Wie tickt HCB? Die weltweit erste Studie

Das Zementwerk in Klein St. Paul wird für die HCB-Belastung verantwortlich gemacht.
Gesundheitliche Folgen des Umweltgifts werden analysiert / Görtschitztaler als Probanden.

Welche Auswirkungen hat das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) auf die Menschen im Kärntner Görtschitztal? Sind gesundheitsschädigende Folgen zu befürchten? Wie wird der Stoff abgebaut?

So lauten zweieinhalb Jahre nach dem Umweltskandal die brennenden Fragen jener Menschen, bei denen erhöhte HCB-Werte im Blut festgestellt wurden. Seriöse Einschätzungen waren und sind bis dato nicht möglich, weil vergleichbare Fälle rar sind und diesbezügliche Studien überhaupt fehlen. Hans-Peter Hutter und Michael Kundi von der Medizinische Universität Wien arbeiten jedoch nun in Kooperation mit den Betroffenen an der ersten Untersuchung.

Die Belastung sinkt

Rund 170 Görtschitztaler hatten sich 2015 für HCB-Bluttests gemeldet, mehr als die Hälfte davon wies im Vergleich zum Österreichschnitt erhöhte bzw. stark erhöhte HCB-Werte auf. 93 belastete Personen ließen sich ein Jahr später erneut testen, rund zwei Dutzend inzwischen zum dritten Mal. „Leider handelt es sich bei HCB um keinen Stoff, der von heute auf morgen verschwindet. Aber für uns war es überraschend, dass die Belastung bei einigen Personen bereits zurückgegangen ist und bei den meisten zumindest gleich geblieben ist. Das liegt sicher daran, dass unsere Ernährungsempfehlungen beachtet werden (Die Görtschitztaler sollen Fleisch und Fleischprodukte aus lokaler Produktion vermeiden, da noch immer Richtwertüberschreitungen festgestellt werden. Im Bereich um die Blaukalk-Deponie in Brückl wird vom Anbau pflanzlicher Lebensmittel und von Nutztierhaltung abgeraten, Anm.)“, sagt Hutter.

Wie Kundi ist er seit Bekanntwerden der HCB-Immissionen im Herbst 2014 für das Land Kärnten tätig, das in Ermangelung eines eigenen Umweltmediziners die MedUni Wien mit Untersuchungen beauftragt hat und nun als Auftraggeber für die historische HCB-Studie fungiert.

Ziel ist es, nachzuvollziehen, wie das HCB durch den menschlichen Körper wandert, wie es sich verteilt und wie es ausgeschieden wird. Im Fokus stehen die Auswirkungen auf die Entgiftungsorgane wie Leber und Nieren. „Es gilt jetzt, die Transportprozesse zu beleuchten und die Organbelastung zu ermitteln. Anhand von Zelluntersuchungen bei Tieren kann man die Schadstoffwirkung simulieren und in der Folge gezielt bei den einzelnen Probanden nach Auswirkungen suchen“, erklärt Kundi.

Die Forderung von Bürgerinitiativen, wonach man bei allen Personen im Tal alles untersuchen möge, sei nicht sinnvoll. Kundi: „Nur die gezielte Abschätzung nach betroffenen Parametern. Davon kann letztlich die Gesamtbevölkerung profitieren.“

Vergleiche schwierig

In einer zweiten Phase sollen die Gesundheitsfolgen eingeschätzt werden. Vergleichswerte gibt es für die Umweltmediziner kaum. Bekannt sind drei weitere große HCB-Skandale: In den 50er-Jahren haben Menschen in Südostanatolien über einen langen Zeitraum stark kontaminiertes Brot zu sich genommen. In den 90ern wurden Arbeiter in einer Chemiefabrik in Katalonien mit HCB belastet und vor rund 20 Jahren Angestellte in einem brasilianischen Chemiewerk. Aber die Dosis an HCB sei in diesen Fällen 20- bzw. 100-fach höher gewesen als im Görtschitztal, eine Prüfung der Relation zwischen Dosis und Wirkung daher schwierig, erklären die beiden Forscher, die ihre Studie im Herbst 2017 veröffentlichen wollen.

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