Wie man Flüchtlinge besser integrieren könnte

Das UNHCR spricht sich für frühzeitigen Spracherwerb bei Flüchtlingen aus.
Studie des UNHCR untersuchte Faktoren, die Integration von Flüchtlingen beeinflussen.

Mit der Frage, was die Integration von Flüchtlingen in Österreich fördert und hemmt, hat sich eine Studie des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR beschäftigt. Die wichtigsten Erkenntnisse und Forderungen laut Autorin Haleh Chahrokh: Der Spracherwerb sollte früher ermöglicht werden, es brauche eine individuelle Integrationsunterstützung unter anderem bei der Wohnungssuche, und subsidiär Schutzberechtigte sollten anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt werden.

Fehlendes Datenmaterial

Als generellen Mangel konstatiert die Studie das Fehlen flüchtlingsbezogener Daten in Sachen Integration. Migranten an sich seien zwar gut untersucht, der Fokus liege aber immer nur auf der Herkunftsregion. Chahrokh forderte Längsschnittstudien, was Heinz Faßmann, Vizerektor der Uni Wien und Vorsitzender des Expertenrates für Integration, in der Diskussion nach der Präsentation enthusiastisch unterstützte. Er sprach sich für eine Panelstudie aus, in der eine Kohorte von Asylwerbern über fünf Jahre beobachtet werden sollte.

In der UNHCR-Untersuchung - eine qualitative Studie, für die 84 Flüchtlinge befragt, Literatur analysiert und Akteure aus der Flüchtlingsbetreuung zugezogen wurden - kristallisierten sich Beschäftigung, Wohnen und Bildung als Kernthemen heraus. Typische Faktoren waren Traumatisierungserfahrungen und die Trennung von der Familie, das Warten während des Asylverfahrens, das Fehlen von Dokumenten, die Übergangsphase nach der Anerkennung sowie Sprache und Gesundheit.

Ähnliche Studien wurden mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds auch in Frankreich, Irland und Schweden durchgeführt. Vergleichsdaten lagen aber nicht vor.

Gleichbehandlung

Chahrokh sprach sich dafür aus, den Spracherwerb von Anfang an zu unterstützen. Allerdings ist das nicht immer einfach, wie sie gegenüber Ö1 erklärte. Man stelle sich vor "eine somalische Familie in Wien, die achtköpfig auf 45 m² in recht desolatem Zustand wohnt, mit vier schulpflichtigen Kindern und einem Erwachsenen, der gerade dabei war, eine Ausbildung zu machen. In dieser Situation stellt die Konzentration auf die Ausbildung eine große Herausforderung dar."

Die Studienautorin schlägt auch vor, sich die Wohnverhältnisse vor allem bei den nicht als Flüchtlinge anerkannten subsidiär Schutzberechtigten besonders anzusehen. Die Gleichbehandlung der Schutzberechtigten forderte sie ebenso wie der Leiter des UNHCR-Österreich-Büros Christoph Pinter.

Christoph Riedl vom Diakonie-Flüchtlingsdienst verlangte zudem eine Standardisierung zwischen Bund und Bundesländern. Derzeit setzten manche Bundesländer darauf, dass sich die Flüchtlinge möglichst schnell Richtung Wien - und damit oft in die Obdachlosigkeit - verabschiedeten.

Die wesentlichen Forderungen der Studie

  • Deutsch-Kurse für Flüchtlinge bereits von Anfang an
  • Flüchtlinge sollten bei der Suche nach angemessenem Wohnraum stärker unterstützt werden
  • Gleichstellung von subsidiär Schutzberechtigten (Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, deren Leben in ihrem Herkunftsland aber bedroht ist, Anm.) mit anerkannten Flüchtlingen

Ein Bericht der Volksanwaltschaft sorgte vor Kurzem für Aufsehen. In der Expertise wurden die Wohnbedingungen in etlichen burgenländischen Asylunterkünften in den Jahren 2011 und 2012 kritisiert. Auch die Plattform Bleiberecht prangert immer wieder die desolaten Zustände in so mancher Unterkunft an. Dass es auch anders gehen kann, macht das Wohnprojekt Buchschachen im Südburgenland deutlich. Vier Familien aus Afghanistan, die einer religiösen Minderheit angehören und flüchten mussten, haben im 600-Seelen-Ort seit Ende des Vorjahres nicht nur ein Dach über dem Kopf gefunden.

