Alte Mütter sorgen für Aufregung

Annegret R., damals 55 Jahre alt, im Jahr 2005 mit ihrer Tochter Leila
Eine Berliner Lehrerin, die schon dreizehn Kinder hat, will alle Rekorde brechen.

Mit 62 Jahren brachte die Italienerin Rosanna Della Corte ihren Sohn Riccardo piccolo auf die Welt. Das war 1994 – und damals eine Sensation. Ihr Gynäkologe Severino Antinori, der "skrupellose Hexenmeister" und Ferrari-Fahrer, wurde mit einem Schlag zum Hoffnungsträger aller alten Mütter.

Seine Praxis in Vatikannähe wurde auch von zwei Steirerinnen aufgesucht, die dann mit über 60 Jahren ihre Wunschbabys bekamen, aber nie in der Öffentlichkeit damit angaben. Im Februar brachte eine 60-Jährige in Wels Zwillinge zur Welt. Auch sie war ins Ausland gereist, um schwanger zu werden.

Alte Mütter sorgen für Aufregung
epa00705281 (FILES) A file photo dated 05 May 2004 showing Italian doctor Severino Antinori, who gave in vitro fertilisation (IVF) treatment last October to a 63-yaer-old English woman, Patricia Rashbrook, who is to become one of the world's oldest mothers. Patricia Rashbrook, a child psychologist from Lewes, East Sussex in southeast England, and her 61-year-old husband John Farrant posed briefly for photographers and camera crews outside their home earlier Thursday 04 May 2006. Antinori, who said he was 'excited and proud', shot to fame in the early 1990s when he helped a 62-year-old Italian woman give birth using fertility treatment with a donated egg. EPA/GIUSEPPE GIGLIA
Rosanna Della Corte gab massenhaft Interviews. Mit 70 waren sie und ihr damals 72-jähriger Mann Mauro der Verzweiflung nahe, denn der siebenjährige Riccardo piccolo ließ sich kaum noch bändigen. Rosanna klagte, dass sie die meisten für seine Omi hielten und dass es schwer sei, in ihrem Alter ein Kind zu erziehen.

Heute ist Rosanna Della Corte 83 Jahre und gebrechlich – doch sie hat es geschafft. Ihr Riccardo piccolo wird am 18. Juli 21 Jahre alt, er wünscht, endlich in Ruhe gelassen zu werden.

Riccardo piccolo

Diese erste öffentlich gewordene Schwangerschaft einer Mutter im Pensionsalter löste schon damals Entsetzen aus. Riccardo piccolo wurde geboren, weil seine Mama den Tod ihres ersten Sohnes Riccardo grande nicht überwinden konnte. Der damals 17-Jährige war mit seiner Vespa verunglückt. Wäre die Wissenschaft damals weiter gewesen, hätte sich die Mutter den ersten Sohn am liebsten klonen lassen. So erklärte sie dem Kleinen: "Als Riccardo grande starb, verwandelte er sich in einen Engel. Er hat gesehen, wie traurig Mamma ist, und hat ihr zum Trost ein neues Engelchen geschickt – und das bist du." Riccardo piccolo ist der Ersatz für "das Liebste im Leben, das mir von Gott weggenommen wurde".

Die Ukraine ist das Ziel

Seit 2005 gilt in Italien die sogenannte Lex Antinori. Auch in Österreich ist die Eispende nur bis zum vollendeten 45. Lebensjahr erlaubt. Eine In-vitro-Fertilisation (IVF) ist bis zum biologischen Wechsel möglich.

Ältere Frauen fahren deshalb heutzutage in die Ukraine oder nach Russland und missachten dabei alle Gesetze, die in ihren Heimatländern gelten. Doch strafbar machen sie sich deshalb nicht. Die Mutter ist eine Mutter und das Kind ist ein Kind, egal, wie es gezeugt wurde.

In Kiew und Donezk werben Kliniken mit Fruchtbarkeitsverfahren für rund 5000 Euro. Die Patientinnen können sich dort Eizellen und Samen aussuchen, um Augen- und Haarfarbe zu bestimmen. Auch die Blutgruppe des Kindes ist wählbar.

Die Eizellen werden im "Wilden Osten" der Reproduktionsmedizin, wo kein Gesetz die Ärzte einschränkt, der jungen Spenderin entnommen und nach der Befruchtung im Reagenzglas in die Gebärmutter der Kinderwunschpatientin übertragen. Die moderne Medizin eröffnet nicht nur Chancen, sondern eben auch Abgründe.

Vierlinge

Die 65-jährige Berliner Russisch- und Englischlehrerin Annegret R., die bereits 13 Kinder von fünf Vätern und sieben Enkel hat, reiste ebenfalls in die Ukraine. Jetzt ist sie mit Vierlingen im fünften Monat schwanger und findet, dass das niemanden etwas angeht.

