Vorwürfe von vier Mädchen gegen Seisenbacher

Vorwürfe von vier Mädchen gegen Seisenbacher
Eine Betroffene brachte den Fall ins Rollen. Befragungen beinahe beendet.

Die Zeiten für den ehemaligen Judo-Helden Peter Seisenbacher sind bitter. "Er hat am Dienstag zur Kenntnis nehmen müssen, dass jetzt halb Österreich über ihn redet", sagt sein Rechtsanwalt Bernhard Lehofer. Zu den Vorwürfen – Seisenbacher wird vorgeworfen, Anfang der 2000er-Jahre vier minderjährige Mädchen sexuell missbraucht zu haben – gibt es allerdings dennoch keine Stellungnahme.

"Ich ersuche um Verständnis, dass ich mich während eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Stellungnahme enthalte", erklärt Lehofer. "Das ist mit Peter Seisenbacher so abgemacht." Wenn das Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind, werde man dazu "ausführlich Stellung beziehen."

Und das könnte bereits in einigen Wochen so weit sein. Denn ermittelt wird gegen den Doppel-Olympiasieger wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen seit Herbst 2013. Die Einvernahmen dürften demnach fast abgeschlossen sein.

Betroffene zeigte an

Eine Betroffene hatte sich damals direkt an die Staatsanwaltschaft gewandt. Diese gab Ermittlungen der Polizei in Auftrag. Die mittlerweile junge Frau soll, wie auch drei weitere Betroffene, von Seisenbacher, der Anfang der 2000er-Jahre als Judo-Trainer in Wien tätig war, missbraucht worden sein. Die Opfer sollen damals noch unmündig gewesen sein, ein Mädchen soll sich zum Tatzeitpunkt noch im Volksschulalter befunden haben.

Sollte es zu einer Anklage und damit zu einem Gerichtsverfahren kommen, drohen dem ehemaligen Spitzensportler bis zu zehn Jahre Haft.

In der heimischen Judo-Szene ist die Bestürzung über den Missbrauchsverdacht gegen den 54-jährigen Parade-Judoka groß. Hans Paul Kutschera, der Präsident des Österreichischen Judoverbandes, kündigte volle Unterstützung bei der Aufklärung des Sachverhaltes an.

"Wir hoffen, dass sich die Vorwürfe gegen das österreichische Aushängeschild im Judosport in Sachen Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs nicht bewahrheiten." Derzeit gebe es keinen Kontakt mit Seisenbacher.

Er war der Herr der Ringe, der erfolgreichste Judo-Kämpfer, den Österreich je hervorgebracht hat. Peter Seisenbacher errang zwei Mal Olympia-Gold, 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul. 2012 holte er ein drittes Mal Gold, als Cheftrainer der georgischen Mannschaft, der Lasha Schwadatuaschwili zum Sieg führte.

Mit diesem Heldenruhm des österreichischen Sports ausgestattet, spielte Peter Seisenbacher 2013 in einer Folge der ORF-Krimireihe „Soko Donau“ – und zwar sich selbst. Einen Ex-Olympiasieger, allerdings einen toten. Das Drehbuch warf die Frage auf: Hat er sich umgebracht, weil ihm Liebschaften mit Minderjährigen nachgesagt wurden?

Jetzt hat die Realität den einstigen Sportgiganten offenbar eingeholt. Der 54-Jährige bzw. sein heroischer Ruf landet so unsanft auf der Matte wie selten in seiner aktiven Laufbahn: Peter Seisenbacher steht unter Verdacht des sexuellen Missbrauchs.

Ermittlungen

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, bestätigte einen entsprechenden Bericht des Sportnachrichtenportals Laola1.at. Seisenbacher soll sich Anfang der 2000er-Jahre an mehreren Mädchen vergangen haben. Er hatte diese Mädchen als Vereins-Trainer beim Wiener Judoverband betreut.

Laut Bussek liegt eine Sammelanzeige mehrerer mutmaßlicher Opfer vor, es wird wegen Missbrauchs ermittelt. In den vergangenen Monaten seien zahlreiche Personen befragt worden.

Der 1,85 Meter große Seisenbacher, dessen Kampfgewicht bei 85,75 Kilo lag, war bisher zu keiner Stellungnahme bereit. Erfahrung mit der Justiz hat er bereits. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er 1991 beim Turnier in Leonding einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst. Ein Linzer Gericht verurteilte Seisenbacher damals wegen leichter Körperverletzung zu einer Geldstrafe. Seisenbacher musste sich bei Sportminister Harald Ettl entschuldigen, um sein Amt zu behalten. Sein Engagement als Judo-Nationaltrainer war bald darauf trotzdem Geschichte.

„Bis ich das gehört habe, hätte ich die Hand für ihn ins Feuer gehalten“, sagt Ronald Gelbard, Sektionsleiter Judo beim Sportverein HAKOAH.

Laufbahn

Peter Seisenbacher war der erste Österreicher, der bei Olympischen Sommerspielen zwei Goldmedaillen gewinnen konnte. Der Wiener siegte im Mittelgewicht (bis 86 Kilogramm) sowohl 1984 in Los Angeles, als auch 1988 in Seoul und war damit der erste Judoka, der seinen Olympiasieg wiederholen konnte.

Zwischen seinen Olympiasiegen wurde er Welt- (1985) und Europameister (1986), was Peter Seisenbacher 1984, 1985 und 1988 den Titel „Österreichs Sportler des Jahres“ einbrachte.

Unmittelbar nach seinem Karriereende war Seisenbacher Generalsekretär der österreichischen Sporthilfe, ehe er als Trainer zum österreichischen Judo-Verband zurückkehrte. Das Engagement endete jedoch abrupt und unrühmlich, nachdem es zu Handgreiflichkeiten mit einem Schützling gekommen war.

Zuletzt war Seisenbacher Chefcoach von Georgien (2010 bis 2012) und Aserbaidschan (2012 bis 2013).

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