Kritik an Schubhaftbetreung durch Securityfirma

Das Schubhaftzentrum im steirischen Vordenberg, das Mitte DEzember fertig wird, sorgt für Wirbel.
Polizei und Group 4 teilen sich die Aufgabe. Group 4: "Wir sind uns der Verantwortung bewusst".

Elf Bewerber hatten sich für den Auftrag interessiert, letztlich stellte aber nur eine Firma ein Anbot. Dass dies ausgerechnet das Sicherheitsunternehmen Group 4 (G4S) ist, sorgt für Wirbel: Erstmals teilen sich in einem Schubhaftzentrum Polizei und Private die Betreuung.

In Vordernberg in der Obersteiermark sollen 200 Menschen im Schubhaftzentrum unterkommen, das im Dezember fertig wird. 68 Millionen Euro schwer ist der Vertrag mit der Gemeinde, den sich Group 4 jetzt sicherte. Doch nur für den „nicht-hoheitlichen Bereich“, versichern Bürgermeister Walter Hubner und Alexander Marakovits, Sprecher des Innenministeriums: Die Bewachung werde allein von den 55 Polizisten durchgeführt. Patrouillen der 100 Privaten seien möglich, heißt es, aber im Grunde gehe es um Küchenpersonal, Reinigung, Pflegekräfte.

"Schiefe Optik"

Der Mischbetrieb ist sorgt aber für Skepsis. So rügt Alev Korun, Grüne, dass Group 4 zum Zug kam: Dessen Vorstand Matthias Wechner sei Vize-Kabinettschef bei Günther Plattner in dessen Zeit als Innenminister gewesen. „Da ist die Optik mehr als schief. Warum bewirbt sich eine Sicherheitsfirma für psychologischen Dienst und Essenausgabe?“ Heinz Patzelt von Amnesty International mahnt gegenüber dem ORF Kontrolle ein, während Manfred Novak vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte vor einer „bedenklichen“ Situation warnt.

"Sind uns Verantwortung bewusst"

Die Sicherheitsfirma G4S hat am Freitag betont, sich beim Betrieb des Schubhaftzentrums "unserer Verantwortung absolut bewusst" zu sein, wie Österreich-Vorstand Matthias Wechner dem Ö1-"Mittagsjournal" sagte. Die Mitarbeiter würden dafür gerüstet, die Insassen - die dort ihrer Abschiebung harren müssen - in ihrer "schwierigen menschlichen Situation" zu betreuen, versicherte er.

Es sei die Aufgabe des Unternehmens, den Personen ihren Aufenthalt so "sinnvoll und menschlich wie möglich" zu gestalten. Unter anderem nannte er die Einrichtung einer Bibliothek als geplante Maßnahme. Das Team werde auch psychologisch geschult, um auf die Menschen eingehen zu können. In Krisensituationen - etwa im Falle eines Hungerstreiks oder angedrohten Suizids - werde man aber stets und sofort die Exekutive einschalten, denn das sei "typische Aufgabe des Staates".

Die Abwanderungsgemeinde Vordernberg im Bezirk Leoben verblüffte im September 2009 mit seiner Bewerbung für ein geplantes Schubhaftzentrum. Davor hatte es heftige Debatten über die Standorte für ein zusätzliches Erstaufnahme- sowie ein Schubhaftzentrum im Süden Österreichs gegeben. Aus dem ursprünglich für das Schubhaftzentrum ins Auge gefassten Leoben, das schon ein Justizzentrum beherbergt, kam ein Njet.

Der Schritt Vordernbergs und seines SPÖ-Bürgermeisters Walter Hubner war von der Landespolitik durchaus gewollt und vermutlich akkordiert: Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) war mit der Bewerbung das Problem eines möglichen, politisch noch heikleren Erstaufnahmezentrums los. So eines hätte im südburgenländischen Eberau errichtet werden sollen, wurde aber im Februar 2010 per Bürgervotum (90 Prozent dagegen) verhindert.

Hubner schaffte es dagegen, in einer Bürgerbefragung knapp 70 Prozent hinter das Projekt zu scharen. Argumentiert wurde mit Einnahmen und Arbeitsplätzen für die Region. Die 1055 Einwohner zählende Marktgemeinde hatte mit der Zentralisierung der Eisenproduktion an wirtschaftlicher Bedeutung und seit Anfang der 1960er-Jahre nahezu zwei Drittel der Einwohnerschaft verloren.

Ganz so reibungslos verlief die Realisierung des Schubhaftzentrums dann aber doch nicht: Im Zuge der Flächenwidmungsplanänderung stellte sich heraus, dass für das ursprünglich der VA Erzberg GmbH gehörende Grundstück ein Hochwasserschutz notwendig war, für den weitere Flächen benötigt wurden. Der Baubeginn, zunächst für Herbst 2010 avisiert, verzögerte sich bis März 2012.

Im Oktober gab es für Hubner eine weitere Bewährungsprobe: Nach fast finalisierten Verhandlungen über eine neue Modellregion mit Trofaiach, Gai und Hafning - man sprach damals von einem „Testfall“ für die steirische Gemeindestrukturreform - zog er im September 2012 die Reißleine: Wenige Tage vor der Volksbefragung, die mit 81,2 Prozent Nein-Stimmen recht deutlich gegen eine Fusion ausging, änderte er seine Meinung, weil es für ein Zusammengehen noch zu früh sei.

Asyl Bei Verfolgung wegen Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu bestimmter sozialen Gruppe.

Subsidiärer Schutz Bekommen Personen, welchen kein Asyl gewährt wurde, deren Leben oder Gesundheit im Herkunftsland aber gefährdet sind. Wird bei Asylantrag mitgeprüft.

Positive Entscheidungen Laut Statistiken des Innenministeriums wurde zwischen 2009 und 2012 13.476 Personen Asyl und 7358 Menschen subsidiärer Schutz gewährt.

Wie genau die Flüchtlingsströme nach Österreich aussehen, zeigt die interaktive Landkarte.

(Die Karte lässt sich mit einem Klick auf das Kreuz-Symbol in der Leiste rechts oben bewegen).

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