"Unmenschlich und qualvoll": Mordanklage gegen Schlepper

Zwei Jahre nach dem Flüchtlingsdrama auf der A4 bei Parndorf wird gegen elf Männer Anklage erhoben. 71 Menschen waren erstickt.

Der Fund der Leichen von vier Kindern, acht Frauen und 59 Männern in einem Kühl-Lkw auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf hatte im August 2015 für weltweites Aufsehen gesorgt. Wie berichtet, waren die 71 Flüchtlinge in dem Lastwagen erstickt. Jetzt sollen die mutmaßlichen Täter zur Rechenschaft gezogen werden: Gegen elf Verdächtige aus Afghanistan, Bulgarien und dem Libanon wird Anklage wegen "qualifizierten" Mordes und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhoben.

Neun der Verdächtigen befinden sich in Untersuchungshaft. Das gab László Nánási, Chefankläger der Oberstaatsanwaltschaft des ungarischen Komitats Bacs-Kiskun, am Donnerstag bekannt.

Gegen vier der Verdächtigen hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes eingebracht und den Antrag auf lebenslange Zuchthausstrafe gestellt. Darunter sollen sich neben dem mutmaßlichen Chef der Schlepperbande, einem 30-jährigen Afghanen, auch ein 31-jähriger Bulgare sowie der 25-jährige bulgarische Fahrer des Lkw sowie ein 38-jähriger Landsmann, der als Vorläufer fungierte, befinden.

31 Schleusungen

Die kriminelle Vereinigung sei laut Anklage zwischen Februar und August 2015 tätig gewesen. Täglich sollen Migranten nach Deutschland oder Österreich gebracht worden sein, heißt es von der Staatsanwaltschaft. In der Anklage ist von 31 Schleusungen die Rede. In "ungeeigneten, geschlossenen, dunklen und luftlosen Lieferwägen und unter überfüllten, unmenschlichen und qualvollen Umständen" habe man die Flüchtlinge transportiert. So auch im Fall jener 71 Menschen, deren Leichen in der Pannenbucht bei Parndorf am 27. August entdeckt worden waren.

Gestartet sollen die zwei Fahrer mit einem Kühl-Lkw einer slowakischen Fleischverarbeitungsfirma am 26. August um 5 Uhr morgens im Bereich von Mórahalom nahe der serbisch-ungarischen Grenze sein. "Etwa ein halbe Stunde nach der Abfahrt haben die Migranten mit Gehämmer, Klopfen und Geschrei gezeigt, dass sie keine Luft bekommen", teilt der Oberstaatsanwalt mit. Der Fahrer sowie der 38-jährige Vorläufer hätten daraufhin ihren bulgarischen Chef sowie den afghanischen Leiter der Organisation verständigt. "Aber die haben mehrmals die Weisung erhalten, dass sie die Tür des Laderaumes nicht öffnen und sich um die erstickenden Menschen nicht kümmern dürfen", so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die 71 Flüchtlinge dürften drei Stunden nach der Abfahrt noch auf ungarischem Staatsgebiet qualvoll erstickt sein.

Türe aufgezwängt

Der tragische Tod der Menschen dürfte die Kriminellen aber nicht von weiteren Schleusungen abgehalten haben. Laut Staatsanwaltschaft in Kecskemet sollen zwei der an der Todesfahrt beteiligten Schlepper am nächsten Tag weitere 67 Flüchtlinge unter ähnlichen Bedingungen nach Österreich geschleust haben. In Gols war es den Flüchtlingen schließlich gelungen, die Tür des Laderaumes mit den Füßen aufzuzwängen. "Deshalb ist niemand gestorben", heißt es von der ungarischen Staatsanwaltschaft.

Der Prozess gegen die elf Verdächtigen wird im Juni am Gerichtshof im ungarischen Kecskemet starten. Mit einem Urteil ist Ende des Jahres zu rechnen, sagt Gerichtssprecherin Anett Petroczy.

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