Verwirrung um erhöhte HCB-Werte

Aktuelle HCB-Messergebnisse widersprechen sich mit jenen des Landes
Hohe Belastung auf Wiesen, Weiden und in Wäldern festgestellt. Streit um Messmethoden.

"Das Land Kärnten versichert seit Monaten, dass die Böden im Görtschitztal nicht mehr mit HCB belastet sind – und nun bekommen wir horrende Werte geliefert. Wie sollen wir jemals in die Zukunft schauen, Vertrauen gewinnen und den Skandal hinter uns lassen?", fragt Isa Priebernig, Bio-Bäuerin in Hochfeistritz im Görtschitztal.

Im Namen seiner Mandanten hat Anwalt Wolfgang List, der die Schadenersatzklage im Zusammenhang mit dem Hexachlorbenzol-Skandal vorbereitet, Bodenproben in Auftrag gegeben: Die Ergebnisse übertreffen die offiziellen Messwerte um ein Vielfaches, weil das Land tiefere Schichten beprobt.

150 Millionen Euro werden Lists rund 1000 Mandanten von der Republik Österreich als Haftungsträger des Landes Kärnten, vom Zementwerk "w&p" sowie von der Donau Chemie einfordern. Um die Klage zu untermauern, ließ List im Umkreis von 30 Kilometern um das Werk 23 Bodenproben auf forst- und landwirtschaftlichen Grundstücken ziehen.

HCB am Sportplatz

Dabei wurden Werte bis zu 28,6 Mikrogramm (µg) HCB pro Kilo Trockenmasse gefunden. "Auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche eines Bio-Bauern waren es 21,2 µg, auf dem Sportplatz von Brückl noch 6,1 µg", sagt Kurt Scheidl, Zivilingenieur für Technische Chemie. Die Ergebnisse seien von einem zertifizierten Bundesforschungsinstitut gegengecheckt und verifiziert worden. Das Land Kärnten hatte im Mai 2015 den Referenzwert für HCB im Boden auf 2,5 Mikrogramm festgelegt und betrachtet sämtliche Flächen als HCB-frei.

Offenbar hat das Land bei den Messungen tiefer gegraben als die privat beauftragten Sachverständigen. "In null bis 20 Zentimetern Tiefe", wurden laut Auskunft des Büros von Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne) HCB-Proben auf Wiesen, Weiden und Äckern vorgenommen. Das sei mit der Uni für Bodenkultur so abgestimmt. "Und ich lass mir nicht unterstellen, irgendetwas zu verschleiern", meint Holub.

Die aktuellen Untersuchungen wurden "in null bis fünf Zentimetern Tiefe durchgeführt. Das sieht die Ö-Norm vor. Es macht auch Sinn, weil die Tiere dort Futter holen und HCB nicht so rasch in tiefere Schichten sinkt", betont Scheidl.

"Was bleibt, sind unterschiedliche Messergebnisse, die die Bürger verwirren", schüttelt Pribernig den Kopf. Auf ihrem Grund hatte das Land kurz nach Bekanntwerden des Skandals einen Wert von 0,54 µg HCB ermittelt, nun sind es 2,7.

Sichtbare Schäden

Was Waldflächen im Tal betrifft, so ortet der gerichtlich beeidete Sachverständige Christian Tomiczek bereits sichtbare Schäden. "Die Mykorrhiza-Pilze sind teilweise beeinträchtigt. Ein Zusammenhang mit HCB ist bei diesen Messergebnissen augenscheinlich", legt er sich fest. Weil das Pilzsystem mit den Bäumen in Kontakt steht, habe dies eine Schädigung des Waldbestands zur Folge. "Weniger Wasserversorgung, weniger Nährstoffe und mehr Stress für den Baum, was ihn angreifbar für Schädlinge macht", sagt Tomiczek.

Jene Schadenersatzklage, die sich auf Waldschäden beschränkt, will List in den kommenden Wochen einreichen. "Die Sammelklage beinhaltet auch Gesundheitsschäden sowie Wertverluste von Liegenschaften – sie wird im Sommer in Wien eingebracht und ist jenseits der 150-Millionen-Euro-Marke anzusiedeln", kündigt er an.

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