Im Ziegelwerk: Liebesg’schicht und Gasthaussach’

Das Team vom Ziegelwerk: Werner Tschiedel, Lebensgefährtin Julia und Bruder Roland
Von Achim Schneyder
Na bumm, ist man geneigt zu denken, wenn man die ersten Blicke hat schweifen lassen. Denn es ist wahrlich ein imposanter und speziell innen eindrucksvoller Gebäudekomplex, dieses Gasthaus in Wimpassing an der Leitha, das so heißt, wie das, was es einmal war: Ziegelwerk. Viel Glas, viel Holz, viel Sichtbeton und, nomen est omen, viel Ziegel. Und mitten im Gastgarten, gleich einem Leuchtturm und schon aus der Ferne auszumachen, der renovierte ehemalige Kalkofen – ja, auch Kalk wurde hier produziert – samt dem in den burgenländischen Himmel wachsenden Kamin. Na bumm.
„Drei Jahre hat allein die Bauzeit betragen, bis wir das Gasthaus im Frühjahr 2019 eröffnen konnten“, erzählt Werner Tschiedel, der das ab Ende der 1970er brachliegende und seit Urgroßvaters Zeiten in Familienbesitz befindliche Areal heute gemeinsam mit seinem Bruder Roland und Lebensgefährtin Julia Weber bespielt. Werner als großartiger Küchenchef, Roland als Mann für die Bürokratie, Julia als – Eigendefinition – „Gesicht nach außen und Mädchen für alles“, das nicht zuletzt ob ihrer famosen Süßspeisen verehrt und bewundert wird.
Willkommen daheim
Ein – wie sich herausstellen sollte glücklicher – Zufall war’s, der den Koch und die quereingestiegene Patissière 2008 zusammenführte. Und das in New York. Er, damals bereits seit sieben Jahren beruflich in den Staaten, kochte in der Deutschen Botschaft im Rahmen eines Caterings, für das sie, früher in der Wirtschaft tätig und nun frisch in New York, einen Job ergattert hatte. Und rasch wurde aus dem Kennenlernen eine Liebes-, bald auch eine Familiengeschichte, was drei gemeinsame Kinder bezeugen.
„Ich weiß nicht, ob ich nicht immer noch in den USA oder sonst wo wäre, wenn Julia nicht zurück nach Österreich gewollt oder ich sie nicht kennengelernt hätte“, sagt Werner. So aber packten die beiden 2010 ihre Sachen und bestiegen das Flugzeug nach Wien, wo Julia bis zur ersten Karenz als Patissière im „Motto am Fluss“, im „Café Edison“ und im „Kussmaul“ tätig war und Werner erst ebenfalls im „Motto am Fluss“ und später als Miteigentümer im „Bistro Coté Sud“ erfolgreich am Herd stand. Bis 2016. „Aber da war die Idee mit der Heimkehr an den Ort meiner Kindheit und dem Gasthausbau nicht nur wegen der Renovierung des Kalkofens 2013 schon sehr weit fortgeschritten“, sagt Werner.
Vom Gasthaus abgesehen, gibt’s übrigens noch ein zweites Standbein, um das man sich im Hause Tschiedel zu kümmern hat, nämlich den nahe gelegenen und einige Hektar großen Grundbesitz samt Badeteich, Häusern und Stellplätzen für Mobilheime, die allesamt verpachtet werden. „Diese Ferienwohnsiedlung entstand nach dem Ende des Ziegelwerks und wird inzwischen von Roland und mir geleitet“, erzählt Werner, als wir am frühen Nachmittag im lichtdurchfluteten Gasthaus sitzen, das allein im Inneren mehr als 100 Personen Platz bietet, aber dennoch nicht wie ein zu groß geratener Speisesaal wirkt. Ganz im Gegenteil, gemütlich ist’s, der moderne Touch dezent, kein schreiend lauter.

Ein kurz gebratener Zwiebelrostbraten von der Kalbin, wie er besser kaum sein könnte. Im kleinen Reindl daneben versteckt sich die Beilage, ein herrliches Rösti
Wo?
Ziegelofengasse 28, 2485 Wimpassing an der Leitha,
Tel.: 02623/73796
ziegelwerk-gasthaus.at
Wann?
Mo., Do.,Fr. 16 bis 23 Uhr,
Sa. 11 bis 23
So. 11 bis 16
Was und wie viel?
Vorspeisen (von Grammelknödel über Suppen bis Ofenzeller) 6,20 bis 17 Euro, Hauptgerichte (von Käsknöpfle über Kürbisragout und Zwiebelrostbraten bis Rinderfilet) 17 bis 48 Euro. Desserts von 2,50 (Sorbet) bis 17 Euro (großer Käseteller). Vegane Speisen.
Dialog von Sie und Er
Julia und Werner sind noch nicht im Stress, aufg’sperrt wird erst um vier. „Tja, was soll ich sagen“, sagt Werner, „wir sind ein Gasthaus für Jedermann.“ Und wie so häufig in (funktionierenden) Beziehungen, ist gerne der eine des anderen Stichwortgeber, und so sagt jetzt sie: „Oft steht auf dem Parkplatz das alte Radl neben dem teuren Sportwagen.“ Er (zu mir): „Und weil du mich nach der Art der Küche gefragt hast, die ist sehr gemüselastig.“ Sie: „Gemüselastig mit sehr viel Fleisch.“ Er: „Stimmt, viel Fleisch, wenig Sättigungsbeilagen. Kein Chichi auf dem Teller. Und die Rinder nur aus Weidehaltung und vom befreundeten Züchter.“ Sie: „Schwein haben wir eher wenig. Aber selbst gemachtes Brot.“
Er: „Und selbst gemachte Eismarillenknödel, die Ziegelwerk-Eismarille. Nicht zu verwechseln mit denen aus Wien.“ Sie: „Und vor allem aus den eigenen Marillen. Marille, Vanilleparfait und Krokantbrösel und in Halbkugelform.“ Er: „Wir haben auch eigenen Marillenschnaps.“ Sie: „Das Obst wird hier eingemaischt und dann in meiner Heimat Vorarlberg gebrannt. Apfel und Nussbäume haben wir auch, wird auch alles verarbeitet.“ Er: „Und einen kleinen Weingarten mit Welschriesling, Grüner Veltliner und Blaufränkisch. Heuer werden wir erstmals ernten.“ Sie: „Und Saft draus machen.“
Und weiter geht’s in diesem sympathischen Takt. Nachhaltigkeit ist Thema, Qualitätsbewusstsein, die enge Zusammenarbeit mit befreundeten lokalen Produzenten … „Magst was kosten“, fragt mich Werner schließlich. „Oh ja“, sage ich, „den Zwiebelrostbraten von der Kalbin hätte ich gern.“ Und der erweist sich als, naja, wie soll man sagen? Na bumm!
Am nächsten Sonntag lesen Sie im KURIER: Kamolz im Wirtshaus: „Der G’selchte“
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