Polen: Dem Berufsgeheimnis droht das Aus

Polen: Dem Berufsgeheimnis droht das Aus
Justizminister Zbigniew Ziobro will Schweigepflicht von Ärzten und Anwälten sowie Quellenschutz im Journalismus aufheben

Künftig sollen in Polen das Arztgeheimnis, das Anwaltsgeheimnis sowie der Quellenschutz im Journalismus aufgehoben werden können. Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Justizministeriums liegt den Zeitungen Gazeta Wyborcza und Dziennik vor. Demnach kann die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Berufsgeheimnisse fordern.

Dies ist in Polen derzeit nur durch einen richterlichen Beschluss möglich, vor allem in einer Notlage. Der Bezirksverband für Anwälte in Warschau warnt bereits, dass es Medienvertreter künftig weit schwerer haben werden, Machtmissbrauch der Regierung darzulegen. Auch vertrauensvolle Gespräche zwischen Klient und Anwalt würden erschwert.

Insgesamt sollen 100 Gesetze des Strafgesetzbuches geändert werden. Justizminister Ziobro erklärte zwar , dass die geänderten Gesetze nicht „im Geringsten den Journalismus betreffen“ würden. Die vorliegenden Novellen widersprechen diesen Aussagen laut den Medienberichten jedoch.

Ziobros Stellvertreter Warchol verteidigte das Aufheben der Berufsgeheimnisse, da der Staatsanwalt „ein Sprecher des öffentlichen Interesses sei“. Der Justizminister wirkt in Polen allerdings auch als Generalstaatsanwalt, wodurch die Staatsanwaltschaft als Instrument der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) gilt.

Die unabhängige Journalistenvereinigung „Press Club Polska“ will kommende Woche mit anderen Berufsverbänden eine Erklärung abgeben. „Wir müssen uns noch mit den Gesetzestexten befassen“ erklärte deren Generalsekretär Wlodarczyk. Der Schutz des Quelle sei jedoch ein „Fundament des journalistischen Berufs“, ein Rechtsanspruch des Informanten und eine Verpflichtung des Medienvertreters. Gegen eine Erweiterung der staatsanwaltlichen Kompetenz werde man sicherlich protestieren.

Zwangsverkauf

Allgemein erwartet die Medienlandschaft in Polen eine umfassende Veränderung. Im Kulturministerium wird ein Gesetzespaket zur „Dekonzentration“ der Medien vorbereitet. Dabei soll der Anteil von Titeln, die von Verlagen mit ausländischem Kapital gehalten werden, durch Zwangsverkauf zurück gedrängt werden. Betroffen sind vor allem der schweizerisch-deutsche Konzern Ringier Axel Springer Media AG, die Bauer Media Group sowie die Passauer Verlagsanstalt, die den regionalen Printmarkt dominieren.

Die Vorstöße sind ein weiterer Schritt einer umstrittenen Justizreform, gegen die die EU-Kommission mit mehreren Rechtsstaatlichkeitsverfahren vorgeht. Diese Woche hat die Behörde eine Klage gegen die Zwangspensionierung von Richtern des Oberen Gerichts in Warschau beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Polen drohen bei Ignoranz des Urteils empfindliche Geldstrafen. Die neue Gesetzesinitiative des umtriebigen Justizministers, der nach PiS-Parteichef Kaczynski als Co-Autor der Justizreform gilt, zeigt, dass sich Polen von Brüssel nicht wirklich beeindrucken lässt.

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