich an die Diskussion angeschlossen. „Schreckliche Nachrichten heute. Wann werden die Politiker Mut finden, um die Schnellfeuerwaffen zu verbieten?“, fragte er auf Twitter.

Online-Plädoyer

Auf der populären US-Nachrichtenseite Salon.com schrieb Schauspieler Jason Alexander ein langes Plädoyer zum Verbot von Feuerwaffen. So etwas würde zukünftige Tragödien wie die im Sandy Hook erschweren oder gar verhindern können, meint Alexander. Täter „würde illegale Waffenquellen aufsuchen müssen – Quellen, die man möglicherweise verfolgen, beobachten und überwachen kann. Oder er würde tiefer Online graben müssen, und solche Transaktionen kann man überwachen“, schreibt der Schauspieler.

USA: Land der Schusswaffen

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Der Einzige, der immer noch schweigt, ist die National Rifle Association (NRA), der mächtige US Waffenverband, der die Interessen der Waffenbesitzer verteidigt, und einen großen Einfluss über die US-Politiker hat. Der Verband hat keine offizielle Stellung zur Newton-Schießerei bezogen. Die letzte Presseaussendung auf der NRA-Webseite stammt vom 11. Dezember. Sie lobt einen Sieg der Waffenlobby im Staat Illinois. „Heute hat das US Berufungsgericht (…) das Totalverbot in Illinois, Feuerwaffen zu Selbstverteidigungszwecken außerhalb des Heims oder des Geschäfts zu tragen, für verfassungswidrig erklärt“, steht in dem Dokument. Auch auf Twitter schweigt die NRA. Die letzte Meldung dort ist die Bekanntgabe eines Gewinnspiels – gepostet nur kurz vor der Tragödie.

Legale Mordwerkzeuge

Indessen hat die Online-Seite der US-Zeitschrift für investigativen Journalismus, Mother Jones, einen Beitrag über die Verbindung von Massenmorden in den USA in den vergangenen 30 Jahren und der psychische Verfassung der Täter veröffentlicht. „Wir haben 61 Fälle identifiziert und analysiert – 24 in den letzten sieben Jahre allein“, schreibt Mother Jones. 80 Prozent der Täter hätten ihre Waffen legal bekommen. „Akute Paranoia, Wahnvorstellungen und Depressionen waren unter diesen Menschen weit verbreitet.“ Mindestens 35 der Täter hätten am oder in der Nähe des Tatortes Selbstmord begangen. Und auch der Amokläufer von Newtown passt in dieses Muster. Er soll wegen psychischer Auffälligkeiten Medikamente genommen haben.

Ein weiteres Massaker dürfte am Freitag verhindert worden sein. Laut der Zeitung Tulsa World wurde im Bundesstaat Oklahoma ein 18-Jähriger festgenommen, der seine Mitschüler in die Aula seiner High School locken wollte, um sie nach Verschließen der Türen zu erschießen. Der Verdächtige soll – bereits zwei Tage vor der Bluttat von Adam Lanza – versucht haben, Komplizen für seinen Plan zu gewinnen und hatte auch geplant, Sprengkörper einzusetzen.

(Julia Damianova, Washington)

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Und wieder setzt namenloses Grauen das immer gleiche Karussell aus Zorn und Halsstarrigkeit in Bewegung. Wieder rufen der Präsident, liberale Politiker und Psychologen nach einer Änderung der US-Waffengesetze, fordern eine Entwaffnung der US-Gesellschaft – und wieder wird das andere Amerika seine in Stein gemeißelte Antwort geben. Das Recht, Waffen zu tragen, sei in der US-Verfassung verankert, nur mit dem Gewehr könne ein aufrechter Bürger seine Freiheit verteidigen. Es ist nur eines dieser archaischen Rituale, die tief in der US-Gesellschaft verankert sind – und sich immer tiefer eingraben, je kaputter diese Gesellschaft wird. Wie sonst könnten rechte Politiker behaupten, es sei persönliche Freiheit, keine Krankenversicherung zu haben.

Der amerikanische Traum vom Weg nach oben, der jedem offen steht, den kann eine in Armut feststeckende Unterschicht nicht einmal mehr träumen. Das amerikanische Idyll der small town mit ihrem unverwüstlichen Gemeinschaftssinn ist in gesichtslosen Vorstädten untergegangen. Der Optimismus, die größte Stärke der Amerikaner, ist bei vielen verzweifelter Wut gewichen. Es ist eine Wut über die eigene Hilflosigkeit, das zu tun, was der Inbegriff des „american way of life“ war: Sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Selbst in die Hand nehmen können diese Verzweifelten nur noch eines: ihre Gewehre. Und deshalb werden sie sich daran festklammern, auch wenn es oft ihre eigenen Kinder sind, die diese Waffen töten.

Vielleicht hatten sie es schon für Weihnachten geprobt, vielleicht brach es gerade in dieser so schrecklich stillen Nacht einfach aus ihnen heraus. Unter Tränen stimmte die Gemeinde der Katholischen Kirche St. Lima „Stille Nacht“ an – und viele sangen es noch, als sie die kurzfristig anberaumte Mitternachtsmesse verließen. „Liebt einander“ stand auf dem Schild, das jemand neben der Kirchentür aufgepflanzt hatte. Als wollten sie der Aufforderung folgen, gingen die Familien fast geschlossen Arm in Arm in die Nacht hinaus.

Für die Eltern aber, deren Kinder an diesem Freitag ihr Leben verloren hatten, ging es in diesen ersten Stunden wortloser Trauer nicht um Liebe, sondern nur darum gehalten und beschützt zu worden, auch vor sich selber. „Lasst uns durch, wir wollen sie einfach nur nach Hause bringen“, bahnten sich zwei Mütter einen Weg durch die Menge vor der Sandy-Hook-Schule: In ihrer Mitte, die gemeinsame Freundin, die über Stunden auf ihre Tochter gewartet hatte – vergeblich.

Verzweiflung und fast schon hysterische Erleichterung lagen in Newtown ganz knapp bei einander in den ersten Stunden nach dem Massaker. „Ich habe meinen Dad noch nie weinen gesehen, er ist völlig traumatisiert“, entschuldigt der 15-Jährige Michael gegenüber der US-Internetzeitung Huffington Post seinen Vater. Der hat eben erfahren, dass Michaels zehnjährige Schwester, in einem Garderobekästchen versteckt, das Massaker im Turnsaal überlebt hat – und das hat ihn, wie auch seine Frau in diesem Moment einfach überwältigt. „Auch meine Mutter ist ein totales Wrack“, ist Michael der einzige in der Familie, der Worte findet.

Für die, die Worte finden, inmitten der Tragödie, so wie eine Lehrerin an der Schule, stellt sich vor allem eine Frage: „Wie konnte das jemand nur unseren Kindern antun?“ Eine Antwort darauf findet auch die Pädagogin nicht: „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wer dazu fähig ist.“

Ganz andere Fragen drängen sich den Eltern jener Kinder auf, die überlebt haben. Stunden sind vergangen, seit sie ihre Mädchen und Buben wieder in die Arme schließen durften, blutverschmiert, aber unversehrt. Doch viele davon liegen immer noch – hysterisch weinend – in ihrem Schoss, unfähig, sich vo n der Schule und ihren toten Klassenkameraden zu entfernen. „Was soll ich meinen Kindern nur sagen, wenn ich sie am Montag in die Schule schicken will, meint eine Mutter ratlos: „Wenn ich sie überhaupt wieder in die Schule schicke.“ Newtown, ringt sie nach Worten für ihre Gedanken, „hat an diesem Tag seine Seele verloren“.

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