Spaß in der Lederhose

Spaß in der Lederhose
Auf der Kaiserwiese wird wieder gesungen, getrunken und geschunkelt. Ein Lokalaugenschein.

"...Verbotene Träume erleben – Ohne Fragen an den Morgen danach."

So schallt es nicht nur kurz nach 20 Uhr Passanten am Eingang des Praters entgegen – so lautet wohl auch das Motto einiger Partygäste. Zusammen mit dem Duft nach gebratenem Fleisch, den bunten Lichtern rund ums Riesenrad und lauten Mitgegröle, bleibt beim Betreten der Kaiserwiese kein Zweifel: Es ist wieder Wiesn-Zeit.

Rund 350.000 Besucher werden bis 9. Oktober die Kaiserwiese unsicher machen, vorwiegend in Dirndl und Lederhose. Tagsüber vor allem zu Brauchtumsvorführungen wie den Samsonträgern oder den historischen Schützengarden. Zu späterer Stunde zu Brezn, Bratwurst und maßvollem Bierkonsum in den Almhütten und Festzelten – und dort mit Vorliebe auf den Bänken. "Ein bisschen Spaß muss (eben) sein."

Spaß in der Lederhose

"Ein Besuch ist Muss"

Das findet auch Karin Theuer im Wiesbauer-Zelt. Die Wienerin zieht normalerweise Heavy Metal den Schlagern vor; ein Wiesn-Besuch muss dennoch sein – inklusive Dirndl und Flechtfrisur. Wieso? "Weil’s lustig ist. Und weil man sieht, dass der Mensch ein Herdentier ist. Niemand bleibt hier still sitzen." Etwa als es wenig später heißt: "Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle."

Das dachten sich möglicherweise auch jene Besucher, die sich trotz früher Stunde (etwa 20.30 Uhr) auf dem Pfad zwischen Almen und Festzelten bereits mit bleichen Gesichtern und in ausgeprägten Schlangenlinien fortbewegten.

2,3 Promille war der höchste Wert, den Sandra Hafner bis dato gemessen hat. Die 32-jährige Tonassistentin ist für die kommenden zwei Wochen Teil der Alkomat-Patrouille. Nun tritt Musikant Andreas Bloderer den Promille-Check bei ihr an. Das Ergebnis verrät er nicht, aber im Sinne von Jürgen Drews könnte es lauten: "Keine Panik – auf der Titanic... alles im Griff – auf dem sinkenden Schiff".

Apropos Schiff. Die beiden Damen, die wir im Gösser-Zelt treffen, sind eigens vom Zürichsee angereist. Sogar die Dirndln haben sich die Schweizerinnen Heidi und Lisbeth extra für die Wiesn besorgt.

Spaß in der Lederhose

"Sexy und Knackpo"

Dass der Trachtentrend weiterhin ungebrochen ist, kann auch Elfie Maisetschläger bestätigen. Die Designerin bietet zum zweiten Mal ihre Kleider und Lederhosen bei der Wiesn feil. Bereits am ersten Tag hat sie 60 Dirndln an die Dame bringen können.

Das derzeitige Erfolgsdesign? "Oma-Muster und sexy Schnitt." Und warum kommt Tracht im Allgemeinen gerade so gut an? "Weil im Dirndl jede Frau sexy ist und Männer in der Lederhose einen Knackpo bekommen." – "Und weil es einfach eine schöne Tradition ist", ergänzt die Wienerin Sabrina Haidinger, die mit Freundin Manuela das Trachten-Angebot studiert. Haidinger besitzt bereits ein halbes Dutzend Dirndln, trotzdem hält sie Ausschau nach weiteren.

Ausschau nach dem angekündigten Security-Begleitdienst halten alleinstehende Frauen indes vergeblich. Der Taxistand ist aber in Sichtweite des Festgeländes und es gibt eine Sicherheitspatrouille, die ständig den Gabor-Steiner-Weg Richtung Praterstern abgeht und bei der man sich einhängen kann.

Viele Besucher hängen sich lieber bei der neu gewonnenen Bekanntschaft ein. "Schöner fremder Mann", kommt es dazu von der Champagner Alm. Und das geht fast nahtlos über in: "Ohne dich geh’ ich heut’ Nacht nicht heim, ohne dich schlaf’ ich heut’ Nacht nicht ein."

20 Millionen Euro. So viel bringt Österreichs größtes Trachtenfest laut Geschäftsführer Christian Feldhofer jährlich an Umwegrentabilität.

Neben dem Umsatz der Wiener Wiesn betrifft das zum einen Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. Denn knapp zwölf Prozent der Gäste stammen aus dem Ausland, ein Viertel der Besucher kommt aus den Bundesländern. Auch die Bekleidungsindustrie profitiert von dem Fest, ergänzt Feldhofer. Denn viele würden sich extra für die Wiesn neu einkleiden (siehe Haupttext).

Der große Gewinn fällt für die Veranstalter trotzdem nicht an: "Die Leute fragen immer, ob wir mit Schubkarren voller Geld heimfahren", sagt Claudia Wiesner, Geschäftsführerin der "Wiesn Veranstaltungs- und Kultur GmbH". Schubkarren gebe es schon, das Areal sei ja beim Abbau eine riesige Baustelle. Aber das große Geld gebe es (noch) nicht. 2014 schrieb das Fest zum ersten Mal schwarze Zahlen.

"Viele halten uns ja für verrückt, wegen dem, was wir hier auf die Beine stellen", fährt Wiesner fort, "aber wir brennen für dieses Projekt."

Und ihre Mission sehen die beiden Veranstalter Claudia Wiesner und Christian Feldhofer erst als erfüllt, wenn der Slogan "Herbstzeit ist Trachtenzeit" in Wien allgemeine Gültigkeit erlangt hat.

Kommentare