Was sich 2017 in Österreichs Justiz ändern wird

Was sich 2017 in Österreichs Justiz ändern wird
Amerikanische Verhältnisse: Coaching für Geschworene, Richter als Moderatoren, Sammelklagen, mehr Schutz für Beamte.

Wenn im Justizjahr 2017 endlich die Geschworenengerichtsbarkeit reformiert wird, dann könnten "amerikanische Verhältnisse" einziehen. Der vorsitzende Richter soll den Prozess nicht mehr prägen wie bisher, sondern vorbereiten und die Verhandlung moderieren. Die Fragen stellen Staatsanwalt und Verteidiger. Der Richter haut auf den Tisch, wenn die Regeln verletzt werden und sammelt dann nur noch auf, was an unerledigten Themen liegen geblieben ist.

So stellt sich zumindest die SPÖ das neue Schwurgericht bei Mord&Totschlag (sowie politischen Delikten wie NS-Wiederbetätigung) vor, wie Justizsprecher Hannes Jarolim dem KURIER erläutert. Der beisitzende Berufsrichter soll zum Coach der Geschworenen mutiert werden, in der Urteilsberatung juristische Tipps geben, sich bei der Entscheidung über Schuld oder Unschuld der Stimme enthalten und dann die Urteilsbegründung verfassen.

Was sich 2017 in Österreichs Justiz ändern wird
APA15699540 - 21112013 - WIEN - ÖSTERREICH: THEMENBILD-PAKET - Nationalratsabgeordneter Johannes Jarolim (SPÖ) am Mittwoch, 20. November 2013, im Rahmen eines Fototermins im Parlament in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Eine solche ist derzeit nicht vorgesehen, was die Bekämpfung und Überprüfung von Urteilen bis zu lebenslanger Haft praktisch unmöglich macht.

Jarolim schlägt auch noch vor, dass zumindest zwei Geschworene aus einem Berufsstand mit sozialem Hintergrund wie z. B. Lehrer oder Sozialarbeiter kommen.

Gemeinsam urteilen

Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizministerium hält nichts davon, die Urteilsbegründung von einem Berufsrichter verfassen zu lassen, der an der Entscheidung nicht mitgewirkt hat. In dem Fall sollten Berufs- und Laienrichter gemeinsam beraten und abstimmen.

Ebenfalls nach US-Vorbild könnte 2017 die Sammelklage in Österreich eingeführt werden. Die Wirtschaftskammer steht noch auf der Bremse, weil sie die Unternehmen unter Druck gesetzt sieht. Aber die Richter wollen beschleunigte Verfahren. Und die Konsumenten profitieren von der gemeinsamen Prozessführung und einem Urteil, das für alle gilt.

Prämie

Hannes Jarolim plädiert dafür, 2017 eine Sondergruppe für die Abschöpfung der kriminellen Bereicherung einzusetzen. Bringt sie den Opfern das abgenommene Geld zurück, soll der Staat zehn Prozent Prämie lukrieren.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat sich 2017 unter anderem der Eindämmung tätlicher Angriffe auf Beamte im Einsatz oder in Justizanstalten verschrieben. Die Strafen werden (von bis zu sechs Monaten) auf bis zu zwei Jahre Haft angehoben. "Ein Signal für Exekutivbeamte, dass sie der Staat schützt", sagt Pilnacek.

Übergriffe

Umgekehrt soll 2017 auch überprüft werden, wie glaubwürdig in den eigenen Reihen ermittelt wird. Susanne Reindl-Krauskopf und Christian Grafl vom Institut für Strafrecht der Uni Wien durchforsten abgeschlossene Verfahren in Wien und Salzburg, bei denen es um behauptete Polizei-Übergriffe ging. Wie im Fall jener 47-jährigen Unternehmerin, die in der Silvesternacht 2015 bei einer Tankstelle am Schwedenplatz von zwölf Polizisten "beamtshandelt" wurde und einen Steißbeinbruch davontrug. Das Verfahren gegen die Beamten wurde eingestellt, die Frau muss wegen Widerstandes vor Gericht. Pilnacek erwartet sich mehr Transparenz.

Was sich 2017 in Österreichs Justiz ändern wird
Polizeieinsatz Morzinplatz

Ewige Baustelle bleibt auch 2017 der Maßnahmenvollzug für psychisch gestörte Rechtsbrecher. Dringend notwendig sind Anstalten, in denen der Betreuungsaspekt im Vordergrund steht. "Wir bräuchten mehrere Asten", sagt Pilnacek und spielt auf das Forensische Zentrum mit nach innen hin offen gestalteten Wohngruppen in OÖ an.

In der Schweiz ist sie schon Gesetz, in Deutschland zum Teil auch, in Österreich soll sie 2017 kommen: Die Online-Überwachung via Bundestrojaner. Sprich: Die Polizei darf im Auftrag der Justiz auf Handy, PC oder Laptop eines Verdächtigen von außen heimlich ein Programm installieren, mit dem die Kommunikation mitverfolgt werden kann. Derzeit checken Techniker im Innenministerium gerade, wie ein solches Programm beherrschbar ist.

Am 1. Jänner 2017 treten mehrere Reformen in Kraft: Das neue Erbrecht mit Berücksichtigung von Pflegeleistungen im Verlassenschaftsverfahren. Die verlängerte Gerichtspraxis für angehende Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte von fünf auf sieben Monate.

Die novellierte Exekutionsordnung: Gläubiger können leichter ein Konto vorläufig sperren lassen, das innerhalb der EU liegt. Dadurch soll verhindert werden, dass Schuldner Geld überweisen oder abheben und damit die Forderungen der Gläubiger gefährden.

Im Lauf des kommenden Jahres soll noch die reformierte Kronzeugenregelung in Kraft treten: Der Mittäter, der zum Auspacken bereit ist, muss mit Beweisen an die Staatsanwaltschaft herantreten. Und sein Beitrag zur Aufklärung muss das Gewicht der eigenen Beteiligung an der Tat übersteigen. Dafür soll er möglichst früh erfahren, ob er den Status als Kronzeuge erhält und sich damit einen Teil der Strafe erspart. Darauf hat der Kronzeuge dann auch einen durchsetzbaren Rechtsanspruch.

Kommentare