Die Bewohner bemühen sich unter dem Motto „Nachbarn helfen Nachbarn“ auch redlich, dass die Familien in das Dorfleben integriert werden. VP-Bürgermeister Hermann Pferschy ist einer von ihnen. Der wohl prominenteste „Nachbar“ ist Helmut Pechlaner, ehemaliger Direktor des Tiergartens Schönbrunn.

„Das Wohnprojekt ist ein ,Best Practice Beispiel‘ für gelungene Integration“, sagt Gerlinde Grohotolsky von der Plattform Bleiberecht. Das Haus sei auch das einzige, das privat geführt werde und in dem sich die Flüchtlinge selbst versorgen können.

Selbstversorger

Die Familien – drei von ihnen gehören der Religion der Sikh an, eine dem Hinduismus – leben zum Teil vegetarisch. In der Küche ihres Quartiers – einem ehemaligen Jugendgästehaus, das von Amtsleiter Josef Fleck kostendeckend betrieben wird – können sie sich ihr Mahl selbst zubereiten. „In anderen Quartieren hört man oft von Problemen bei der Versorgung. Hier versorgen sich die Bewohner selbst“, so Pferschy.

Das Gemüse bauen sich die Flüchtlinge in Beeten, die ihnen von Bewohnern zur Verfügung gestellt wurden, zum Teil selbst an. „Wir haben Koriander, Tomaten, Zwiebel, Knoblauch und Kartoffel“, erklärt Soni Atar Singh auf Deutsch.

Dreimal pro Woche bekommen die Erwachsenen Deutschunterricht von einer Buchschachenerin, eine andere hilft den Kindern bei den Hausaufgaben. Auch Monika Prenner schaut öfters bei den Familien vorbei und hilft, wo sie nur kann. Soni Atar Singh bringt es auf den Punkt: „Ich fühle mich wohl in Buchschachen.“

Auch die 15-jährigen Pavlin ist zufrieden. „Zuhause durften wir nicht in die Schule gehen. Jetzt können wir Deutsch, Englisch und Ungarisch lernen.“ Pavlin besucht die Neue Mittelschule in Markt Allhau, „die beste Schule, die es gibt“.

Der Bürgermeister weiß, dass die Integration der Aufklärung der Bevölkerung bedarf. „Durch Infoveranstaltungen konnten wir die Ängste ausräumen.“ Die Flüchtlinge hätten auch schon Streicharbeiten in der Gemeinde durchgeführt und Schnee geräumt, sagt Pferschy.

Für das Engagement der Bevölkerung gibt es am Dienstag eine Auszeichnung: Auf der Friedensburg Schlaining vergibt die Plattform Bleiberecht den Menschenrechtspreis „Umanity Award“ unter anderem an das Wohnprojekt Buchschachen.

Das Thema eignet sich wunderbar für Populismus, es polarisiert, zudem ist Wahlkampf. Und so sah sich Heinz Fassmann zu einem Appell genötigt: „Ich bitte alle um Realismus und um Geduld.“

Das Thema heißt Integration, und Fassmann hat dazu viel zu sagen. Er ist Vize-Rektor der Uni Wien und präsentierte am Dienstag als Vorsitzender eines Experten-Beirates mit Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz den Integrationsbericht 2013.

Das Konvolut ist eine Bilanz, was bei der Integration seit 2011 passiert ist; und es ist eine Sammlung von Ideen, was noch zu tun bleibt.