Alte Mütter sorgen für Aufregung
ABD0122_20150325 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0333 VOM 25.3.2015 - Der Wiener In-vitro-Fertilisationsexperte Wilfried Feichtinger auf einem undatierten Archivbild. Dem Wiener In-vitro-Fertilisationsexperten Wilfried Feichtinger und seinem Team gelang es, eine Präimplantationsdiagnostik (PID) allein aus der Kulturflüssigkeit durchzuführen, in der eine Blastozyste (Entwicklungsstadium ab 4. Tag nach Befruchtung) aufbewahrt wurde. (UNDATIERTES ARCHIVBILD)- FOTO: APA/WIF - +++ WIR WEISEN AUSDRÜCKLICH DARAUF HIN, DASS EINE VERWENDUNG DES BILDES AUS MEDIEN- UND/ODER URHEBERRECHTLICHEN GRÜNDEN AUSSCHLIESSLICH IM ZUSAMMENHANG MIT DEM ANGEFÜHRTEN ZWECK ERFOLGEN DARF - VOLLSTÄNDIGE COPYRIGHTNENNUNG VERPFLICHTEND +++
Für den Wiener IVF-Pionier Wilfried Feichtinger ist dieser Fall ein "medizinischer Kunstfehler". Durch künstliche Befruchtung gab es viel zu viele Mehrlingsschwangerschaften, was zu Recht kritisiert wurde. "Der Trend ist deshalb möglichst nur ein Single-Embryo-Transfer", sagt Feichtinger. In Deutschland dürfen bei der Zeugung im Labor nicht mehr als drei befruchtete Eizellen übertragen werden, meistens bleibt es bei zwei. Vier Embryonen von einer jungen Frau einzusetzen, sei absoluter Wahnsinn. Feichtinger findet, dass Frauen nach dem Wechsel keine Kinder mehr bekommen sollten. Das sei eine Grenzüberschreitung wider die Natur und eine Missachtung aller Regeln für die Kinderwunsch-Medizin.

Bereits mit 35 Jahren gelten Frauen als Risikoschwangere. Je älter die Mütter werden, desto größer ist die Gefahr fürs Baby durch Diabetes und Bluthochdruck.

Aber das ist manchen Frauen im Oma-Alter völlig egal. Selbst in China gibt es schon Wunschbaby-Kliniken, die Frauen nach dem Wechsel behandeln. In Nordindien brachte Omkari Singh 2008 im Alter von 70 Jahren ihre Zwillinge Akashvani und Barsaat zur Welt. Das Zwillingsmädchen Barsaat starb im Alter von vier Jahren, ihr Bruder Akashvani ist kerngesund. Seine Mutter erklärte in einem Interview mit der Daily Mail, dass es ihr immer schwerer falle, mit dem agilen Buben mitzuhalten.

Alte Mütter sorgen für Aufregung
epa03527917 Italian singer-songwriter Gianna Nannini smiles during a press conference in Milan, Italy, 08 January 2013. Nannini's new album 'Inno' (lit.: Hymn) will be released on 15 January. EPA/DANIEL DAL ZENNARO
Die italienische Rocksängerin Gianna Nannini, heute 58, sorgte 2010 für Aufsehen, als sie zum ersten Mal Mutter wurde. Angeblich ist es einfach so passiert.

„Ich halte das für einen sehr bedenklichen Fall. Eine solche Schwangerschaft kann und darf für niemanden ein Vorbild sein. (...) Wir müssen diesen Fall diskutieren. Er zeigt, dass sich die Grenzen der Elternschaft immer weiter ins hohe Alter verschieben und zunehmend riskante Verfahren eingesetzt werden. Ich beobachte diese Entwicklung mit großer Sorge.“ SPD-Experte Karl Lauterbach im „Spiegel online

„Auch wenn es medizinisch möglich ist, muss man sich fragen, ob es sinnvoll ist.“
CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn

„Ich finde es nicht gut, dass Mutti noch mehr Babys kriegt. Meine jüngste Schwester Lelia ist heute zehn. Ich weiß, dass sie in der Schule gehänselt wird, weil ihre Mutter aussieht wie ihre Oma. Wie soll das bei den Vierlingen werden?“
Velten (27), Sohn von Annegret R., in der „Bild“-Zeitung

„Den Babys droht während der Schwangerschaft eine Unterversorgung und schließlich eine Frühgeburt mit andauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Seh- und Hörschäden sowie Entwicklungsstörungen. Es ist ausgeschlossen, dass Vierlinge reif geboren werden.“
deutscher Berufsverband der Frauenärzte (BVF)

„Medizinisch gesehen ist das die absolute Katastrophe. Der 65-jährige Körper ist nicht darauf ausgerichtet, eine Schwangerschaft auszutragen. Nicht von einem Kind, sicher nicht von Vierlingen.“
Prof. Holger Stepan, Uniklinik Leipzig, in der „Bild“-Zeitung

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