Absturz: Germanwings-Pilot laut Vater nicht depressiv

Während der Opfer des Absturzes einer Germanwings-Maschine am zweiten Jahrestag der Katastrophe gedacht wurde, sucht die Familie des Piloten nach Gründen. Zudem gibt es eine Debatte über die danach eingeführten Regeln.

Der Co-Pilot der abgestürzten Germanwings-Maschine, Andreas Lubitz, hat nach Angaben seines Vaters zum Zeitpunkt des Absturzes nicht an einer Depression gelitten. Dies sagte Günter Lubitz am Freitag in Berlin. Kein Arzt oder Therapeut habe damals Suizidgedanken bei seinem Sohn festgestellt, es habe auch keine Hinweise auf ein "fremdaggressives Verhalten" vorgelegen, sagte er.

Dem offiziellen Untersuchungsbericht zufolge hat Andreas Lubitz den Airbus vor zwei Jahren absichtlich gegen einen Berg in den französischen Alpen gesteuert. Alle 150 Menschen an Bord starben.

"Depression überwunden"

Günter Lubitz sagte weiter, die Familie müsse damit leben, dass der Sohn als "depressiver Massenmörder" dargestellt werde und dass er als "dauerdepressiv" gelte. Er habe seine Depression im Jahr 2009 aber überwunden. Die festgestellten Arztbesuche 2014 und 2015 seien ausschließlich wegen seines Augenleidens nötig gewesen. Er habe seinen Sohn in den Jahren vor dem Absturz als "lebensbejahenden, verantwortungsvollen" Menschen erlebt. "Unser Sohn war zum Zeitpunkt des Absturzes nicht depressiv."

Lubitz rechtfertigte den Zeitpunkt der Pressekonferenz auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Crash. Die Reaktionen wären die gleichen gewesen, "egal welchen Tag wir gewählt hätten". Der Familie sei es darum gegangen, Gehör zu bekommen. "Wie alle anderen Angehörigen sind wir auf der Suche nach der Wahrheit."

Staatsanwaltschaft widerspricht

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ist dem Eindruck entgegengetreten, Co-Pilot Andreas Lubitz sei beim Absturz der Germanwings-Maschine 2015 gesund und lebensfroh gewesen. "Er litt seit Monaten unter Schlaflosigkeit, hatte Angst um sein Augenlicht, war verzweifelt", sagte Staatsanwalt Christoph Kumpa am Freitag.

Eine Woche vor dem Absturz habe er sich - nachweislich der Auswertung seines Tablet-Computers - über Suizidmöglichkeiten informiert, außerdem über das Schließsystem der Cockpit-Tür. Zudem habe er bereits auf dem Hinflug die Flughöhe kurzzeitig verändert, wiederholte der Staatsanwalt bereits bekannte Ermittlungsergebnisse.

Trauerminuten für Opfer

Schüler, Lehrer und Eltern im westfälischen Haltern haben am zweiten Jahrestag der Tragödie der Opfer gedacht. Zur Zeit des Absturzes um 10.41 Uhr versammelten sich Hunderte Menschen auf dem Schulhof des Joseph-König-Gymnasiums zu Schweigeminuten. Weiße Rosen erinnerten an die 16 Schüler und zwei Lehrerinnen, die unter den 150 Toten waren.

Zugleich sollten die Trauerglocken aller Kirchen in Haltern läuten. Die Schüler und Lehrerinnen der Schule waren auf dem Rückflug von einem Schüleraustausch in Spanien.

Auch In den französischen Alpen ist der Opfer gedacht worden. In der Kathedrale der Alpenstadt Digne-les-Bains kamen am Freitag rund 500 Angehörige zu einer ökumenischen Trauerzeremonie mit Schweigeminute zusammen. Anschließend soll in dem Dorf Le Vernet, das der Absturzstelle am nächsten liegt, eine neue Trauerstele eingeweiht werden. Die Angehörigen können dann auch den Ort besuchen, an dem die Maschine auf den Berg prallte.

Gewerkschaft fordert Rücknahme von Regeln

Unterdessen hat die deutsche Pilotengewerkschaft Cockpit die Rücknahme einer Sicherheitsvorschrift gefordert, die im Zuge des Unglücks eingeführt wurde. Im Sender MDR kritisierte Gewerkschaftssprecher Markus Wahl am Freitag, die geltende Zwei-Personen-Regel für das Cockpit. Diese sei aus Sicherheitsgründen bedenklich.

Einerseits sei Fliegen etwas sicherer geworden, weil es immer eine Zweierbesetzung geben müsse, sagte Wahl in der MDR-Sendung "Aktuell". Andererseits werde nun aber beim Personaltausch die Cockpittür viel häufiger und zudem mit Ankündigung geöffnet.

"Es ist sicherlich richtig: Zwei Mann im Cockpit sind immer sicherer als einer", sagte der Gewerkschafter. "Wenn ich mir dadurch auf der anderen Seite, durch das ständige Rein-und-Raus, Tür-auf-Tür-zu ein Risiko erkaufe, dass das Cockpit gestürmt wird, muss man beides gegeneinander abwägen." Er würde sich angesichts dessen "dafür entscheiden, dass diese Maßnahme abgeschafft wird - einfach, um die gesamte Sicherheit zu erhöhen."

Grundsätzlich lasse sich aber feststellen, dass es ein Unglück wie vor zwei Jahren deutlich unwahrscheinlicher geworden sei, sagte Wahl. Seither seien viele gute Maßnahmen ergriffen worden. Als Beispiel nannte Wahl die erweiterten psychologischen Tests bei der Einstellung und Hilfsprogramme für Piloten.

Fluglinien überprüfen Maßnahme

Das Vier-Augen-Prinzip im Flugzeug-Cockpit steht bei den größeren deutschen Airlines tatsächlich auf dem Prüfstand. Ein Sprecher der AUA-Mutter Lufthansa bestätigte am Freitag, dass die Regel aktuell auf ihre Risiken untersucht werde. Auch die Airlines Air Berlin, Tuifly und Condor seien in dieser Hinsicht aktiv, ergänzte eine Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in Berlin. Entscheidungen seien noch nicht gefallen. Aktuell gelte die Regel bei allen Gesellschaften. Hintergrund ist eine entsprechende Prüfempfehlung der europäischen Flugsicherheitsagentur EASA aus dem Juli 2016.

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