Die Positiva wirken auf den ersten Blick unspektakulär. So lobte Fassmann, dass es seit 2011 ein eigenes Integrationsressort in der Regierung gibt. Damit sei die Angelegenheit von Reiz-Themen wie „Asyl“ und „Sicherheit“ getrennt. „Man darf das nicht gering schätzen“, sagt Fassmann – immerhin sei zuvor in der Integrationspolitik de facto jahrzehntelang wenig bis gar nichts passiert. Und das, obwohl mittlerweile jeder fünfte hier Lebende Migrationshintergrund aufweist (siehe Grafik unten).

Verbessert hat sich laut Fassmann die Stimmung im Land: Waren 2010 noch 18 Prozent der Meinung, die Integration funktioniere nicht, sind es heute nur noch 9.

Um die Integration weiter zu verbessern, gaben die Experten der künftigen Regierung für die nächste Gesetzgebungsperiode eine Reihe von Empfehlungen mit auf den Weg. Die wichtigsten sind folgende:

Bildungs- statt Schulpflicht

Fassmann und Kurz wiederholten den im KURIER bereits am Sonntag thematisierten Wunsch nach einem Umdenken in der Bildungspolitik.

Die Schul- müsse durch eine „Bildungspflicht“ ersetzt werden; Lernschwache sollen notfalls bis zum 18. Lebensjahr in die Schule gehen. „Das sollte kein plumpes Sitzenbleiben sein“, sagt Fassmann, „sondern ein modulares System am Schulstandort.“ Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache brechen vier mal häufiger die Schule ab als gebürtige Österreicher.

Reform der Rot-Weiß-Rot-Card

Derzeit gilt für Zuwanderer eine Einkommens-Untergrenze von 1900 Euro (brutto). Fassmann und Kurz ist das zu hoch. „Wir wissen, dass viele Akademiker-Einstiegsgehälter bei 1800 Euro beginnen“, sagt der Experte.

Einig sind sich die beiden bei der Frage, wie mit Ausländern umgegangen werden soll, die in Österreich eine Hochschule besuchen. Derzeit dürfen nur Absolventen eines Master-Lehrganges in Österreich bleiben bzw. arbeiten. Kurz und Fassmann sind dafür, auch Bachelor-Absolventen die Rot-Weiß-Rot-Karte zu geben. „Es ist skurril, wenn wir Menschen um teures Steuergeld hier ausbilden und dann ziehen lassen“, sagt Kurz. Zudem sollten ausländische Studienabsolventen länger Zeit für die Jobsuche haben. Fassmann: „Wir könnten uns an Deutschland orientieren, wo die Frist nicht sechs, sondern 12 Monate beträgt.“

Reform der Kinderbetreuung

Wie man Flüchtlinge besser integrieren könnte
Kurz ventilierte am Dienstag erneut das Ziel, das verpflichtende Kindergartenjahr in ganz Österreich um ein zweites Jahr zu verlängern: Kinder, die nicht gut Deutsch können, sollten bis zu zwei Jahren verpflichtend in den Kindergarten gehen müssen. Außerdem forderte Kurz deutlich mehr Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige.

SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek begrüßte die Forderung: „Schön, dass auch in der ÖVP langsam, aber sicher die Einsicht reift, dass wir mehr Kinderbetreuungsplätze brauchen“, so Heinisch-Hosek zum KURIER. „Die SPÖ setzt sich schon lange für einen Ausbau ein.“

Skeptisch ist der Regierungspartner bei der Reform der Rot-Weiß-Rot-Card. „Das Einstiegsgehalt von 1900 Euro brutto erscheint uns für Akademiker nicht zu hoch. Wir haben schon jetzt überdurchschnittlich viele Jobsuchende mit Bachelor-Abschluss“, heißt es im Ressort von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Insofern sei auch die vorgeschlagene Verlängerung der Frist für die Jobsuche wenig sinnvoll.

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